zu beobachten ist, müssen wir uns mit oberflächlichen, aber in die Augen sprin- genden Zeichen behelfen.
§. 71.
Beim allgemeinen Ueberblick giebt der Wuchs der Bäume und Sträucher, wenn sie auf der Feldmark stehen, ihre Art, ihre Stärke und Gesundheit, ihre Be- zweigung, die Reinheit ihrer Borke, eine der sichersten Anzeigen von der Güte des Bodens ab.
Sodann läßt sich von den wildwachsenden Pflanzen, selbst einer schädlichen Un- krautsart, auf die Fruchtbarkeit des Ackerlandes schließen; jedoch ist es nicht genug, daß sie einzeln und verkümmert darauf stehe, sondern sie muß in Menge und üppig darauf hervorkommen. So zeigt die kleine Felddistel (Seratula arvensis) einen fruchtbaren kräftigen Lehm, der Huflattig (Tussilago petasites) einen tonigten, die Tussilago farfara und die wilde Brombeere einen mergligen Lehm an, der Hüh- nerdarm (Alsine media), die Gänsedistel (Sonchus oleraceus), der glattschotige Hederich (Sinapis arvensis) halten sich auf lockern kraftvollen Boden auf; wogegen der knotige Hederich (Raphanus raphanistrum) auch auf schlechtem magerem Bo- den wächst. Der kleine gelbe Hopfenklee (Medicago lupulina) giebt von der merg- ligen Beschaffenheit des Bodens ein sehr gutes Zeichen. Der Graswuchs im Allge- meinen, wonach sich die sogenannten Boniteurs am meisten zu richten pflegen, ist ein höchst mißliches Zeichen, da er von der Witterung und frischem Dünger, selbst vom schlechten Stande der Früchte, häufig abhängt.
Das Ansehn der jungen Saat ist ein sehr trügliches Merkmal, indem sie, früh und dicht gesäet, auf schlechtem Boden im Herbst und Frühjahr oft die auf besserem Boden beim oberflächlichen Ansehn übertrifft.
Man hat, um Käufer zu hintergehen, zuweilen übermäßig dicht gesäet. Sicherer kann man von dem in Aehren stehenden Getreide und von der Stoppel auf die Güte des Bodens schließen, jedoch mit der Vorsicht, daß man die ganze Feld- mark übersehe, und sich nicht mit einem einzelnen Felde begnüge, wo durch vorzüg- liche Düngung und Kultur auf Kosten der übrigen Felder zuweilen ein üppiges Ge- treide bewirkt ist.
Die schwarzbräunliche Farbe des Bodens, wenn er frisch gepflügt ist, ist ein Hauptmerkmal seiner Fruchtbarkeit; es sey denn, daß sie von Haid und Moor-
Werthſchaͤtzung eines Landguts.
zu beobachten iſt, muͤſſen wir uns mit oberflaͤchlichen, aber in die Augen ſprin- genden Zeichen behelfen.
§. 71.
Beim allgemeinen Ueberblick giebt der Wuchs der Baͤume und Straͤucher, wenn ſie auf der Feldmark ſtehen, ihre Art, ihre Staͤrke und Geſundheit, ihre Be- zweigung, die Reinheit ihrer Borke, eine der ſicherſten Anzeigen von der Guͤte des Bodens ab.
Sodann laͤßt ſich von den wildwachſenden Pflanzen, ſelbſt einer ſchaͤdlichen Un- krautsart, auf die Fruchtbarkeit des Ackerlandes ſchließen; jedoch iſt es nicht genug, daß ſie einzeln und verkuͤmmert darauf ſtehe, ſondern ſie muß in Menge und uͤppig darauf hervorkommen. So zeigt die kleine Felddiſtel (Seratula arvensis) einen fruchtbaren kraͤftigen Lehm, der Huflattig (Tussilago petasites) einen tonigten, die Tussilago farfara und die wilde Brombeere einen mergligen Lehm an, der Huͤh- nerdarm (Alsine media), die Gaͤnſediſtel (Sonchus oleraceus), der glattſchotige Hederich (Sinapis arvensis) halten ſich auf lockern kraftvollen Boden auf; wogegen der knotige Hederich (Raphanus raphanistrum) auch auf ſchlechtem magerem Bo- den waͤchſt. Der kleine gelbe Hopfenklee (Medicago lupulina) giebt von der merg- ligen Beſchaffenheit des Bodens ein ſehr gutes Zeichen. Der Graswuchs im Allge- meinen, wonach ſich die ſogenannten Boniteurs am meiſten zu richten pflegen, iſt ein hoͤchſt mißliches Zeichen, da er von der Witterung und friſchem Duͤnger, ſelbſt vom ſchlechten Stande der Fruͤchte, haͤufig abhaͤngt.
