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Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.

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Unser Herr in der Selenangst am Oelberge.
vorüber gehn, dieser Kelch, den die Sünde mir wieder
vollgeschenkt hat. Doch, daß du, Sündentilger, ihn
getrunken hast bis auf die Hefen, das giebt mir, der
ich sonst verzweifelnd mich krümmen würde auf hülf-
losem Krankenlager, Kraft, ihn zu trinken. Zwar
ieder Tropfen wird brennend heiß auf meine lechzende
Zunge fallen: aber, ob mir gleich Leib und Sele ver-
schmachtet: so bist du doch meines Herzens Trost und
mein Theil! Zu deinem Kreuz hinauf will ich dann
rufen: mich dürstet; zu dem andern Kelch will ich
dann greifen, der aus dem andern, dem ewigen Leben,
mir entgegenblinkt; dieser Kelch ist das Neue Testa-
ment in Deinem Blut!

Zwar meiner Sünden ganzes Heer
wird mich dann schreklich plagen;
denn ihrer ist wie Sand am Meer,
doch will ich nicht verzagen.
Ich tröst mich deiner lezten Angst,
wie du, Herr, mit dem Tode rangst,
um meine Schuld zu büßen.
An deinem Tode hab ich Theil,
des tröst ich mich von Herzen,
ich seh in meinem Tod dein Heil,
kraft deiner lezten Schmerzen.
So sterb ich leicht, ich sterbe dir;
ein ewigs Leben hast du mir
durch deinen Tod erworben!


Unſer Herr in der Selenangſt am Oelberge.
vorüber gehn, dieſer Kelch, den die Sünde mir wieder
vollgeſchenkt hat. Doch, daß du, Sündentilger, ihn
getrunken haſt bis auf die Hefen, das giebt mir, der
ich ſonſt verzweifelnd mich krümmen würde auf hülf-
loſem Krankenlager, Kraft, ihn zu trinken. Zwar
ieder Tropfen wird brennend heiß auf meine lechzende
Zunge fallen: aber, ob mir gleich Leib und Sele ver-
ſchmachtet: ſo biſt du doch meines Herzens Troſt und
mein Theil! Zu deinem Kreuz hinauf will ich dann
rufen: mich dürſtet; zu dem andern Kelch will ich
dann greifen, der aus dem andern, dem ewigen Leben,
mir entgegenblinkt; dieſer Kelch iſt das Neue Teſta-
ment in Deinem Blut!

Zwar meiner Sünden ganzes Heer
wird mich dann ſchreklich plagen;
denn ihrer iſt wie Sand am Meer,
doch will ich nicht verzagen.
Ich tröſt mich deiner lezten Angſt,
wie du, Herr, mit dem Tode rangſt,
um meine Schuld zu büßen.
An deinem Tode hab ich Theil,
des tröſt ich mich von Herzen,
ich ſeh in meinem Tod dein Heil,
kraft deiner lezten Schmerzen.
So ſterb ich leicht, ich ſterbe dir;
ein ewigs Leben haſt du mir
durch deinen Tod erworben!


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[48/0062] Unſer Herr in der Selenangſt am Oelberge. vorüber gehn, dieſer Kelch, den die Sünde mir wieder vollgeſchenkt hat. Doch, daß du, Sündentilger, ihn getrunken haſt bis auf die Hefen, das giebt mir, der ich ſonſt verzweifelnd mich krümmen würde auf hülf- loſem Krankenlager, Kraft, ihn zu trinken. Zwar ieder Tropfen wird brennend heiß auf meine lechzende Zunge fallen: aber, ob mir gleich Leib und Sele ver- ſchmachtet: ſo biſt du doch meines Herzens Troſt und mein Theil! Zu deinem Kreuz hinauf will ich dann rufen: mich dürſtet; zu dem andern Kelch will ich dann greifen, der aus dem andern, dem ewigen Leben, mir entgegenblinkt; dieſer Kelch iſt das Neue Teſta- ment in Deinem Blut! Zwar meiner Sünden ganzes Heer wird mich dann ſchreklich plagen; denn ihrer iſt wie Sand am Meer, doch will ich nicht verzagen. Ich tröſt mich deiner lezten Angſt, wie du, Herr, mit dem Tode rangſt, um meine Schuld zu büßen. An deinem Tode hab ich Theil, des tröſt ich mich von Herzen, ich ſeh in meinem Tod dein Heil, kraft deiner lezten Schmerzen. So ſterb ich leicht, ich ſterbe dir; ein ewigs Leben haſt du mir durch deinen Tod erworben!

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Zitationshilfe: Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/62>, abgerufen am 24.11.2024.