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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 3. H. wie die Gemüths Neig.
die Affecten rechnen können/ weil er wohl ge-
sehen/ daß man bey derselben nicht betrachte/ ob
die Sache gut oder böse sey. Weil wir diese aber
allbereit aus der Classe der Affecten heraus ge-
worffen/ und solches aus dem/ was wir künfftig
bey denen Arten der Affecten erinnern wollen/ noch
mehr erhellen wird; als wollen wir uns itzo diß-
falls nicht weiter aufhalten.

31. Jch habe aber mit Fleiß gesagt/ daß der
Wille sich von dem was ihm zuwider ist/ und
dem Verstande böse vorkömmt/
zu dem was
ihme angenehm ist/ und dem Verstand gut zu
seyn dünckt
u. s. w. bewege. Denn ob wohl die
andern Philosophi insgemein sagen/ daß der Wille
allezeit von dem bösen sich zu dem guten oder von
dem guten zu dem bösen bewege; dieweil aber
der Wille des Menschen sich sehr offte von dem
warhaftig guten zu dem warhafftig bösen/ und sol-
chergestalt von einem Scheinübel zu einen Schein-
gute und wechselsweise sich wendet; So hoffen
wir/ daß unsere Redens-Art geschickter sey/ der
Sachen wahre Beschaffenheit auszudrücken.

32. Und hierdurch entfernen wir uns zugleich
von der gemeinen aber irrigen Redens-Art/ wenn
man vorgiebet/ daß der Wille sich allezeit von de-
nen Dingen/ welche der Verstand für böse er-
kennet/ zu dem jenigen/ was der Verstand
für gut angesehen/ sich kehre/
wodurch man al-
lemahl die Schuld/ daß ein Scheinübel für ein
warhafftiges übel/ und ein Scheinguth für ein

war-

Das 3. H. wie die Gemuͤths Neig.
die Affecten rechnen koͤnnen/ weil er wohl ge-
ſehen/ daß man bey derſelben nicht betrachte/ ob
die Sache gut oder boͤſe ſey. Weil wir dieſe aber
allbereit aus der Claſſe der Affecten heraus ge-
worffen/ und ſolches aus dem/ was wir kuͤnfftig
bey denen Arten der Affecten erinnern wollen/ noch
mehr erhellen wird; als wollen wir uns itzo diß-
falls nicht weiter aufhalten.

31. Jch habe aber mit Fleiß geſagt/ daß der
Wille ſich von dem was ihm zuwider iſt/ und
dem Verſtande boͤſe vorkoͤmmt/
zu dem was
ihme angenehm iſt/ und dem Verſtand gut zu
ſeyn duͤnckt
u. ſ. w. bewege. Denn ob wohl die
andern Philoſophi insgemein ſagen/ daß der Wille
allezeit von dem boͤſen ſich zu dem guten oder von
dem guten zu dem boͤſen bewege; dieweil aber
der Wille des Menſchen ſich ſehr offte von dem
warhaftig guten zu dem warhafftig boͤſen/ und ſol-
chergeſtalt von einem Scheinuͤbel zu einẽ Schein-
gute und wechſelsweiſe ſich wendet; So hoffen
wir/ daß unſere Redens-Art geſchickter ſey/ der
Sachen wahre Beſchaffenheit auszudruͤcken.

32. Und hierdurch entfernen wir uns zugleich
von der gemeinen aber irrigen Redens-Art/ wenn
man vorgiebet/ daß der Wille ſich allezeit von de-
nen Dingen/ welche der Verſtand fuͤr boͤſe er-
kennet/ zu dem jenigen/ was der Verſtand
fuͤr gut angeſehen/ ſich kehre/
wodurch man al-
lemahl die Schuld/ daß ein Scheinuͤbel fuͤr ein
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[86/0098] Das 3. H. wie die Gemuͤths Neig. die Affecten rechnen koͤnnen/ weil er wohl ge- ſehen/ daß man bey derſelben nicht betrachte/ ob die Sache gut oder boͤſe ſey. Weil wir dieſe aber allbereit aus der Claſſe der Affecten heraus ge- worffen/ und ſolches aus dem/ was wir kuͤnfftig bey denen Arten der Affecten erinnern wollen/ noch mehr erhellen wird; als wollen wir uns itzo diß- falls nicht weiter aufhalten. 31. Jch habe aber mit Fleiß geſagt/ daß der Wille ſich von dem was ihm zuwider iſt/ und dem Verſtande boͤſe vorkoͤmmt/ zu dem was ihme angenehm iſt/ und dem Verſtand gut zu ſeyn duͤnckt u. ſ. w. bewege. Denn ob wohl die andern Philoſophi insgemein ſagen/ daß der Wille allezeit von dem boͤſen ſich zu dem guten oder von dem guten zu dem boͤſen bewege; dieweil aber der Wille des Menſchen ſich ſehr offte von dem warhaftig guten zu dem warhafftig boͤſen/ und ſol- chergeſtalt von einem Scheinuͤbel zu einẽ Schein- gute und wechſelsweiſe ſich wendet; So hoffen wir/ daß unſere Redens-Art geſchickter ſey/ der Sachen wahre Beſchaffenheit auszudruͤcken. 32. Und hierdurch entfernen wir uns zugleich von der gemeinen aber irrigen Redens-Art/ wenn man vorgiebet/ daß der Wille ſich allezeit von de- nen Dingen/ welche der Verſtand fuͤr boͤſe er- kennet/ zu dem jenigen/ was der Verſtand fuͤr gut angeſehen/ ſich kehre/ wodurch man al- lemahl die Schuld/ daß ein Scheinuͤbel fuͤr ein warhafftiges uͤbel/ und ein Scheinguth fuͤr ein war-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/98>, abgerufen am 24.11.2024.