Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 2. H. von den Gemüths Neig.
man sich vorstellet/ es werde das Vorhaben
leichte ins Werck zu richten seyn/ und Furcht/
(Timor) wenn man Schwerigkeit dabey befin-
det; Zu der Furcht kan man die Eyfersucht (Ze-
lotypiam
) als eine gewisse Art derselben rechnen.
Die größte Hoffnung wird Sicherheit oder
Vertrauen/
(Securitas vel Fiducia) und die größte
Furcht Verzweiffelung (Desperatio) genennet.
Betrachten wir aber insonderheit/ daß die Sache
von uns selbst könne ins Werck gerichtet werden/
und wir befinden Schwerigkeit dabey in Erweh-
lung der Mittel/ so nennet man denselben affect
Wanckelmuth; (Animi fluctuationem) Jst aber
die Schwürigkeit in der Ausübung/ so wird der-
selben Hertzhafftigkeit (Animositas) oder Kühn-
heit (Audacia) zu welcher man die AEmulation rech-
nen könne/ entgegen gesetzt. Die Kleinmüthig-
keit
(Pusillani mitas) sey der Hertzhafftigkeit/ und
das Schrecken (Terror) oder die Bestürtzung
(Consternatio) der Kühnheit zuwider. Und wenn
man endlich eine action entschlisse/ da man noch
wanckelmühtig ist/ so rühre daher das böse Ge-
wissen
(Synteresis, Conscientiae morsus) die doch
nicht wie die vorhergehenden affecten auf das Zu-
künfftige/ sondern auf das Gegenwärtige und
Vergangene ziele. u)

40. Die Betrachtung des gegenwärtigen
guten und bösen erwecket in uns Freude und Be-

trüb-
u) art. 57. 58. 59. 60.

Das 2. H. von den Gemuͤths Neig.
man ſich vorſtellet/ es werde das Vorhaben
leichte ins Werck zu richten ſeyn/ und Furcht/
(Timor) wenn man Schwerigkeit dabey befin-
det; Zu der Furcht kan man die Eyferſucht (Ze-
lotypiam
) als eine gewiſſe Art derſelben rechnen.
Die groͤßte Hoffnung wird Sicherheit oder
Vertrauen/
(Securitas vel Fiducia) uñ die groͤßte
Furcht Verzweiffelung (Deſperatio) genennet.
Betrachten wir aber inſonderheit/ daß die Sache
von uns ſelbſt koͤnne ins Werck gerichtet werden/
und wir befinden Schwerigkeit dabey in Erweh-
lung der Mittel/ ſo nennet man denſelben affect
Wanckelmuth; (Animi fluctuationem) Jſt aber
die Schwuͤrigkeit in der Ausuͤbung/ ſo wird der-
ſelben Hertzhafftigkeit (Animoſitas) oder Kuͤhn-
heit (Audacia) zu welcher man die Æmulation rech-
nen koͤnne/ entgegen geſetzt. Die Kleinmuͤthig-
keit
(Puſillani mitas) ſey der Hertzhafftigkeit/ und
das Schrecken (Terror) oder die Beſtuͤrtzung
(Conſternatio) der Kuͤhnheit zuwider. Und wenn
man endlich eine action entſchliſſe/ da man noch
wanckelmuͤhtig iſt/ ſo ruͤhre daher das boͤſe Ge-
wiſſen
(Syntereſis, Conſcientiæ morſus) die doch
nicht wie die vorhergehenden affecten auf das Zu-
kuͤnfftige/ ſondern auf das Gegenwaͤrtige und
Vergangene ziele. u)

