Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.der vern. Kunst/ die Affecten zu dämpffen. Wohllüstige; Weil keiner von diesen aus Will-kühr so ist/ sondern nach dem Trieb seiner herr- schenden Passion. (4.) Wenn durch die Gött- liche Vorsehung ein Mensch gehindert worden/ daß er die Gelegenheit nicht gefunden zu sündi- gen/ die er wohl gesucht/ ist wiederum kein Grund da/ warum man ihn loben/ und nicht vielmehr GOTT preisen wolte. (5.) Hätte er gleich in einem geringen Grad etwas Gutes ge- than/ so hätte er doch noch lange nicht alles ge- than/ was ihm auch die Vernunfft sagt/ daß er zu thun schuldig sey. Wer wolte nun aber sa- gen/ daß ein böser Schuldner ein Lob verdiene/ der etwan den tausenden Theil seiner Schuld ab- zutragen anfängt. (6.) So nutzet auch das Menschliche Lob zu nichts anders/ als die Leute hoffärtig zu machen/ und ihren Ehr-Geitz zu stär- cken/ oder ihre Wohllust und Geld-Geitz durch die Anfeurung ihres Ehr-Geitzes zu verhindern/ daß sie nicht allemahl so starck ausbrechen. Diese Anmerckung aber ist so viel mehr nöthig/ weil diejenigen/ die auf hohen und niedern Schulen/ oder auch auf einer heiligen Catheder dieselbe einschärffen solten/ die gegenseitige schädliche Lehre mit Worten und Wercken vertheidigen/ und weil man in einem Seculo lebet/ da alles/ absonderlich aber die Schulen/ mit mehr als Heydnischen schmeichlerischen Panegyricis an- gefüllet seyn/ und da sich Evangelische Theolo- gi, ja gantze Ministeria nicht schämen/ in öffent- lichen K k 4
der vern. Kunſt/ die Affecten zu daͤmpffen. Wohlluͤſtige; Weil keiner von dieſen aus Will-kuͤhr ſo iſt/ ſondern nach dem Trieb ſeiner herr- ſchenden Paſſion. (4.) Wenn durch die Goͤtt- liche Vorſehung ein Menſch gehindert worden/ daß er die Gelegenheit nicht gefunden zu ſuͤndi- gen/ die er wohl geſucht/ iſt wiederum kein Grund da/ warum man ihn loben/ und nicht vielmehr GOTT preiſen wolte. (5.) Haͤtte er gleich in einem geringen Grad etwas Gutes ge- than/ ſo haͤtte er doch noch lange nicht alles ge- than/ was ihm auch die Vernunfft ſagt/ daß er zu thun ſchuldig ſey. Wer wolte nun aber ſa- gen/ daß ein boͤſer Schuldner ein Lob verdiene/ der etwan den tauſenden Theil ſeiner Schuld ab- zutragen anfaͤngt. (6.) So nutzet auch das Menſchliche Lob zu nichts anders/ als die Leute hoffaͤrtig zu machen/ und ihren Ehr-Geitz zu ſtaͤr- cken/ oder ihre Wohlluſt und Geld-Geitz durch die Anfeurung ihres Ehr-Geitzes zu verhindern/ daß ſie nicht allemahl ſo ſtarck ausbrechen. Dieſe Anmerckung aber iſt ſo viel mehr noͤthig/ weil diejenigen/ die auf hohen und niedern Schulen/ oder auch auf einer heiligen Catheder dieſelbe einſchaͤrffen ſolten/ die gegenſeitige ſchaͤdliche Lehre mit Worten und Wercken vertheidigen/ und weil man in einem Seculo lebet/ da alles/ abſonderlich aber die Schulen/ mit mehr als Heydniſchen ſchmeichleriſchen Panegyricis an- gefuͤllet ſeyn/ und da ſich Evangeliſche Theolo- gi, ja gantze Miniſteria nicht ſchaͤmen/ in oͤffent- lichen K k 4
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der vern. Kunſt/ die Affecten zu daͤmpffen.
Wohlluͤſtige; Weil keiner von dieſen aus Will-
kuͤhr ſo iſt/ ſondern nach dem Trieb ſeiner herr-
ſchenden Paſſion. (4.) Wenn durch die Goͤtt-
liche Vorſehung ein Menſch gehindert worden/
daß er die Gelegenheit nicht gefunden zu ſuͤndi-
gen/ die er wohl geſucht/ iſt wiederum kein
Grund da/ warum man ihn loben/ und nicht
vielmehr GOTT preiſen wolte. (5.) Haͤtte er
gleich in einem geringen Grad etwas Gutes ge-
than/ ſo haͤtte er doch noch lange nicht alles ge-
than/ was ihm auch die Vernunfft ſagt/ daß er
zu thun ſchuldig ſey. Wer wolte nun aber ſa-
gen/ daß ein boͤſer Schuldner ein Lob verdiene/
der etwan den tauſenden Theil ſeiner Schuld ab-
zutragen anfaͤngt. (6.) So nutzet auch das
Menſchliche Lob zu nichts anders/ als die Leute
hoffaͤrtig zu machen/ und ihren Ehr-Geitz zu ſtaͤr-
cken/ oder ihre Wohlluſt und Geld-Geitz durch
die Anfeurung ihres Ehr-Geitzes zu verhindern/
daß ſie nicht allemahl ſo ſtarck ausbrechen. Dieſe
Anmerckung aber iſt ſo viel mehr noͤthig/ weil
diejenigen/ die auf hohen und niedern Schulen/
oder auch auf einer heiligen Catheder dieſelbe
einſchaͤrffen ſolten/ die gegenſeitige ſchaͤdliche
Lehre mit Worten und Wercken vertheidigen/
und weil man in einem Seculo lebet/ da alles/
abſonderlich aber die Schulen/ mit mehr als
Heydniſchen ſchmeichleriſchen Panegyricis an-
gefuͤllet ſeyn/ und da ſich Evangeliſche Theolo-
gi, ja gantze Miniſteria nicht ſchaͤmen/ in oͤffent-
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