Dieser Wille, diese Bestimmung unserer Kräfte ist oft dem Vollbringen so nahe, daß beides zusammenfällt. Dann nennet man es ein volles, thätiges, kräftiges Wollen. Denn, ich will den Arm ausstrecken, und ich thue es, ist fast nur eine Aktion. Aber in andern Fällen ist der Wille zwar vorhanden, wo leider, wenn es zur Sache kommt, das Vermögen, das Gewollte auszurichten, fehlet. Und sehr oft ist von dem ersten Wollen bis zum Vollbringen ein langer Weg, auf dem wir ermüden und zuweilen gar nicht fortgehen. Zuweilen wollen wir etwas auch jetzo nicht, sondern erst auf die Zukunft. Jn solchen Fällen ist das Wollen oder das Beschließen auch noch jetzo nicht einmal ein eigentlicher Anfang der Thätigkeit selbst, die man ausführen will; sondern eine gewisse Einrichtung unserer selbst und unserer Kräfte, die als eine Vorrich- tung zu der künftigen Handlung erfodert wird, und wovon wir, wenn es zur wirklichen Ausrichtung kommt, anfangen.
Gleichwol ist jedes Wollen doch auch schon eine Anwendung und Aeußerung der Seelenkraft, und, wie schon angemerket ist, oft der wesentlichste Theil der gan- zen erfolgenden Aktion. Daher kann ich hier, wo es auf den Unterschied zwischen selbstthätigen und unselbst- thätigen, freyen und unfreyen Aktionen ankommt, das Wollen mit dem Thun unter einem gemeinschaftli- chen Begrif der thätigen Kraftäußerung zusammen lassen, und nur dann, wenn etwan auf ihre Unterschei- dung etwas ankommt, das Wollen für die erste Be- stimmung der Kraft zur Thätigkeit annehmen, das Thun aber für die wirklich erfolgende volle Thätigkeit.
Aber ein Vermögen zu einer selbstthätigen Hand- lung ist weder so viel als etwas wollen, noch so viel, als sich auf etwas bestreben. Das Vermögen muß vorhanden seyn, ehe die Thätigkeit erfolgt. Denn so
bald
G 4
und Freyheit.
Dieſer Wille, dieſe Beſtimmung unſerer Kraͤfte iſt oft dem Vollbringen ſo nahe, daß beides zuſammenfaͤllt. Dann nennet man es ein volles, thaͤtiges, kraͤftiges Wollen. Denn, ich will den Arm ausſtrecken, und ich thue es, iſt faſt nur eine Aktion. Aber in andern Faͤllen iſt der Wille zwar vorhanden, wo leider, wenn es zur Sache kommt, das Vermoͤgen, das Gewollte auszurichten, fehlet. Und ſehr oft iſt von dem erſten Wollen bis zum Vollbringen ein langer Weg, auf dem wir ermuͤden und zuweilen gar nicht fortgehen. Zuweilen wollen wir etwas auch jetzo nicht, ſondern erſt auf die Zukunft. Jn ſolchen Faͤllen iſt das Wollen oder das Beſchließen auch noch jetzo nicht einmal ein eigentlicher Anfang der Thaͤtigkeit ſelbſt, die man ausfuͤhren will; ſondern eine gewiſſe Einrichtung unſerer ſelbſt und unſerer Kraͤfte, die als eine Vorrich- tung zu der kuͤnftigen Handlung erfodert wird, und wovon wir, wenn es zur wirklichen Ausrichtung kommt, anfangen.
Gleichwol iſt jedes Wollen doch auch ſchon eine Anwendung und Aeußerung der Seelenkraft, und, wie ſchon angemerket iſt, oft der weſentlichſte Theil der gan- zen erfolgenden Aktion. Daher kann ich hier, wo es auf den Unterſchied zwiſchen ſelbſtthaͤtigen und unſelbſt- thaͤtigen, freyen und unfreyen Aktionen ankommt, das Wollen mit dem Thun unter einem gemeinſchaftli- chen Begrif der thaͤtigen Kraftaͤußerung zuſammen laſſen, und nur dann, wenn etwan auf ihre Unterſchei- dung etwas ankommt, das Wollen fuͤr die erſte Be- ſtimmung der Kraft zur Thaͤtigkeit annehmen, das Thun aber fuͤr die wirklich erfolgende volle Thaͤtigkeit.
Aber ein Vermoͤgen zu einer ſelbſtthaͤtigen Hand- lung iſt weder ſo viel als etwas wollen, noch ſo viel, als ſich auf etwas beſtreben. Das Vermoͤgen muß vorhanden ſeyn, ehe die Thaͤtigkeit erfolgt. Denn ſo
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und Freyheit.
Dieſer Wille, dieſe Beſtimmung unſerer Kraͤfte iſt oft
dem Vollbringen ſo nahe, daß beides zuſammenfaͤllt.
Dann nennet man es ein volles, thaͤtiges, kraͤftiges
Wollen. Denn, ich will den Arm ausſtrecken, und
ich thue es, iſt faſt nur eine Aktion. Aber in andern
Faͤllen iſt der Wille zwar vorhanden, wo leider, wenn
es zur Sache kommt, das Vermoͤgen, das Gewollte
auszurichten, fehlet. Und ſehr oft iſt von dem erſten
Wollen bis zum Vollbringen ein langer Weg, auf
dem wir ermuͤden und zuweilen gar nicht fortgehen.
Zuweilen wollen wir etwas auch jetzo nicht, ſondern
erſt auf die Zukunft. Jn ſolchen Faͤllen iſt das
Wollen oder das Beſchließen auch noch jetzo nicht
einmal ein eigentlicher Anfang der Thaͤtigkeit ſelbſt, die
man ausfuͤhren will; ſondern eine gewiſſe Einrichtung
unſerer ſelbſt und unſerer Kraͤfte, die als eine Vorrich-
tung zu der kuͤnftigen Handlung erfodert wird, und
wovon wir, wenn es zur wirklichen Ausrichtung
kommt, anfangen.
Gleichwol iſt jedes Wollen doch auch ſchon eine
Anwendung und Aeußerung der Seelenkraft, und, wie
ſchon angemerket iſt, oft der weſentlichſte Theil der gan-
zen erfolgenden Aktion. Daher kann ich hier, wo es
auf den Unterſchied zwiſchen ſelbſtthaͤtigen und unſelbſt-
thaͤtigen, freyen und unfreyen Aktionen ankommt, das
Wollen mit dem Thun unter einem gemeinſchaftli-
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laſſen, und nur dann, wenn etwan auf ihre Unterſchei-
dung etwas ankommt, das Wollen fuͤr die erſte Be-
ſtimmung der Kraft zur Thaͤtigkeit annehmen, das
Thun aber fuͤr die wirklich erfolgende volle Thaͤtigkeit.
Aber ein Vermoͤgen zu einer ſelbſtthaͤtigen Hand-
lung iſt weder ſo viel als etwas wollen, noch ſo viel,
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/133>, abgerufen am 30.11.2024.
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