wisses Zeitmoment, ohne Einwirkung der äußern Ursache in uns fortdauert. Man kann sogar die Län- ge dieser Dauer in den Nachempfindungen be- stimmen. Wenn man solche nimmt, die am geschwinde- sten wieder vergehen, aber auch stark genug gewesen sind, um gewahrgenommen zu werden; so ist die kleinste Dauer in den Gesichtsempfindungen 6 bis 7 Terzen, bey den Nachempfindungen des Gehörs nur 5 Terzen und noch kürzer bey den Nachempfindungen des Ge- fühls. *)
Der Augenblick, in welchem der Gedanke in uns entsteht: ich sehe den Mond; oder der Mond sieht so aus; kurz der Augenblick der Reflexion fällt in das Moment der Nachempfindung. Nicht wäh- rend des ersten von außen entstehenden Eindruckes, wenn wir noch damit beschäftiget sind, die Modifikation von außen anzunehmen und zu fühlen, geschieht es, daß wir gewahrnehmen und mit Bewußtseyn empfinden, son- dern in dem Moment, wenn die Nachempfindung in uns vorhanden ist. Die Ueberlegung verbindet sich mit der Empfindungsvorstellung, aber nicht unmittel- bar mit der Empfindung selbst.
Man kann sich auch gerade zu aus Beobachtungen hievon versichern. Wenn wir z. B. die Augen starr auf einen Gegenstand hinrichten, um sein Bild in uns aufzufassen; so denken wir in diesem Augenblick nicht, daß wir ihn sehen. Sobald wir über den Gegenstand reflektiren; so finden wir ihn zwar vor uns gegenwär- tig, und sein Bild ist in uns, aber wir sind nicht mehr damit beschäftigt, es in uns aufzunehmen. Ueberdieß
kann
*) Die Gefühlseindrücke dauren kaum halb so lange, als die Eindrücke auf das Gehör, wie ich aus einigen Ver- suchen weiß, die ich hierüber angestellet habe, deren weitere Anzeige hier aber nicht her gehöret.
I.Band. C
der Vorſtellungen.
wiſſes Zeitmoment, ohne Einwirkung der aͤußern Urſache in uns fortdauert. Man kann ſogar die Laͤn- ge dieſer Dauer in den Nachempfindungen be- ſtimmen. Wenn man ſolche nimmt, die am geſchwinde- ſten wieder vergehen, aber auch ſtark genug geweſen ſind, um gewahrgenommen zu werden; ſo iſt die kleinſte Dauer in den Geſichtsempfindungen 6 bis 7 Terzen, bey den Nachempfindungen des Gehoͤrs nur 5 Terzen und noch kuͤrzer bey den Nachempfindungen des Ge- fuͤhls. *)
Der Augenblick, in welchem der Gedanke in uns entſteht: ich ſehe den Mond; oder der Mond ſieht ſo aus; kurz der Augenblick der Reflexion faͤllt in das Moment der Nachempfindung. Nicht waͤh- rend des erſten von außen entſtehenden Eindruckes, wenn wir noch damit beſchaͤftiget ſind, die Modifikation von außen anzunehmen und zu fuͤhlen, geſchieht es, daß wir gewahrnehmen und mit Bewußtſeyn empfinden, ſon- dern in dem Moment, wenn die Nachempfindung in uns vorhanden iſt. Die Ueberlegung verbindet ſich mit der Empfindungsvorſtellung, aber nicht unmittel- bar mit der Empfindung ſelbſt.
Man kann ſich auch gerade zu aus Beobachtungen hievon verſichern. Wenn wir z. B. die Augen ſtarr auf einen Gegenſtand hinrichten, um ſein Bild in uns aufzufaſſen; ſo denken wir in dieſem Augenblick nicht, daß wir ihn ſehen. Sobald wir uͤber den Gegenſtand reflektiren; ſo finden wir ihn zwar vor uns gegenwaͤr- tig, und ſein Bild iſt in uns, aber wir ſind nicht mehr damit beſchaͤftigt, es in uns aufzunehmen. Ueberdieß
kann
*) Die Gefuͤhlseindruͤcke dauren kaum halb ſo lange, als die Eindruͤcke auf das Gehoͤr, wie ich aus einigen Ver- ſuchen weiß, die ich hieruͤber angeſtellet habe, deren weitere Anzeige hier aber nicht her gehoͤret.
I.Band. C
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der Vorſtellungen.
wiſſes Zeitmoment, ohne Einwirkung der aͤußern
Urſache in uns fortdauert. Man kann ſogar die Laͤn-
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ſtimmen. Wenn man ſolche nimmt, die am geſchwinde-
ſten wieder vergehen, aber auch ſtark genug geweſen ſind,
um gewahrgenommen zu werden; ſo iſt die kleinſte
Dauer in den Geſichtsempfindungen 6 bis 7 Terzen,
bey den Nachempfindungen des Gehoͤrs nur 5 Terzen
und noch kuͤrzer bey den Nachempfindungen des Ge-
fuͤhls. *)
Der Augenblick, in welchem der Gedanke in uns
entſteht: ich ſehe den Mond; oder der Mond ſieht ſo
aus; kurz der Augenblick der Reflexion faͤllt in
das Moment der Nachempfindung. Nicht waͤh-
rend des erſten von außen entſtehenden Eindruckes, wenn
wir noch damit beſchaͤftiget ſind, die Modifikation von
außen anzunehmen und zu fuͤhlen, geſchieht es, daß wir
gewahrnehmen und mit Bewußtſeyn empfinden, ſon-
dern in dem Moment, wenn die Nachempfindung in
uns vorhanden iſt. Die Ueberlegung verbindet ſich mit
der Empfindungsvorſtellung, aber nicht unmittel-
bar mit der Empfindung ſelbſt.
Man kann ſich auch gerade zu aus Beobachtungen
hievon verſichern. Wenn wir z. B. die Augen ſtarr
auf einen Gegenſtand hinrichten, um ſein Bild in uns
aufzufaſſen; ſo denken wir in dieſem Augenblick nicht,
daß wir ihn ſehen. Sobald wir uͤber den Gegenſtand
reflektiren; ſo finden wir ihn zwar vor uns gegenwaͤr-
tig, und ſein Bild iſt in uns, aber wir ſind nicht mehr
damit beſchaͤftigt, es in uns aufzunehmen. Ueberdieß
kann
*) Die Gefuͤhlseindruͤcke dauren kaum halb ſo lange, als
die Eindruͤcke auf das Gehoͤr, wie ich aus einigen Ver-
ſuchen weiß, die ich hieruͤber angeſtellet habe, deren
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/93>, abgerufen am 22.12.2024.
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