Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

Bild:
<< vorherige Seite
andern die Warheit beyzubringen.

114. Wenn du deinen Zuhörern den Auto-
rem
welchen du erklären wilt/ oder deine eigene
Lehrsätze zuvorhero zu überlesen gegeben/ so fan-
ge alsobald darüber ein Examen an/ und frage
dieselbigen/ nicht daß sie die Worte herbeten/
sondern untersuche/ ob sie die Meinung be-
griffen.
Laß sie dir sonderlich die definitiones
und axiomata hersagen/ und gib ihnen die
Freyheit/ daß sie sie mit ihren eigenen Worten
periphrasiren dörffen. Denn alsden siehestu/
ob sie deine Meinung begriffen// und kanst ih-
nen desto besser den Mangel/ woran sie gefeh-
let haben/ zeigen.

115. Und desto besser dahinter zu kommen/ pro-
ponire
ihnen Fragen/ die aus denen Lehrsä-
tzen müssen entschieden werden. Antworten sie
recht/
und geben die Ursachen aus der defini-
tion
oder dem axiomate, so siehestu daß sie die-
selbe begriffen. Jedoch begnüge dich nicht leich-
te an denen definitionibus, wenn sie nicht alle
darinnen enthaltene Worte deutlich erklären
können.

116. Antworten sie nicht recht/ so fahre sie
nicht an/ oder contradicire ihnen alsbald/ son-
dern laß sie dir nur eine raison sagen/ warum
sie so antworten. Hastu dieselbe/ so bringe sie

durch
I
andern die Warheit beyzubringen.

114. Wenn du deinen Zuhoͤrern den Auto-
rem
welchen du erklaͤren wilt/ oder deine eigene
Lehrſaͤtze zuvorhero zu uͤberleſen gegeben/ ſo fan-
ge alſobald daruͤber ein Examen an/ und frage
dieſelbigen/ nicht daß ſie die Worte herbeten/
ſondern unterſuche/ ob ſie die Meinung be-
griffen.
Laß ſie dir ſonderlich die definitiones
und axiomata herſagen/ und gib ihnen die
Freyheit/ daß ſie ſie mit ihren eigenen Worten
periphraſiren doͤrffen. Denn alsden ſieheſtu/
ob ſie deine Meinung begriffen// und kanſt ih-
nen deſto beſſer den Mangel/ woran ſie gefeh-
let haben/ zeigen.

115. Und deſto beſſer dahinter zu kom̃en/ pro-
ponire
ihnen Fragen/ die aus denen Lehrſaͤ-
tzen muͤſſen entſchieden werden. Antwortẽ ſie
recht/
und geben die Urſachen aus der defini-
tion
oder dem axiomate, ſo ſieheſtu daß ſie die-
ſelbe begriffen. Jedoch begnuͤge dich nicht leich-
te an denen definitionibus, wenn ſie nicht alle
darinnen enthaltene Worte deutlich erklaͤren
koͤnnen.

116. Antworten ſie nicht recht/ ſo fahre ſie
nicht an/ oder contradicire ihnen alsbald/ ſon-
dern laß ſie dir nur eine raiſon ſagen/ warum
ſie ſo antworten. Haſtu dieſelbe/ ſo bringe ſie

