den Bart verliert wenn sie reift, und daß sich das Korn nun von der Blu- menhülse trennt, und dann in anderer Gestalt wie die Gerste erscheint. Ge- wöhnlich bekommt diese Gerste auf reichem Boden sechs vollständige Zeilen.
Man hat daher ihr nacktes der gewöhnlichen Gerste wenig ähnliches Korn, bald Weizen, bald Rocken, bald Gerstweizen genannt. Man hat ihr den Namen von Davidskorn, Jerusalemskorn, egyptisches und wal- lachisches Korn gegeben. Caspar Bauchin kannte diese Gerste, und nannte sie Zeopyron oder Tritico speltum.
Da man sie längst gekanut hat, so scheint es auffallend, daß ihr Bau sich nicht früher auf fruchtbarem Boden allgemein verbreitete. Jedoch läßt es sich aus den Bedingungen ihres Gerathens wohl erklären, daß ihr Bau nicht jedermanns Sache sey. Sie vereinigt sonst alles, was sie als Sommerge- treide empfehlungswerth machen kann: Härte, Sicherheit, starke Bestaudung, Steifheit des Halms, starken Ertrag an mehlreichen nahrhaften Körnern, und vortreffliches, dem Weizen gleichkommendes Stroh, welches selbst gegen das Gewicht des Korns in viel größerem Verhältnisse, wie bei der großen Gerste, stehet. Des letzteren wegen haben sie Kurzsichtige getadelt, daß sie aus einer Masse Stroh weniger Korn gebe, ohne zu bedenken, daß man von einer glei- chen Fläche um ein Drittel mehr Stroh als von anderer Gerste gewinne; ein Stroh was zur Fütterung vorzüglich scheint, und dessen Spreu frei von den beschwerlichen Grannen ist.
Sie will aber einen guten, kraftvollen und wohlbereiteten Boden haben, und ob sie in der Stoppel eines andern Getreides gesäet in eben dem Ver- hältnisse besser, als andre Gerste gerathe, wie solches nach Hackfrüchten der Fall ist, kann ich nicht bestimmen, da ich und meine Freunde sie nur nach diesen Vorfrüchten gebauet haben. Aber auch möglichst früh will sie gesäet seyn, damit sie Zeit habe, sich stark zu bestauden, bevor die Wärme sie in die Höhe treibt. Spätere Saat ist verschiedenen fehl geschlagen. Ein Frost scha- det ihr wenn sie jung ist nicht merklich. Man will sie auch als überwintern- des Getreide früh gesäet, im Sommer mehreremale gemähet, und dann im folgenden Jahre eine beträchtliche Ernte davon gehabt haben. Dies ist in- dessen noch problematisch und verdient mehrere Versuche.
Die Gerſte.
den Bart verliert wenn ſie reift, und daß ſich das Korn nun von der Blu- menhuͤlſe trennt, und dann in anderer Geſtalt wie die Gerſte erſcheint. Ge- woͤhnlich bekommt dieſe Gerſte auf reichem Boden ſechs vollſtaͤndige Zeilen.
Man hat daher ihr nacktes der gewoͤhnlichen Gerſte wenig aͤhnliches Korn, bald Weizen, bald Rocken, bald Gerſtweizen genannt. Man hat ihr den Namen von Davidskorn, Jeruſalemskorn, egyptiſches und wal- lachiſches Korn gegeben. Caſpar Bauchin kannte dieſe Gerſte, und nannte ſie Zeopyron oder Tritico speltum.
Da man ſie laͤngſt gekanut hat, ſo ſcheint es auffallend, daß ihr Bau ſich nicht fruͤher auf fruchtbarem Boden allgemein verbreitete. Jedoch laͤßt es ſich aus den Bedingungen ihres Gerathens wohl erklaͤren, daß ihr Bau nicht jedermanns Sache ſey. Sie vereinigt ſonſt alles, was ſie als Sommerge- treide empfehlungswerth machen kann: Haͤrte, Sicherheit, ſtarke Beſtaudung, Steifheit des Halms, ſtarken Ertrag an mehlreichen nahrhaften Koͤrnern, und vortreffliches, dem Weizen gleichkommendes Stroh, welches ſelbſt gegen das Gewicht des Korns in viel groͤßerem Verhaͤltniſſe, wie bei der großen Gerſte, ſtehet. Des letzteren wegen haben ſie Kurzſichtige getadelt, daß ſie aus einer Maſſe Stroh weniger Korn gebe, ohne zu bedenken, daß man von einer glei- chen Flaͤche um ein Drittel mehr Stroh als von anderer Gerſte gewinne; ein Stroh was zur Fuͤtterung vorzuͤglich ſcheint, und deſſen Spreu frei von den beſchwerlichen Grannen iſt.
