Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das 1. Hauptst. von denen Ursachen eingeschlaffen/ und bey hellen Tage wieder auff-wacht. Schwartz auff weiß belustiget das Ge- sichte mehr/ als schwartz und braun/ oder grau und weiß. Je tieffer man in den Gesange fället/ und je höher man steiget/ jemehr gefället es den Ohren. Die unschmackhafftesten/ das ist die gesundesten Speisen/ werden mit Verdruß und Eckel gegessen/ aber die gewürtzten/ süßen/ sau- ren/ eckelen (z. e. die Rebhüner) werden als gros- se Delicatessen gehalten. Der penetrante Schnup- Toback/ der starcke Blumen Geruch/ oder von durchdringenden Raucherwerck belustiget die Nase. Wir werden der gleichtemperirten Lufft bald überdrüßig/ aber empfindlich frisch oder warm das ziehet uns vielmehr zu sich. Und die allgemeine Lustseuche/ derer Empfindligkeit eben deswegen/ weil Sie keine andere Sinnlig- keit hat/ die ihr gleich kömmt/ auch/ wenn sie ein- mahl von dem Menschen empfunden worden/ mit einer Begierde/ der keine andere gleichet/ be- gehret wird/ weiset genugsam/ daß dieses Vor- urtheil allgemein sey/ und den Verstand aller Menschen vergifftet habe. 46. Und so ist es auch mit allen Gütern des schenckt/
Das 1. Hauptſt. von denen Urſachen eingeſchlaffen/ und bey hellen Tage wieder auff-wacht. Schwartz auff weiß beluſtiget das Ge- ſichte mehr/ als ſchwartz und braun/ oder grau und weiß. Je tieffer man in den Geſange faͤllet/ und je hoͤher man ſteiget/ jemehr gefaͤllet es den Ohren. Die unſchmackhaffteſten/ das iſt die geſundeſten Speiſen/ werden mit Verdruß und Eckel gegeſſen/ aber die gewuͤrtzten/ ſuͤßen/ ſau- ren/ eckelen (z. e. die Rebhuͤner) werden als groſ- ſe Delicatesſen gehalten. Der penetrante Schnup- Toback/ der ſtarcke Blumen Geruch/ oder von durchdringenden Raucherwerck beluſtiget die Naſe. Wir werden der gleichtemperirten Lufft bald uͤberdruͤßig/ aber empfindlich friſch oder warm das ziehet uns vielmehr zu ſich. Und die allgemeine Luſtſeuche/ derer Empfindligkeit eben deswegen/ weil Sie keine andere Sinnlig- keit hat/ die ihr gleich koͤmmt/ auch/ wenn ſie ein- mahl von dem Menſchen empfunden worden/ mit einer Begierde/ der keine andere gleichet/ be- gehret wird/ weiſet genugſam/ daß dieſes Vor- urtheil allgemein ſey/ und den Verſtand aller Menſchen vergifftet habe. 46. Und ſo iſt es auch mit allen Guͤtern des ſchenckt/
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Das 1. Hauptſt. von denen Urſachen
eingeſchlaffen/ und bey hellen Tage wieder auff-
wacht. Schwartz auff weiß beluſtiget das Ge-
ſichte mehr/ als ſchwartz und braun/ oder grau
und weiß. Je tieffer man in den Geſange faͤllet/
und je hoͤher man ſteiget/ jemehr gefaͤllet es den
Ohren. Die unſchmackhaffteſten/ das iſt die
geſundeſten Speiſen/ werden mit Verdruß und
Eckel gegeſſen/ aber die gewuͤrtzten/ ſuͤßen/ ſau-
ren/ eckelen (z. e. die Rebhuͤner) werden als groſ-
ſe Delicatesſen gehalten. Der penetrante Schnup-
Toback/ der ſtarcke Blumen Geruch/ oder von
durchdringenden Raucherwerck beluſtiget die
Naſe. Wir werden der gleichtemperirten Lufft
bald uͤberdruͤßig/ aber empfindlich friſch oder
warm das ziehet uns vielmehr zu ſich. Und die
allgemeine Luſtſeuche/ derer Empfindligkeit
eben deswegen/ weil Sie keine andere Sinnlig-
keit hat/ die ihr gleich koͤmmt/ auch/ wenn ſie ein-
mahl von dem Menſchen empfunden worden/
mit einer Begierde/ der keine andere gleichet/ be-
gehret wird/ weiſet genugſam/ daß dieſes Vor-
urtheil allgemein ſey/ und den Verſtand aller
Menſchen vergifftet habe.
46. Und ſo iſt es auch mit allen Guͤtern des
Leibes/ Gemuͤths und andern beſchaffen. Eine
gleiche Geſundheit halten wir nicht ehe fuͤr was
gutes/ als wenn wir von einer Kranckheit zu ge-
neſen angefangen/ denn alsdenn iſt ſie erſt emp-
findlich worden. Wir empfinden mehr Ver-
gnuͤgen/ wenn man uns auf einmahl 100. Thlr.
ſchenckt/
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