durch
I
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0155" n="129"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">andern die Warheit beyzubringen.</hi> </fw><lb/>
        <p>114. Wenn du deinen Zuho&#x0364;rern den <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Auto-</hi><lb/>
rem</hi> welchen du erkla&#x0364;ren wilt/ oder deine eigene<lb/>
Lehr&#x017F;a&#x0364;tze zuvorhero zu u&#x0364;berle&#x017F;en gegeben/ &#x017F;o fan-<lb/>
ge al&#x017F;obald daru&#x0364;ber ein <hi rendition="#aq">Examen</hi> an/ und frage<lb/>
die&#x017F;elbigen/ nicht daß &#x017F;ie die Worte herbeten/<lb/>
&#x017F;ondern unter&#x017F;uche/ ob &#x017F;ie <hi rendition="#fr">die Meinung be-<lb/>
griffen.</hi> Laß &#x017F;ie dir &#x017F;onderlich die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">definitiones</hi></hi><lb/>
und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">axiomata</hi></hi> her&#x017F;agen/ und gib ihnen die<lb/>
Freyheit/ daß &#x017F;ie &#x017F;ie mit ihren eigenen Worten<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">periphra&#x017F;iren</hi></hi> do&#x0364;rffen. Denn alsden &#x017F;iehe&#x017F;tu/<lb/>
ob &#x017F;ie deine Meinung begriffen// und kan&#x017F;t ih-<lb/>
nen de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er den Mangel/ woran &#x017F;ie gefeh-<lb/>
let haben/ zeigen.</p><lb/>
        <p>115. Und de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er dahinter zu kom&#x0303;en/ <hi rendition="#aq">pro-<lb/>
ponire</hi> <hi rendition="#fr">ihnen Fragen/</hi> die aus denen Lehr&#x017F;a&#x0364;-<lb/>
tzen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ent&#x017F;chieden werden. <hi rendition="#fr">Antworte&#x0303; &#x017F;ie<lb/>
recht/</hi> und geben die Ur&#x017F;achen aus der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">defini-<lb/>
tion</hi></hi> oder dem <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">axiomate</hi>,</hi> &#x017F;o &#x017F;iehe&#x017F;tu daß &#x017F;ie die-<lb/>
&#x017F;elbe begriffen. Jedoch begnu&#x0364;ge dich nicht leich-<lb/>
te an denen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">definitionibus</hi>,</hi> wenn &#x017F;ie nicht alle<lb/>
darinnen enthaltene Worte deutlich erkla&#x0364;ren<lb/>
ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>116. <hi rendition="#fr">Antworten &#x017F;ie nicht recht/</hi> &#x017F;o fahre &#x017F;ie<lb/>
nicht an/ oder <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">contradicire</hi></hi> ihnen alsbald/ &#x017F;on-<lb/>
dern laß &#x017F;ie dir nur eine <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">rai&#x017F;on</hi></hi> &#x017F;agen/ warum<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;o antworten. Ha&#x017F;tu die&#x017F;elbe/ &#x017F;o bringe &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">I</hi></fw><fw place="bottom" type="catch">durch</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0155] andern die Warheit beyzubringen. 114. Wenn du deinen Zuhoͤrern den Auto- rem welchen du erklaͤren wilt/ oder deine eigene Lehrſaͤtze zuvorhero zu uͤberleſen gegeben/ ſo fan- ge alſobald daruͤber ein Examen an/ und frage dieſelbigen/ nicht daß ſie die Worte herbeten/ ſondern unterſuche/ ob ſie die Meinung be- griffen. Laß ſie dir ſonderlich die definitiones und axiomata herſagen/ und gib ihnen die Freyheit/ daß ſie ſie mit ihren eigenen Worten periphraſiren doͤrffen. Denn alsden ſieheſtu/ ob ſie deine Meinung begriffen// und kanſt ih- nen deſto beſſer den Mangel/ woran ſie gefeh- let haben/ zeigen. 115. Und deſto beſſer dahinter zu kom̃en/ pro- ponire ihnen Fragen/ die aus denen Lehrſaͤ- tzen muͤſſen entſchieden werden. Antwortẽ ſie recht/ und geben die Urſachen aus der defini- tion oder dem axiomate, ſo ſieheſtu daß ſie die- ſelbe begriffen. Jedoch begnuͤge dich nicht leich- te an denen definitionibus, wenn ſie nicht alle darinnen enthaltene Worte deutlich erklaͤren koͤnnen. 116. Antworten ſie nicht recht/ ſo fahre ſie nicht an/ oder contradicire ihnen alsbald/ ſon- dern laß ſie dir nur eine raiſon ſagen/ warum ſie ſo antworten. Haſtu dieſelbe/ ſo bringe ſie durch I

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/155
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/155>, abgerufen am 24.11.2024.