Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

der Vorstellungen.
von demjenigen, was durch die vorhergegangene Ein-
wirkung hervorgebracht war.

Die Nachempfindung verlieret sich bald wieder,
wenn man aufhöret, die Augen auf den Gegenstand zu
richten, ob sie gleich in einigen Fällen, wo der Ein-
druck lebhafter gewesen ist, etwas länger und merklicher
als in andern fortdauret. Man wird z. B. das Bild
der Sonne, wenn man sie angesehen hat, nicht sogleich
wieder aus den Augen los, aber es wird doch bald so
weit geschwächet, daß diese Nachempfindung des
zweeten Grades,
wenn ich so sagen soll, von der er-
sten, welche während des fortgesetzten Anschauens vor-
handen ist, leicht unterschieden werden kann.

Die Beobachtungen und Untersuchungen der Optiker
über das Sehen, führen zu noch mehrern Bemerkun-
gen über die Beziehung der Nachempfindungen auf
die Empfindungen, oder die erst empfundene Ein-
drücke,
davon etwas ähnliches auch bey den übrigen
Empfindungsarten vorhanden ist. Sehr oft hänget
die Beschaffenheit des Eindrucks von einer vorhergegan-
genen Modifikation des Organs ab; und ist nicht im-
mer ebenderselbige, wenn er gleich von einerley Gegen-
ständen entspringet. Was die Nachempfindungen
betrifft: so entsprechen sie zwar gemeiniglich den Em-
pfindungen,
wovon sie die Fortsetzungen sind; aber
es giebt auch Fälle, wenn z. B. die Empfindung allzu
lebhaft gewesen ist, in welchen sie davon abweichen. So
zeigen sich z. B. zuweilen eben solche Farben an den Ge-
genständen in der Nachempfindung, als in der Empfin-
dung gesehen worden. *) Und das nemliche kann in

den
*) Scherffer. diff. de coloribus accidentalibus diff. Vin-
dob. 1761. §. XVII.
Die vom Hrn. von Büffon so ge-
nannten zufälligen Farben, oder die blos erscheinende
Farben gehören zwar nicht alle, aber doch größten-
theils hieher.
C 2

der Vorſtellungen.
von demjenigen, was durch die vorhergegangene Ein-
wirkung hervorgebracht war.

Die Nachempfindung verlieret ſich bald wieder,
wenn man aufhoͤret, die Augen auf den Gegenſtand zu
richten, ob ſie gleich in einigen Faͤllen, wo der Ein-
druck lebhafter geweſen iſt, etwas laͤnger und merklicher
als in andern fortdauret. Man wird z. B. das Bild
der Sonne, wenn man ſie angeſehen hat, nicht ſogleich
wieder aus den Augen los, aber es wird doch bald ſo
weit geſchwaͤchet, daß dieſe Nachempfindung des
zweeten Grades,
wenn ich ſo ſagen ſoll, von der er-
ſten, welche waͤhrend des fortgeſetzten Anſchauens vor-
handen iſt, leicht unterſchieden werden kann.

Die Beobachtungen und Unterſuchungen der Optiker
uͤber das Sehen, fuͤhren zu noch mehrern Bemerkun-
gen uͤber die Beziehung der Nachempfindungen auf
die Empfindungen, oder die erſt empfundene Ein-
druͤcke,
davon etwas aͤhnliches auch bey den uͤbrigen
Empfindungsarten vorhanden iſt. Sehr oft haͤnget
die Beſchaffenheit des Eindrucks von einer vorhergegan-
genen Modifikation des Organs ab; und iſt nicht im-
mer ebenderſelbige, wenn er gleich von einerley Gegen-
ſtaͤnden entſpringet. Was die Nachempfindungen
betrifft: ſo entſprechen ſie zwar gemeiniglich den Em-
pfindungen,
wovon ſie die Fortſetzungen ſind; aber
es giebt auch Faͤlle, wenn z. B. die Empfindung allzu
lebhaft geweſen iſt, in welchen ſie davon abweichen. So
zeigen ſich z. B. zuweilen eben ſolche Farben an den Ge-
genſtaͤnden in der Nachempfindung, als in der Empfin-
dung geſehen worden. *) Und das nemliche kann in