Sie will aber einen guten, kraftvollen und wohlbereiteten Boden haben, und ob ſie in der Stoppel eines andern Getreides geſaͤet in eben dem Ver- haͤltniſſe beſſer, als andre Gerſte gerathe, wie ſolches nach Hackfruͤchten der Fall iſt, kann ich nicht beſtimmen, da ich und meine Freunde ſie nur nach dieſen Vorfruͤchten gebauet haben. Aber auch moͤglichſt fruͤh will ſie geſaͤet ſeyn, damit ſie Zeit habe, ſich ſtark zu beſtauden, bevor die Waͤrme ſie in die Hoͤhe treibt. Spaͤtere Saat iſt verſchiedenen fehl geſchlagen. Ein Froſt ſcha- det ihr wenn ſie jung iſt nicht merklich. Man will ſie auch als uͤberwintern- des Getreide fruͤh geſaͤet, im Sommer mehreremale gemaͤhet, und dann im folgenden Jahre eine betraͤchtliche Ernte davon gehabt haben. Dies iſt in- deſſen noch problematiſch und verdient mehrere Verſuche.
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Die Gerſte.
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woͤhnlich bekommt dieſe Gerſte auf reichem Boden ſechs vollſtaͤndige Zeilen.
Man hat daher ihr nacktes der gewoͤhnlichen Gerſte wenig aͤhnliches Korn,
bald Weizen, bald Rocken, bald Gerſtweizen genannt. Man hat ihr den
Namen von Davidskorn, Jeruſalemskorn, egyptiſches und wal-
lachiſches Korn gegeben. Caſpar Bauchin kannte dieſe Gerſte, und
nannte ſie Zeopyron oder Tritico speltum.
Da man ſie laͤngſt gekanut hat, ſo ſcheint es auffallend, daß ihr Bau
ſich nicht fruͤher auf fruchtbarem Boden allgemein verbreitete. Jedoch laͤßt es
ſich aus den Bedingungen ihres Gerathens wohl erklaͤren, daß ihr Bau nicht
jedermanns Sache ſey. Sie vereinigt ſonſt alles, was ſie als Sommerge-
treide empfehlungswerth machen kann: Haͤrte, Sicherheit, ſtarke Beſtaudung,
Steifheit des Halms, ſtarken Ertrag an mehlreichen nahrhaften Koͤrnern, und
vortreffliches, dem Weizen gleichkommendes Stroh, welches ſelbſt gegen das
Gewicht des Korns in viel groͤßerem Verhaͤltniſſe, wie bei der großen Gerſte,
ſtehet. Des letzteren wegen haben ſie Kurzſichtige getadelt, daß ſie aus einer
Maſſe Stroh weniger Korn gebe, ohne zu bedenken, daß man von einer glei-
chen Flaͤche um ein Drittel mehr Stroh als von anderer Gerſte gewinne;
ein Stroh was zur Fuͤtterung vorzuͤglich ſcheint, und deſſen Spreu frei von
den beſchwerlichen Grannen iſt.
Sie will aber einen guten, kraftvollen und wohlbereiteten Boden haben,
und ob ſie in der Stoppel eines andern Getreides geſaͤet in eben dem Ver-
haͤltniſſe beſſer, als andre Gerſte gerathe, wie ſolches nach Hackfruͤchten der
Fall iſt, kann ich nicht beſtimmen, da ich und meine Freunde ſie nur nach
dieſen Vorfruͤchten gebauet haben. Aber auch moͤglichſt fruͤh will ſie geſaͤet
ſeyn, damit ſie Zeit habe, ſich ſtark zu beſtauden, bevor die Waͤrme ſie in die
Hoͤhe treibt. Spaͤtere Saat iſt verſchiedenen fehl geſchlagen. Ein Froſt ſcha-
det ihr wenn ſie jung iſt nicht merklich. Man will ſie auch als uͤberwintern-
des Getreide fruͤh geſaͤet, im Sommer mehreremale gemaͤhet, und dann im
folgenden Jahre eine betraͤchtliche Ernte davon gehabt haben. Dies iſt in-
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/110>, abgerufen am 23.11.2024.
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