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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 3. H. wie die Gemüths Neig.

53. Wenn dannenhero der Affect erst durch
die Gedancken rege gemacht wird/
so rühren
die im Gehirne befindliche Spann-Adern das
Hertze.
Wenn aber der Affect vor denen Ge-
dancken vorher gehet/
rühret das Hertz die in
oder an denselben befindlichen Span-Adern.

Und weil wir oben gewiesen/ daß ursprünglich der
Wille den Verstand antreibe/ haben wir oben
gedacht/ daß auff die Rührung des Hertzens das
Geblüte beweget werde/ und der Spann-Adern/
als die zum Wesen der Affecten nicht gehören/ gar
nicht gedacht.

54. Dieweil aber die Erfahrung giebet/ daß
etliche Dinge das Hertze aller Menschen auf glei-
che/ etliche auf ungleiche Weise bewegen/ so ist
zuwissen nöthig/ daß die starcke Eindrückung
entweder von der Natur und Beschaffenheit
der Dinge gegen die Menschlichen Cörper/

oder von einer Beschaffenheit/ die nur mit der
Seele/ oder der Angewohnheit der Men-
schen
überein kömmt/ oder demselben zuwider ist/
herrühre. Wir wollen jene natürliche/ und die-
se zu bessern Unterscheid eigenwillige Eindrü-
ckungen nennen.

55. Die natürlichen rühren entweder aus
Umbständen her/ davon wir eben keine deutliche
Ursache
geben können; als wenn z. e. ein Mensch
keine Katzen/ Rosen/ Käse/ u. s. w. leiden kan:
Oder aber die Umbstände sind gar leichte zu be-
greiffen. D
enn entweder entstehen sie aus einer

allzu-
Das 3. H. wie die Gemuͤths Neig.

53. Wenn dannenhero der Affect erſt durch
die Gedancken rege gemacht wird/
ſo ruͤhren
die im Gehirne befindliche Spann-Adern das
Hertze.
Wenn aber der Affect vor denen Ge-
dancken vorher gehet/
ruͤhret das Hertz die in
oder an denſelben befindlichen Span-Adern.

Und weil wir oben gewieſen/ daß urſpruͤnglich der
Wille den Verſtand antreibe/ haben wir oben
gedacht/ daß auff die Ruͤhrung des Hertzens das
Gebluͤte beweget werde/ und der Spann-Adern/
als die zum Weſen der Affecten nicht gehoͤren/ gar
nicht gedacht.

54. Dieweil aber die Erfahrung giebet/ daß
etliche Dinge das Hertze aller Menſchen auf glei-
che/ etliche auf ungleiche Weiſe bewegen/ ſo iſt
zuwiſſen noͤthig/ daß die ſtarcke Eindruͤckung
entweder von der Natur und Beſchaffenheit
der Dinge gegen die Menſchlichen Coͤrper/

oder von einer Beſchaffenheit/ die nur mit der
Seele/ oder der Angewohnheit der Men-
ſchen
uͤberein koͤmmt/ oder demſelben zuwider iſt/
herruͤhre. Wir wollen jene natuͤrliche/ und die-
ſe zu beſſern Unterſcheid eigenwillige Eindruͤ-
ckungen nennen.

55. Die natuͤrlichen ruͤhren entweder aus
Umbſtaͤnden her/ davon wir eben keine deutliche
Urſache
geben koͤnnen; als wenn z. e. ein Menſch
keine Katzen/ Roſen/ Kaͤſe/ u. ſ. w. leiden kan:
Oder aber die Umbſtaͤnde ſind gar leichte zu be-
greiffen. D
enn entweder entſtehen ſie aus einer

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[96/0108] Das 3. H. wie die Gemuͤths Neig. 53. Wenn dannenhero der Affect erſt durch die Gedancken rege gemacht wird/ ſo ruͤhren die im Gehirne befindliche Spann-Adern das Hertze. Wenn aber der Affect vor denen Ge- dancken vorher gehet/ ruͤhret das Hertz die in oder an denſelben befindlichen Span-Adern. Und weil wir oben gewieſen/ daß urſpruͤnglich der Wille den Verſtand antreibe/ haben wir oben gedacht/ daß auff die Ruͤhrung des Hertzens das Gebluͤte beweget werde/ und der Spann-Adern/ als die zum Weſen der Affecten nicht gehoͤren/ gar nicht gedacht. 54. Dieweil aber die Erfahrung giebet/ daß etliche Dinge das Hertze aller Menſchen auf glei- che/ etliche auf ungleiche Weiſe bewegen/ ſo iſt zuwiſſen noͤthig/ daß die ſtarcke Eindruͤckung entweder von der Natur und Beſchaffenheit der Dinge gegen die Menſchlichen Coͤrper/ oder von einer Beſchaffenheit/ die nur mit der Seele/ oder der Angewohnheit der Men- ſchen uͤberein koͤmmt/ oder demſelben zuwider iſt/ herruͤhre. Wir wollen jene natuͤrliche/ und die- ſe zu beſſern Unterſcheid eigenwillige Eindruͤ- ckungen nennen. 55. Die natuͤrlichen ruͤhren entweder aus Umbſtaͤnden her/ davon wir eben keine deutliche Urſache geben koͤnnen; als wenn z. e. ein Menſch keine Katzen/ Roſen/ Kaͤſe/ u. ſ. w. leiden kan: Oder aber die Umbſtaͤnde ſind gar leichte zu be- greiffen. Denn entweder entſtehen ſie aus einer allzu-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/108>, abgerufen am 21.11.2024.