den
*) Scherffer. diff. de coloribus accidentalibus diff. Vin-
dob. 1761. §. XVII.
Die vom Hrn. von Buͤffon ſo ge-
nannten zufaͤlligen Farben, oder die blos erſcheinende
Farben gehoͤren zwar nicht alle, aber doch groͤßten-
theils hieher.
C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0095" n="35"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Vor&#x017F;tellungen.</hi></fw><lb/>
von demjenigen, was durch die vorhergegangene Ein-<lb/>
wirkung hervorgebracht war.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#fr">Nachempfindung</hi> verlieret &#x017F;ich bald wieder,<lb/>
wenn man aufho&#x0364;ret, die Augen auf den Gegen&#x017F;tand zu<lb/>
richten, ob &#x017F;ie gleich in einigen Fa&#x0364;llen, wo der Ein-<lb/>
druck lebhafter gewe&#x017F;en i&#x017F;t, etwas la&#x0364;nger und merklicher<lb/>
als in andern fortdauret. Man wird z. B. das Bild<lb/>
der Sonne, wenn man &#x017F;ie ange&#x017F;ehen hat, nicht &#x017F;ogleich<lb/>
wieder aus den Augen los, aber es wird doch bald &#x017F;o<lb/>
weit ge&#x017F;chwa&#x0364;chet, daß die&#x017F;e <hi rendition="#fr">Nachempfindung des<lb/>
zweeten Grades,</hi> wenn ich &#x017F;o &#x017F;agen &#x017F;oll, von der er-<lb/>
&#x017F;ten, welche wa&#x0364;hrend des fortge&#x017F;etzten An&#x017F;chauens vor-<lb/>
handen i&#x017F;t, leicht unter&#x017F;chieden werden kann.</p><lb/>
          <p>Die Beobachtungen und Unter&#x017F;uchungen der Optiker<lb/>
u&#x0364;ber das Sehen, fu&#x0364;hren zu noch mehrern Bemerkun-<lb/>
gen u&#x0364;ber die Beziehung der <hi rendition="#fr">Nachempfindungen</hi> auf<lb/>
die <hi rendition="#fr">Empfindungen,</hi> oder die er&#x017F;t <hi rendition="#fr">empfundene Ein-<lb/>
dru&#x0364;cke,</hi> davon etwas a&#x0364;hnliches auch bey den u&#x0364;brigen<lb/>
Empfindungsarten vorhanden i&#x017F;t. Sehr oft ha&#x0364;nget<lb/>
die Be&#x017F;chaffenheit des Eindrucks von einer vorhergegan-<lb/>
genen Modifikation des Organs ab; und i&#x017F;t nicht im-<lb/>
mer ebender&#x017F;elbige, wenn er gleich von einerley Gegen-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden ent&#x017F;pringet. Was die <hi rendition="#fr">Nachempfindungen</hi><lb/>
betrifft: &#x017F;o <hi rendition="#fr">ent&#x017F;prechen</hi> &#x017F;ie zwar gemeiniglich den <hi rendition="#fr">Em-<lb/>
pfindungen,</hi> wovon &#x017F;ie die Fort&#x017F;etzungen &#x017F;ind; aber<lb/>
es giebt auch Fa&#x0364;lle, wenn z. B. die Empfindung allzu<lb/>
lebhaft gewe&#x017F;en i&#x017F;t, in welchen &#x017F;ie davon abweichen. So<lb/>
zeigen &#x017F;ich z. B. zuweilen eben &#x017F;olche Farben an den Ge-<lb/>
gen&#x017F;ta&#x0364;nden in der Nachempfindung, als in der Empfin-<lb/>
dung ge&#x017F;ehen worden. <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Scherffer.</hi> diff. de coloribus accidentalibus diff. Vin-<lb/>
dob. 1761. §. XVII.</hi> Die vom Hrn. <hi rendition="#fr">von Bu&#x0364;ffon</hi> &#x017F;o ge-<lb/>
nannten <hi rendition="#fr">zufa&#x0364;lligen</hi> Farben, oder die <hi rendition="#fr">blos er&#x017F;cheinende</hi><lb/>
Farben geho&#x0364;ren zwar nicht alle, aber doch gro&#x0364;ßten-<lb/>
theils hieher.</note> Und das nemliche kann in<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0095] der Vorſtellungen. von demjenigen, was durch die vorhergegangene Ein- wirkung hervorgebracht war. Die Nachempfindung verlieret ſich bald wieder, wenn man aufhoͤret, die Augen auf den Gegenſtand zu richten, ob ſie gleich in einigen Faͤllen, wo der Ein- druck lebhafter geweſen iſt, etwas laͤnger und merklicher als in andern fortdauret. Man wird z. B. das Bild der Sonne, wenn man ſie angeſehen hat, nicht ſogleich wieder aus den Augen los, aber es wird doch bald ſo weit geſchwaͤchet, daß dieſe Nachempfindung des zweeten Grades, wenn ich ſo ſagen ſoll, von der er- ſten, welche waͤhrend des fortgeſetzten Anſchauens vor- handen iſt, leicht unterſchieden werden kann. Die Beobachtungen und Unterſuchungen der Optiker uͤber das Sehen, fuͤhren zu noch mehrern Bemerkun- gen uͤber die Beziehung der Nachempfindungen auf die Empfindungen, oder die erſt empfundene Ein- druͤcke, davon etwas aͤhnliches auch bey den uͤbrigen Empfindungsarten vorhanden iſt. Sehr oft haͤnget die Beſchaffenheit des Eindrucks von einer vorhergegan- genen Modifikation des Organs ab; und iſt nicht im- mer ebenderſelbige, wenn er gleich von einerley Gegen- ſtaͤnden entſpringet. Was die Nachempfindungen betrifft: ſo entſprechen ſie zwar gemeiniglich den Em- pfindungen, wovon ſie die Fortſetzungen ſind; aber es giebt auch Faͤlle, wenn z. B. die Empfindung allzu lebhaft geweſen iſt, in welchen ſie davon abweichen. So zeigen ſich z. B. zuweilen eben ſolche Farben an den Ge- genſtaͤnden in der Nachempfindung, als in der Empfin- dung geſehen worden. *) Und das nemliche kann in den *) Scherffer. diff. de coloribus accidentalibus diff. Vin- dob. 1761. §. XVII. Die vom Hrn. von Buͤffon ſo ge- nannten zufaͤlligen Farben, oder die blos erſcheinende Farben gehoͤren zwar nicht alle, aber doch groͤßten- theils hieher. C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/95
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/95>, abgerufen am 17.05.2024.