40. Die Betrachtung des gegenwaͤrtigen
guten und boͤſen erwecket in uns Freude und Be-

truͤb-
u) art. 57. 58. 59. 60.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0078" n="66"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 2. H. von den Gemu&#x0364;ths Neig.</hi></fw><lb/>
man &#x017F;ich vor&#x017F;tellet/ es werde das Vorhaben<lb/>
leichte ins Werck zu richten &#x017F;eyn/ und <hi rendition="#fr">Furcht/</hi><lb/>
(<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Timor</hi></hi>) wenn man Schwerigkeit dabey befin-<lb/>
det; Zu der Furcht kan man die E<hi rendition="#fr">yfer&#x017F;ucht</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">(Ze-<lb/>
lotypiam</hi></hi>) als eine gewi&#x017F;&#x017F;e Art der&#x017F;elben rechnen.<lb/>
Die gro&#x0364;ßte Hoffnung wird <hi rendition="#fr">Sicherheit oder<lb/>
Vertrauen/</hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Securitas vel Fiducia)</hi></hi> un&#x0303; die gro&#x0364;ßte<lb/>
Furcht <hi rendition="#fr">Verzweiffelung</hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">De&#x017F;peratio)</hi></hi> genennet.<lb/>
Betrachten wir aber in&#x017F;onderheit/ daß die Sache<lb/>
von uns &#x017F;elb&#x017F;t ko&#x0364;nne ins Werck gerichtet werden/<lb/>
und wir befinden Schwerigkeit dabey in Erweh-<lb/>
lung der Mittel/ &#x017F;o nennet man den&#x017F;elben <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">affect</hi></hi><lb/><hi rendition="#fr">Wanckelmuth</hi>; <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">(Animi fluctuationem)</hi></hi> J&#x017F;t aber<lb/>
die Schwu&#x0364;rigkeit in der Ausu&#x0364;bung/ &#x017F;o wird der-<lb/>
&#x017F;elben <hi rendition="#fr">Hertzhafftigkeit</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">(Animo&#x017F;itas</hi></hi>) oder Ku&#x0364;hn-<lb/>
heit (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Audacia</hi></hi>) zu welcher man die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Æmulation</hi></hi> rech-<lb/>
nen ko&#x0364;nne/ entgegen ge&#x017F;etzt. Die <hi rendition="#fr">Kleinmu&#x0364;thig-<lb/>
keit</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">(Pu&#x017F;illani mitas</hi></hi>) &#x017F;ey der Hertzhafftigkeit/ und<lb/>
das <hi rendition="#fr">Schrecken</hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Terror</hi></hi>) oder die <hi rendition="#fr">Be&#x017F;tu&#x0364;rtzung</hi><lb/>
(<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Con&#x017F;ternatio)</hi></hi> der Ku&#x0364;hnheit zuwider. Und wenn<lb/>
man endlich eine <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">action</hi></hi> ent&#x017F;chli&#x017F;&#x017F;e/ da man noch<lb/>
wanckelmu&#x0364;htig i&#x017F;t/ &#x017F;o ru&#x0364;hre daher das <hi rendition="#fr">bo&#x0364;&#x017F;e Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en</hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Syntere&#x017F;is, Con&#x017F;cientiæ mor&#x017F;us</hi></hi>) die doch<lb/>
nicht wie die vorhergehenden <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">affect</hi></hi>en auf das Zu-<lb/>
ku&#x0364;nfftige/ &#x017F;ondern auf das Gegenwa&#x0364;rtige und<lb/>
Vergangene ziele. <note place="foot" n="u)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">art. 57. 58. 59. 60.</hi></hi></note></p><lb/>
        <p>40. Die Betrachtung des gegenwa&#x0364;rtigen<lb/>
guten und bo&#x0364;&#x017F;en erwecket in uns <hi rendition="#fr">Freude</hi> und <hi rendition="#fr">Be-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">tru&#x0364;b-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0078] Das 2. H. von den Gemuͤths Neig. man ſich vorſtellet/ es werde das Vorhaben leichte ins Werck zu richten ſeyn/ und Furcht/ (Timor) wenn man Schwerigkeit dabey befin- det; Zu der Furcht kan man die Eyferſucht (Ze- lotypiam) als eine gewiſſe Art derſelben rechnen. Die groͤßte Hoffnung wird Sicherheit oder Vertrauen/ (Securitas vel Fiducia) uñ die groͤßte Furcht Verzweiffelung (Deſperatio) genennet. Betrachten wir aber inſonderheit/ daß die Sache von uns ſelbſt koͤnne ins Werck gerichtet werden/ und wir befinden Schwerigkeit dabey in Erweh- lung der Mittel/ ſo nennet man denſelben affect Wanckelmuth; (Animi fluctuationem) Jſt aber die Schwuͤrigkeit in der Ausuͤbung/ ſo wird der- ſelben Hertzhafftigkeit (Animoſitas) oder Kuͤhn- heit (Audacia) zu welcher man die Æmulation rech- nen koͤnne/ entgegen geſetzt. Die Kleinmuͤthig- keit (Puſillani mitas) ſey der Hertzhafftigkeit/ und das Schrecken (Terror) oder die Beſtuͤrtzung (Conſternatio) der Kuͤhnheit zuwider. Und wenn man endlich eine action entſchliſſe/ da man noch wanckelmuͤhtig iſt/ ſo ruͤhre daher das boͤſe Ge- wiſſen (Syntereſis, Conſcientiæ morſus) die doch nicht wie die vorhergehenden affecten auf das Zu- kuͤnfftige/ ſondern auf das Gegenwaͤrtige und Vergangene ziele. u) 40. Die Betrachtung des gegenwaͤrtigen guten und boͤſen erwecket in uns Freude und Be- truͤb- u) art. 57. 58. 59. 60.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/78
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/78>, abgerufen am 21.11.2024.