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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 13. H. Von denen euserl. Kennzeichen
destoweniger ist die vornehmste Lehre in dieser
Kunst/ daß man sich durch das euserliche Anse-
hen
nicht betriegen lassen/ und falsche Steine für
gute anschmieren lassen solle. Solte deßhalben
die Kunst dieser Erkentniß zur Betriegerey ge-
macht oder die Künstler für Betrieger gehalten
werden. Viermehr bestehet in dergleichen Sa-
chen die gantze oder vornehmste Kunst darinnen/
daß man auff die euserliche Zeichen wohl und
genau Achtung habe/
dieselbigen wohl und at-
tent
unterscheide/ wo in der Erkäntniß mehr als
ein Kennzeichen vonnöthen ist/ nicht nur aus ei-
nen eintzigen Urtheile u. s. w. Daß ihr demnach
sehet/ daß ich kein Betrieger sey/ will ich die gan-
tze Kunst in wenig Sätze zusammen fassen/ und
zu desto besserer Deutlichkeit das Gleißnüß von
Erkäntniß der Edelgesteine allezeit beybehalten.

3. Die Kunst andere Menschen kennen zu
lernen/ kan deutlicher in lebendigen Exem-
peln als in blossen Lehrsätzen gezeiget wer-
den.
Denn sie ist auff solche Dinge und Zei-
chen gegründet/ derer viele mehr mit denen Sin-
nen unmittelbahr/ als mit dem Verstande be-
griffen werden. Wer will zum Exempel ein
verhurtes/ falsches/ neidisches zorniges Auge mit
Worten abbilden/ wenn man es nicht zeigen kan.
Wer will die Minen eines Menschen mit Wor-
ten ausdrücken/ aus welchen man urtheilet/ ob
in seinen Thun und Lassen was natürliches oder
affectirtes sey/ die doch durch die Sinnligkeit

bald

Das 13. H. Von denen euſerl. Kennzeichen
deſtoweniger iſt die vornehmſte Lehre in dieſer
Kunſt/ daß man ſich durch das euſerliche Anſe-
hen
nicht betriegen laſſen/ und falſche Steine fuͤr
gute anſchmieren laſſen ſolle. Solte deßhalben
die Kunſt dieſer Erkentniß zur Betriegerey ge-
macht oder die Kuͤnſtler fuͤr Betrieger gehalten
werden. Viermehr beſtehet in dergleichen Sa-
chen die gantze oder vornehmſte Kunſt darinnen/
daß man auff die euſerliche Zeichen wohl und
genau Achtung habe/
dieſelbigen wohl und at-
tent
unterſcheide/ wo in der Erkaͤntniß mehr als
ein Kennzeichen vonnoͤthen iſt/ nicht nur aus ei-
nen eintzigen Urtheile u. ſ. w. Daß ihr demnach
ſehet/ daß ich kein Betrieger ſey/ will ich die gan-
tze Kunſt in wenig Saͤtze zuſammen faſſen/ und
zu deſto beſſerer Deutlichkeit das Gleißnuͤß von
Erkaͤntniß der Edelgeſteine allezeit beybehalten.

3. Die Kunſt andere Menſchen kennen zu
lernen/ kan deutlicher in lebendigen Exem-
peln als in bloſſen Lehrſaͤtzen gezeiget wer-
den.
Denn ſie iſt auff ſolche Dinge und Zei-
chen gegruͤndet/ derer viele mehr mit denen Sin-
nen unmittelbahr/ als mit dem Verſtande be-
griffen werden. Wer will zum Exempel ein
verhurtes/ falſches/ neidiſches zorniges Auge mit
Worten abbilden/ wenn man es nicht zeigen kan.
Wer will die Minen eines Menſchen mit Wor-
ten ausdruͤcken/ aus welchen man urtheilet/ ob
in ſeinen Thun und Laſſen was natuͤrliches oder
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bald
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[396/0408] Das 13. H. Von denen euſerl. Kennzeichen deſtoweniger iſt die vornehmſte Lehre in dieſer Kunſt/ daß man ſich durch das euſerliche Anſe- hen nicht betriegen laſſen/ und falſche Steine fuͤr gute anſchmieren laſſen ſolle. Solte deßhalben die Kunſt dieſer Erkentniß zur Betriegerey ge- macht oder die Kuͤnſtler fuͤr Betrieger gehalten werden. Viermehr beſtehet in dergleichen Sa- chen die gantze oder vornehmſte Kunſt darinnen/ daß man auff die euſerliche Zeichen wohl und genau Achtung habe/ dieſelbigen wohl und at- tent unterſcheide/ wo in der Erkaͤntniß mehr als ein Kennzeichen vonnoͤthen iſt/ nicht nur aus ei- nen eintzigen Urtheile u. ſ. w. Daß ihr demnach ſehet/ daß ich kein Betrieger ſey/ will ich die gan- tze Kunſt in wenig Saͤtze zuſammen faſſen/ und zu deſto beſſerer Deutlichkeit das Gleißnuͤß von Erkaͤntniß der Edelgeſteine allezeit beybehalten. 3. Die Kunſt andere Menſchen kennen zu lernen/ kan deutlicher in lebendigen Exem- peln als in bloſſen Lehrſaͤtzen gezeiget wer- den. Denn ſie iſt auff ſolche Dinge und Zei- chen gegruͤndet/ derer viele mehr mit denen Sin- nen unmittelbahr/ als mit dem Verſtande be- griffen werden. Wer will zum Exempel ein verhurtes/ falſches/ neidiſches zorniges Auge mit Worten abbilden/ wenn man es nicht zeigen kan. Wer will die Minen eines Menſchen mit Wor- ten ausdruͤcken/ aus welchen man urtheilet/ ob in ſeinen Thun und Laſſen was natuͤrliches oder affectirtes ſey/ die doch durch die Sinnligkeit bald

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/408>, abgerufen am 25.11.2024.