Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.der Menschlichen Gemüths-Neigungen. Schein des euserlichen Thun und Lassensnicht solle betrügen lassen/ aus dem euserlichen von dem Hertzen zu urtheilen/ und kan dannenhe- ro leicht begreiffen/ daß ihrer viele/ wenn sie die- ses lesen/ hieraus einen Schluß machen werden; als ob die Erkäntniß anderer Menschen ein blos- ses pralerichtes Vorgeben von mir sey. Denn/ werden sie sagen; Wir sollen in Beurtheilung der Gemüths-Neigungen nicht auff den euserli- chen Schein sehen/ wie sich nemlich die Men- schen in ihren euserlichen Thun und Lassen anstel- len/ und dennoch sollen wir andere Menschen ken- nen lernen. Jn das Hertze können wir ihnen ja nicht unmittelbahr sehen/ sondern müssen uns an ihr euserliches Thun und Lassen/ das aus dem Hertzen herrühret/ als euserliche Kennzeichen des Hertzens halten. Wenn nun diese euserliche Kennzeichen betrieglich sind/ und wir nicht drauff fussen können/ so ist auch deine gantze gerühmte Kunst betrieglich/ und du/ der du solche betriegli- che Sachen den Leuten einschwatzen willst/ kanst selbst nicht leugnen/ daß du folglich nicht auch ein Betrieger seyn soltest. 2. Aber gemach meine Freunde. Jch glau- desto-
der Menſchlichen Gemuͤths-Neigungen. Schein des euſerlichen Thun und Laſſensnicht ſolle betruͤgen laſſen/ aus dem euſerlichen von dem Hertzen zu urtheilen/ und kan dannenhe- ro leicht begreiffen/ daß ihrer viele/ wenn ſie die- ſes leſen/ hieraus einen Schluß machen werden; als ob die Erkaͤntniß anderer Menſchen ein bloſ- ſes pralerichtes Vorgeben von mir ſey. Denn/ werden ſie ſagen; Wir ſollen in Beurtheilung der Gemuͤths-Neigungen nicht auff den euſerli- chen Schein ſehen/ wie ſich nemlich die Men- ſchen in ihren euſerlichen Thun und Laſſen anſtel- len/ und dennoch ſollen wir andere Menſchen ken- nen lernen. Jn das Hertze koͤnnen wir ihnen ja nicht unmittelbahr ſehen/ ſondern muͤſſen uns an ihr euſerliches Thun und Laſſen/ das aus dem Hertzen herruͤhret/ als euſerliche Kennzeichen des Hertzens halten. Wenn nun dieſe euſerliche Kennzeichen betrieglich ſind/ und wir nicht drauff fuſſen koͤnnen/ ſo iſt auch deine gantze geruͤhmte Kunſt betrieglich/ und du/ der du ſolche betriegli- che Sachen den Leuten einſchwatzen willſt/ kanſt ſelbſt nicht leugnen/ daß du folglich nicht auch ein Betrieger ſeyn ſolteſt. 2. Aber gemach meine Freunde. Jch glau- deſto-
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der Menſchlichen Gemuͤths-Neigungen.
Schein des euſerlichen Thun und Laſſens
nicht ſolle betruͤgen laſſen/ aus dem euſerlichen
von dem Hertzen zu urtheilen/ und kan dannenhe-
ro leicht begreiffen/ daß ihrer viele/ wenn ſie die-
ſes leſen/ hieraus einen Schluß machen werden;
als ob die Erkaͤntniß anderer Menſchen ein bloſ-
ſes pralerichtes Vorgeben von mir ſey. Denn/
werden ſie ſagen; Wir ſollen in Beurtheilung
der Gemuͤths-Neigungen nicht auff den euſerli-
chen Schein ſehen/ wie ſich nemlich die Men-
ſchen in ihren euſerlichen Thun und Laſſen anſtel-
len/ und dennoch ſollen wir andere Menſchen ken-
nen lernen. Jn das Hertze koͤnnen wir ihnen ja
nicht unmittelbahr ſehen/ ſondern muͤſſen uns an
ihr euſerliches Thun und Laſſen/ das aus dem
Hertzen herruͤhret/ als euſerliche Kennzeichen des
Hertzens halten. Wenn nun dieſe euſerliche
Kennzeichen betrieglich ſind/ und wir nicht drauff
fuſſen koͤnnen/ ſo iſt auch deine gantze geruͤhmte
Kunſt betrieglich/ und du/ der du ſolche betriegli-
che Sachen den Leuten einſchwatzen willſt/ kanſt
ſelbſt nicht leugnen/ daß du folglich nicht auch ein
Betrieger ſeyn ſolteſt.
2. Aber gemach meine Freunde. Jch glau-
be ihr werdet zugeben es ſey eine Kunſt und Wiſ-
ſenſchafft in der Welt die Guͤte der Edelgeſtei-
ne und Perlen kennen zu lernen/ auch zu ler-
nen/ die echten und unechten zu entſcheiden. Die
Kentniſſe wird aus euſerlichen Zeichen/ die in
das Geſichte fallen/ genommen. Und nichts
deſto-
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