Das Anſehn der jungen Saat iſt ein ſehr truͤgliches Merkmal, indem ſie, fruͤh und dicht geſaͤet, auf ſchlechtem Boden im Herbſt und Fruͤhjahr oft die auf beſſerem Boden beim oberflaͤchlichen Anſehn uͤbertrifft.
Man hat, um Kaͤufer zu hintergehen, zuweilen uͤbermaͤßig dicht geſaͤet. Sicherer kann man von dem in Aehren ſtehenden Getreide und von der Stoppel auf die Guͤte des Bodens ſchließen, jedoch mit der Vorſicht, daß man die ganze Feld- mark uͤberſehe, und ſich nicht mit einem einzelnen Felde begnuͤge, wo durch vorzuͤg- liche Duͤngung und Kultur auf Koſten der uͤbrigen Felder zuweilen ein uͤppiges Ge- treide bewirkt iſt.
Die ſchwarzbraͤunliche Farbe des Bodens, wenn er friſch gepfluͤgt iſt, iſt ein Hauptmerkmal ſeiner Fruchtbarkeit; es ſey denn, daß ſie von Haid und Moor-
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Werthſchaͤtzung eines Landguts.
zu beobachten iſt, muͤſſen wir uns mit oberflaͤchlichen, aber in die Augen ſprin-
genden Zeichen behelfen.
§. 71.
Beim allgemeinen Ueberblick giebt der Wuchs der Baͤume und Straͤucher,
wenn ſie auf der Feldmark ſtehen, ihre Art, ihre Staͤrke und Geſundheit, ihre Be-
zweigung, die Reinheit ihrer Borke, eine der ſicherſten Anzeigen von der Guͤte
des Bodens ab.
Sodann laͤßt ſich von den wildwachſenden Pflanzen, ſelbſt einer ſchaͤdlichen Un-
krautsart, auf die Fruchtbarkeit des Ackerlandes ſchließen; jedoch iſt es nicht genug,
daß ſie einzeln und verkuͤmmert darauf ſtehe, ſondern ſie muß in Menge und uͤppig
darauf hervorkommen. So zeigt die kleine Felddiſtel (Seratula arvensis) einen
fruchtbaren kraͤftigen Lehm, der Huflattig (Tussilago petasites) einen tonigten,
die Tussilago farfara und die wilde Brombeere einen mergligen Lehm an, der Huͤh-
nerdarm (Alsine media), die Gaͤnſediſtel (Sonchus oleraceus), der glattſchotige
Hederich (Sinapis arvensis) halten ſich auf lockern kraftvollen Boden auf; wogegen
der knotige Hederich (Raphanus raphanistrum) auch auf ſchlechtem magerem Bo-
den waͤchſt. Der kleine gelbe Hopfenklee (Medicago lupulina) giebt von der merg-
ligen Beſchaffenheit des Bodens ein ſehr gutes Zeichen. Der Graswuchs im Allge-
meinen, wonach ſich die ſogenannten Boniteurs am meiſten zu richten pflegen, iſt ein
hoͤchſt mißliches Zeichen, da er von der Witterung und friſchem Duͤnger, ſelbſt vom
ſchlechten Stande der Fruͤchte, haͤufig abhaͤngt.
Das Anſehn der jungen Saat iſt ein ſehr truͤgliches Merkmal, indem ſie, fruͤh
und dicht geſaͤet, auf ſchlechtem Boden im Herbſt und Fruͤhjahr oft die auf beſſerem
Boden beim oberflaͤchlichen Anſehn uͤbertrifft.
Man hat, um Kaͤufer zu hintergehen, zuweilen uͤbermaͤßig dicht geſaͤet.
Sicherer kann man von dem in Aehren ſtehenden Getreide und von der Stoppel auf
die Guͤte des Bodens ſchließen, jedoch mit der Vorſicht, daß man die ganze Feld-
mark uͤberſehe, und ſich nicht mit einem einzelnen Felde begnuͤge, wo durch vorzuͤg-
liche Duͤngung und Kultur auf Koſten der uͤbrigen Felder zuweilen ein uͤppiges Ge-
treide bewirkt iſt.
Die ſchwarzbraͤunliche Farbe des Bodens, wenn er friſch gepfluͤgt iſt, iſt
ein Hauptmerkmal ſeiner Fruchtbarkeit; es ſey denn, daß ſie von Haid und Moor-
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/68>, abgerufen am 16.02.2025.
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