Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.daß er nie indifferent sey. "Und anderswo: (c) Theophrastus spricht/ es"könne nicht anders seyn/ ein frommer Mann "müste sich über die Bösen erzürnen. Auf diese "Weise würde der Zornigste der Frömste seyn/ "da doch vielmehr der Glimpflichste und der des "Zorns gantz entübrigt ist/ und keinen Haß auf "jemand hat/ dafür zu halten. Warum solte "er aber die Missethäter hassen/ indem sie der "Jrrthum zu ihren Lastern verleitet. Nun pflegt "aber kein kluger Mann Jrrende zu hassen/ denn "sonst müste er sich selbst hassen. Er mag nur "bedencken/ wie viel er thue/ das nicht recht ist/ "und wie vielmahl er wegen seiner Thaten Ver- "gebung vonnöthen gehabt. Wil er sich denn "auch über sich selbst erzürnen? Denn ein rechter "Richter muß ein gleiches Urtheil von seiner und "einer fremden Sache fällen. Es ist viel billiger "gegen die/ so sündigen/ sich sanfftmüthig und "freundlich zu bezeugen/ und sie nicht zu verfol- "gen/ sondern auf den rechten Weg zu bringen. "Wenn sich einer auf meinen Acker verirret hat/ "ist es besser/ ihm den rechten Weg zu zeigen/ als "mit Ungestümm davon zu jagen. Derohalben "soll man den Ubelthäter bessern theils mit Ver- "mahnen/ theils mit Gewalt/ theils mit Gelin- "digkeit/ theils mit Schärffe/ und man muß ihn "endern/ daß er für sich selbst und für andre Leute "besser wird/ welches zwar nicht ohne Bestraf- "fung/ aber doch ohne Zorn abgehen kan und soll. Denn (c) ibid. c. 14. seqq. E e 3
daß er nie indifferent ſey. „Und anderswo: (c) Theophraſtus ſpricht/ es„koͤnne nicht anders ſeyn/ ein frommer Mann „muͤſte ſich uͤber die Boͤſen erzuͤrnen. Auf dieſe „Weiſe wuͤrde der Zornigſte der Froͤmſte ſeyn/ „da doch vielmehr der Glimpflichſte und der des „Zorns gantz entuͤbrigt iſt/ und keinen Haß auf „jemand hat/ dafuͤr zu halten. Warum ſolte „er aber die Miſſethaͤter haſſen/ indem ſie der „Jrrthum zu ihren Laſtern verleitet. Nun pflegt „aber kein kluger Mann Jrrende zu haſſen/ denn „ſonſt muͤſte er ſich ſelbſt haſſen. Er mag nur „bedencken/ wie viel er thue/ das nicht recht iſt/ „und wie vielmahl er wegen ſeiner Thaten Ver- „gebung vonnoͤthen gehabt. Wil er ſich denn „auch uͤber ſich ſelbſt erzuͤrnen? Denn ein rechter „Richter muß ein gleiches Urtheil von ſeiner und „einer fremden Sache faͤllen. Es iſt viel billiger „gegen die/ ſo ſuͤndigen/ ſich ſanfftmuͤthig und „freundlich zu bezeugen/ und ſie nicht zu verfol- „gen/ ſondern auf den rechten Weg zu bringen. „Wenn ſich einer auf meinen Acker verirret hat/ „iſt es beſſer/ ihm den rechten Weg zu zeigen/ als „mit Ungeſtuͤmm davon zu jagen. Derohalben „ſoll man den Ubelthaͤter beſſern theils mit Ver- „mahnen/ theils mit Gewalt/ theils mit Gelin- „digkeit/ theils mit Schaͤrffe/ und man muß ihn „endern/ daß er fuͤr ſich ſelbſt und fuͤr andre Leute „beſſer wird/ welches zwar nicht ohne Beſtraf- „fung/ aber doch ohne Zorn abgehen kan und ſoll. Denn (c) ibid. c. 14. ſeqq. E e 3
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daß er nie indifferent ſey.
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„koͤnne nicht anders ſeyn/ ein frommer Mann
„muͤſte ſich uͤber die Boͤſen erzuͤrnen. Auf dieſe
„Weiſe wuͤrde der Zornigſte der Froͤmſte ſeyn/
„da doch vielmehr der Glimpflichſte und der des
„Zorns gantz entuͤbrigt iſt/ und keinen Haß auf
„jemand hat/ dafuͤr zu halten. Warum ſolte
„er aber die Miſſethaͤter haſſen/ indem ſie der
„Jrrthum zu ihren Laſtern verleitet. Nun pflegt
„aber kein kluger Mann Jrrende zu haſſen/ denn
„ſonſt muͤſte er ſich ſelbſt haſſen. Er mag nur
„bedencken/ wie viel er thue/ das nicht recht iſt/
„und wie vielmahl er wegen ſeiner Thaten Ver-
„gebung vonnoͤthen gehabt. Wil er ſich denn
„auch uͤber ſich ſelbſt erzuͤrnen? Denn ein rechter
„Richter muß ein gleiches Urtheil von ſeiner und
„einer fremden Sache faͤllen. Es iſt viel billiger
„gegen die/ ſo ſuͤndigen/ ſich ſanfftmuͤthig und
„freundlich zu bezeugen/ und ſie nicht zu verfol-
„gen/ ſondern auf den rechten Weg zu bringen.
„Wenn ſich einer auf meinen Acker verirret hat/
„iſt es beſſer/ ihm den rechten Weg zu zeigen/ als
„mit Ungeſtuͤmm davon zu jagen. Derohalben
„ſoll man den Ubelthaͤter beſſern theils mit Ver-
„mahnen/ theils mit Gewalt/ theils mit Gelin-
„digkeit/ theils mit Schaͤrffe/ und man muß ihn
„endern/ daß er fuͤr ſich ſelbſt und fuͤr andre Leute
„beſſer wird/ welches zwar nicht ohne Beſtraf-
„fung/ aber doch ohne Zorn abgehen kan und ſoll.
Denn
(c) ibid. c. 14. ſeqq.
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