Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.vern. Kunst/ die Affecten zu dämpffen. schlechter Dings unmöglich sey/ anders zu thun/daraus dann entweder hernach ein fatum Stoi- cum, oder doch ein schrecklicher Concept von GOttes Wesen/ als ob selbiges tyrannisch oder unvermögend sey/ formiret wird/ der den nächsten Weg zur Atheisterey bahnet. Denn nach denen bisherigen Demonstrationen siehet man gantz offenbar/ daß denen Menschen/ wegen ihres freyen Muthwillens/ ihr Thun und Lassen gar wohl imputiret werden/ und sie deshal- ben bestraffet werden können/ und daß die von denen Gesetzen ihnen gesetzte Straffen ihnen eine Furcht einjagen/ durch deren Betrachtung ih- nen/ wo nicht der Wille/ doch die Gelegenheit zuweilen benommen wird/ nach ihren herrschen- den Passionen zu thun/ wie etwan ein Medicus einen ungezogenen Patienten/ der alles schädli- ches essen und trincken wil/ öffters durch eine er- regte Furcht der Gefahr oder Todes von diesen seinen bösen Begierden abhält. Wiewohl of- fenbar/ daß durch diese Furcht kein Mensche fromm oder tugendhafft gemacht wird/ son- dern im Grunde böse bleibet/ und daß alle diese Furcht nicht zulänglich ist/ wenn ein Mensch ver- leitet wird/ und sich beredet/ er wolle sein Thun heimlich machen/ oder es werde der Richter ihn nicht straffen: Daß also auch die Straff-Ge- setze und aller Zwang nichts mehr als Heuchler zu machen geschickt seyn. Es wäre zwar auch hierbey von denen Menschlichen Straff-Ge- setzen K k 3
vern. Kunſt/ die Affecten zu daͤmpffen. ſchlechter Dings unmoͤglich ſey/ anders zu thun/daraus dann entweder hernach ein fatum Stoi- cum, oder doch ein ſchrecklicher Concept von GOttes Weſen/ als ob ſelbiges tyranniſch oder unvermoͤgend ſey/ formiret wird/ der den naͤchſten Weg zur Atheiſterey bahnet. Denn nach denen bisherigen Demonſtrationen ſiehet man gantz offenbar/ daß denen Menſchen/ wegen ihres freyen Muthwillens/ ihr Thun und Laſſen gar wohl imputiret werden/ und ſie deshal- ben beſtraffet werden koͤnnen/ und daß die von denen Geſetzen ihnen geſetzte Straffen ihnen eine Furcht einjagen/ durch deren Betrachtung ih- nen/ wo nicht der Wille/ doch die Gelegenheit zuweilen benommen wird/ nach ihren herrſchen- den Paſſionen zu thun/ wie etwan ein Medicus einen ungezogenen Patienten/ der alles ſchaͤdli- ches eſſen und trincken wil/ oͤffters durch eine er- regte Furcht der Gefahr oder Todes von dieſen ſeinen boͤſen Begierden abhaͤlt. Wiewohl of- fenbar/ daß durch dieſe Furcht kein Menſche fromm oder tugendhafft gemacht wird/ ſon- dern im Grunde boͤſe bleibet/ und daß alle dieſe Furcht nicht zulaͤnglich iſt/ wenn ein Menſch ver- leitet wird/ und ſich beredet/ er wolle ſein Thun heimlich machen/ oder es werde der Richter ihn nicht ſtraffen: Daß alſo auch die Straff-Ge- ſetze und aller Zwang nichts mehr als Heuchler zu machen geſchickt ſeyn. Es waͤre zwar auch hierbey von denen Menſchlichen Straff-Ge- ſetzen K k 3
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vern. Kunſt/ die Affecten zu daͤmpffen.
ſchlechter Dings unmoͤglich ſey/ anders zu thun/
daraus dann entweder hernach ein fatum Stoi-
cum, oder doch ein ſchrecklicher Concept von
GOttes Weſen/ als ob ſelbiges tyranniſch
oder unvermoͤgend ſey/ formiret wird/ der den
naͤchſten Weg zur Atheiſterey bahnet. Denn
nach denen bisherigen Demonſtrationen ſiehet
man gantz offenbar/ daß denen Menſchen/ wegen
ihres freyen Muthwillens/ ihr Thun und Laſſen
gar wohl imputiret werden/ und ſie deshal-
ben beſtraffet werden koͤnnen/ und daß die von
denen Geſetzen ihnen geſetzte Straffen ihnen eine
Furcht einjagen/ durch deren Betrachtung ih-
nen/ wo nicht der Wille/ doch die Gelegenheit
zuweilen benommen wird/ nach ihren herrſchen-
den Paſſionen zu thun/ wie etwan ein Medicus
einen ungezogenen Patienten/ der alles ſchaͤdli-
ches eſſen und trincken wil/ oͤffters durch eine er-
regte Furcht der Gefahr oder Todes von dieſen
ſeinen boͤſen Begierden abhaͤlt. Wiewohl of-
fenbar/ daß durch dieſe Furcht kein Menſche
fromm oder tugendhafft gemacht wird/ ſon-
dern im Grunde boͤſe bleibet/ und daß alle dieſe
Furcht nicht zulaͤnglich iſt/ wenn ein Menſch ver-
leitet wird/ und ſich beredet/ er wolle ſein Thun
heimlich machen/ oder es werde der Richter ihn
nicht ſtraffen: Daß alſo auch die Straff-Ge-
ſetze und aller Zwang nichts mehr als Heuchler
zu machen geſchickt ſeyn. Es waͤre zwar auch
hierbey von denen Menſchlichen Straff-Ge-
ſetzen
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