Menschen auf einander und ihrer Beziehungen auf die Körperwelt, eine Grenze habe, über welche hinaus sie die Vervollkommnung der Natur verhindern und viel- leicht auch den Menschen unglücklicher machen könne, das ist eine Frage, die im Allgemeinen bejahet werden muß. Die schädlichen Wirkungen zu weit getriebener Bequemlichkeiten sind die Beweise davon. Allein wer bestimmt die Grenzen?
So viel ist außer Zweifel. Jn eingerichteten Ge- sellschaften und in den durch Künste und Wissenschaften verfeinerten Nationen sind die Empfindungen mannich- faltiger, und geben dem Verstande und dem Herzen ei- ne Ausdehnung, die der Barbar und der Wilde nicht hat. Diese kann, wie nicht zu läugnen ist, der Erhö- hung der Kräfte an Jntension hinderlich werden. Da- von liegt der Erfolg vor Augen. Alles, ohne Ausnah- me, hat in menschlichen Dingen sein Maß. Auch die Perfektibilität hat ihre Grenzen. Wie sie zu sehr zerstreuet wird in mancherley Vermögen, so muß die Stärke in einzelnen Kräften nothwendig etwas zurück- bleiben. Die Nachkommen der alten Kaledonier mö- gen mehrere Kenntnisse und Künste besitzen, als ihre Väter, und in ihrer ruhigern Verfassung mannichfaltige- re Empfindungen und Fähigkeiten entwickeln als jene: aber der Geist der Alten, der sich in Ossians Gedichten zeiget, -- ein besondres Phänomen in der Geschichte der Menschheit, -- dieser erhabene unüberwindliche Hel- denmuth, darf der Nachkommenschaft zwar nicht fehlen, kann aber bey ihr seltener werden.
Die meisten Völker, die wir jetzo als kultivirte an- sehen, scheinen noch sehr weit von dem Punkt in der Kultur des Geistes entfernt zu seyn, wo diese anfangen konnte schädlich|zu werden. Sie kann ohne dieß nur in- sofern schädlich werden, als sie nach Einer Seite hin geht und mehr in den äußern Empfindungen stehen blei-
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und Entwickelung des Menſchen.
Menſchen auf einander und ihrer Beziehungen auf die Koͤrperwelt, eine Grenze habe, uͤber welche hinaus ſie die Vervollkommnung der Natur verhindern und viel- leicht auch den Menſchen ungluͤcklicher machen koͤnne, das iſt eine Frage, die im Allgemeinen bejahet werden muß. Die ſchaͤdlichen Wirkungen zu weit getriebener Bequemlichkeiten ſind die Beweiſe davon. Allein wer beſtimmt die Grenzen?
So viel iſt außer Zweifel. Jn eingerichteten Ge- ſellſchaften und in den durch Kuͤnſte und Wiſſenſchaften verfeinerten Nationen ſind die Empfindungen mannich- faltiger, und geben dem Verſtande und dem Herzen ei- ne Ausdehnung, die der Barbar und der Wilde nicht hat. Dieſe kann, wie nicht zu laͤugnen iſt, der Erhoͤ- hung der Kraͤfte an Jntenſion hinderlich werden. Da- von liegt der Erfolg vor Augen. Alles, ohne Ausnah- me, hat in menſchlichen Dingen ſein Maß. Auch die Perfektibilitaͤt hat ihre Grenzen. Wie ſie zu ſehr zerſtreuet wird in mancherley Vermoͤgen, ſo muß die Staͤrke in einzelnen Kraͤften nothwendig etwas zuruͤck- bleiben. Die Nachkommen der alten Kaledonier moͤ- gen mehrere Kenntniſſe und Kuͤnſte beſitzen, als ihre Vaͤter, und in ihrer ruhigern Verfaſſung mannichfaltige- re Empfindungen und Faͤhigkeiten entwickeln als jene: aber der Geiſt der Alten, der ſich in Oſſians Gedichten zeiget, — ein beſondres Phaͤnomen in der Geſchichte der Menſchheit, — dieſer erhabene unuͤberwindliche Hel- denmuth, darf der Nachkommenſchaft zwar nicht fehlen, kann aber bey ihr ſeltener werden.
Die meiſten Voͤlker, die wir jetzo als kultivirte an- ſehen, ſcheinen noch ſehr weit von dem Punkt in der Kultur des Geiſtes entfernt zu ſeyn, wo dieſe anfangen konnte ſchaͤdlich|zu werden. Sie kann ohne dieß nur in- ſofern ſchaͤdlich werden, als ſie nach Einer Seite hin geht und mehr in den aͤußern Empfindungen ſtehen blei-
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und Entwickelung des Menſchen.
Menſchen auf einander und ihrer Beziehungen auf die
Koͤrperwelt, eine Grenze habe, uͤber welche hinaus ſie
die Vervollkommnung der Natur verhindern und viel-
leicht auch den Menſchen ungluͤcklicher machen koͤnne,
das iſt eine Frage, die im Allgemeinen bejahet werden
muß. Die ſchaͤdlichen Wirkungen zu weit getriebener
Bequemlichkeiten ſind die Beweiſe davon. Allein wer
beſtimmt die Grenzen?
So viel iſt außer Zweifel. Jn eingerichteten Ge-
ſellſchaften und in den durch Kuͤnſte und Wiſſenſchaften
verfeinerten Nationen ſind die Empfindungen mannich-
faltiger, und geben dem Verſtande und dem Herzen ei-
ne Ausdehnung, die der Barbar und der Wilde nicht
hat. Dieſe kann, wie nicht zu laͤugnen iſt, der Erhoͤ-
hung der Kraͤfte an Jntenſion hinderlich werden. Da-
von liegt der Erfolg vor Augen. Alles, ohne Ausnah-
me, hat in menſchlichen Dingen ſein Maß. Auch
die Perfektibilitaͤt hat ihre Grenzen. Wie ſie zu ſehr
zerſtreuet wird in mancherley Vermoͤgen, ſo muß die
Staͤrke in einzelnen Kraͤften nothwendig etwas zuruͤck-
bleiben. Die Nachkommen der alten Kaledonier moͤ-
gen mehrere Kenntniſſe und Kuͤnſte beſitzen, als ihre
Vaͤter, und in ihrer ruhigern Verfaſſung mannichfaltige-
re Empfindungen und Faͤhigkeiten entwickeln als jene:
aber der Geiſt der Alten, der ſich in Oſſians Gedichten
zeiget, — ein beſondres Phaͤnomen in der Geſchichte
der Menſchheit, — dieſer erhabene unuͤberwindliche Hel-
denmuth, darf der Nachkommenſchaft zwar nicht fehlen,
kann aber bey ihr ſeltener werden.
Die meiſten Voͤlker, die wir jetzo als kultivirte an-
ſehen, ſcheinen noch ſehr weit von dem Punkt in der
Kultur des Geiſtes entfernt zu ſeyn, wo dieſe anfangen
konnte ſchaͤdlich|zu werden. Sie kann ohne dieß nur in-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 707. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/737>, abgerufen am 24.11.2024.
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