Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].der Warheit nachzudencken. Stand/ darinnen wir leben. Wir sind Men-schen/ wir leben in Bürgerlicher Gesell- schafft/ wir sind Christen/ und ist immer ein Stand die Thür zum andern. Man muß erst lernen ein Mensch seyn/ ehe man zu der bürgerlichen Pflicht oder zu denen officiis in vita civili sich rechtschaffen schickt und andere Leute kennen will/ und wer noch nicht Mensch und in vita sociali intolerabel ist/ wie will der ein Christ seyn? 138. Wenn du in diesen Stücken der Welt- 139. Du kanst noch dieses einzige aus dem deiner E 2
der Warheit nachzudencken. Stand/ darinnen wir leben. Wir ſind Men-ſchen/ wir leben in Buͤrgerlicher Geſell- ſchafft/ wir ſind Chriſten/ und iſt immer ein Stand die Thuͤr zum andern. Man muß erſt lernen ein Menſch ſeyn/ ehe man zu der buͤrgerlichen Pflicht oder zu denen officiis in vita civili ſich rechtſchaffen ſchickt und andere Leute kennen will/ und wer noch nicht Menſch und in vita ſociali intolerabel iſt/ wie will der ein Chriſt ſeyn? 138. Wenn du in dieſen Stuͤcken der Welt- 139. Du kanſt noch dieſes einzige aus dem deiner E 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0093" n="67"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Warheit nachzudencken.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Stand/</hi> darinnen wir leben. Wir ſind <hi rendition="#fr">Men-<lb/> ſchen/</hi> wir leben <hi rendition="#fr">in Buͤrgerlicher Geſell-<lb/> ſchafft/</hi> wir ſind <hi rendition="#fr">Chriſten/</hi> und iſt immer ein<lb/> Stand die Thuͤr zum andern. Man muß<lb/> erſt lernen ein <hi rendition="#fr">Menſch ſeyn/</hi> ehe man zu der<lb/> buͤrgerlichen Pflicht oder zu denen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">officiis in<lb/> vita civili</hi></hi> ſich rechtſchaffen ſchickt und andere<lb/> Leute kennen will/ und wer noch nicht Menſch<lb/> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">in vita ſociali intolerabel</hi></hi> iſt/ wie will der<lb/> ein Chriſt ſeyn?</p><lb/> <p>138. Wenn du in dieſen Stuͤcken der Welt-<lb/> weißheit recht <hi rendition="#fr">vollkommen biſt/</hi> ſo kanſtu<lb/> deine uͤbrige <hi rendition="#fr">Zeit zu tieffſinnigen</hi> <hi rendition="#aq">ſpeculati-<lb/> onibus Phyſicis, Mathematicis</hi> u. ſ. w. an-<lb/> wenden. Aber pruͤffe dich zuvor wohl/ ob du<lb/> in der Kentniß deiner ſelbſt vollkommen ſeyſt;<lb/> Denn es kan leicht kommen/ daß du mit dieſer<lb/> alleine <hi rendition="#fr">die Zeit deines Lebens</hi> zu thun haſt.</p><lb/> <p>139. Du kanſt noch dieſes einzige aus dem<lb/> was wir bißhero gehabt/ anmercken; daß ob<lb/> uns ſchon die Vernunfft Lehre gewieſen/ daß<lb/><hi rendition="#fr">unſtreitige Warheiten</hi> viel edeler ſeyn als<lb/> die <hi rendition="#fr">Wahrſcheinligkeiten/</hi> dennoch in Erler-<lb/> nung der Weißheit wir ja ſo wohl vieler Wahr-<lb/> ſcheinligkeiten als unſtreitiger Warheiten <hi rendition="#fr"><supplied>b</supplied>e-<lb/> noͤthiget</hi> ſeyn. Dieſe brauchſtu in Erltrnung<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">E</hi> 2</fw><fw place="bottom" type="catch">deiner</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [67/0093]
der Warheit nachzudencken.
Stand/ darinnen wir leben. Wir ſind Men-
ſchen/ wir leben in Buͤrgerlicher Geſell-
ſchafft/ wir ſind Chriſten/ und iſt immer ein
Stand die Thuͤr zum andern. Man muß
erſt lernen ein Menſch ſeyn/ ehe man zu der
buͤrgerlichen Pflicht oder zu denen officiis in
vita civili ſich rechtſchaffen ſchickt und andere
Leute kennen will/ und wer noch nicht Menſch
und in vita ſociali intolerabel iſt/ wie will der
ein Chriſt ſeyn?
138. Wenn du in dieſen Stuͤcken der Welt-
weißheit recht vollkommen biſt/ ſo kanſtu
deine uͤbrige Zeit zu tieffſinnigen ſpeculati-
onibus Phyſicis, Mathematicis u. ſ. w. an-
wenden. Aber pruͤffe dich zuvor wohl/ ob du
in der Kentniß deiner ſelbſt vollkommen ſeyſt;
Denn es kan leicht kommen/ daß du mit dieſer
alleine die Zeit deines Lebens zu thun haſt.
139. Du kanſt noch dieſes einzige aus dem
was wir bißhero gehabt/ anmercken; daß ob
uns ſchon die Vernunfft Lehre gewieſen/ daß
unſtreitige Warheiten viel edeler ſeyn als
die Wahrſcheinligkeiten/ dennoch in Erler-
nung der Weißheit wir ja ſo wohl vieler Wahr-
ſcheinligkeiten als unſtreitiger Warheiten be-
noͤthiget ſeyn. Dieſe brauchſtu in Erltrnung
deiner
E 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |