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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 5. Hauptst. von der allgemeinen
dig sey es zu leiden/ und keinen Widerstand
zu thun/ wenn mich der andere von neuen be-
leydigen wolte?
Denn wie weit dißfalls die
Liebe einem gedultig zu seyn anbefehle/ werden wir
schon zu seiner Zeit erörtern. Solchergestalt aber
darffstu dich abermals für der Grausamkeit eines
Furchtsamen nicht fürchten. Vertrage die von
ihm geschehene Beleidigung mit Gedult. Spü-
restu aber/ daß er weiter in seiner Boßheit fort-
fahren wolle/ zeige ihm nur ein Löwen-Gesicht/ so
wird es mit seiner Grausamkeit keine Gefahr
haben.

100.

Und eben dieses kanstu zur Antwort neh-
men/ wenn du mir vorhalten woltest/ daß ich ein-
mal oben eingeräumet/ daß es gleichwol so ir-
raisonable
Leute gebe/ die durch die Gedult ei-
nes Beleydigten sich veranlassen liessen/ grössere
Voßheit auszuüben/ und daß also zum wenigsten
doch in diesen Fällen die Gedult kein zulänglich
Mittel sey Friede zu erhalten. Jch kan dirauch
diese Antwort ertheilen: Daß du auch zum we-
nigsten in diesen Fällen noch kein besser Mittel
als die Gedult anführen könnest. Woltestu dich
gleich abermal auff hen Krieg beruffen/ und auff
das Löwen-Gesicht/ darvon ich nur jetzo geredet;
so ist es doch wiederumb ein grosser Unterscheid
unter einer Nothwehre und Rache; (inter bellum
defensivum & offensivum
) von jener reden wir
nicht allhier/ sondern von dieser. Und wird/ das
was wir oben wider den Krieg geredet/ sattsam aus-

weisen/

Das 5. Hauptſt. von der allgemeinen
dig ſey es zu leiden/ und keinen Widerſtand
zu thun/ wenn mich der andere von neuen be-
leydigen wolte?
Denn wie weit dißfalls die
Liebe einem gedultig zu ſeyn anbefehle/ werden wir
ſchon zu ſeiner Zeit eroͤrtern. Solchergeſtalt aber
darffſtu dich abermals fuͤr der Grauſamkeit eines
Furchtſamen nicht fuͤrchten. Vertrage die von
ihm geſchehene Beleidigung mit Gedult. Spuͤ-
reſtu aber/ daß er weiter in ſeiner Boßheit fort-
fahren wolle/ zeige ihm nur ein Loͤwen-Geſicht/ ſo
wird es mit ſeiner Grauſamkeit keine Gefahr
haben.

100.

Und eben dieſes kanſtu zur Antwort neh-
men/ wenn du mir vorhalten wolteſt/ daß ich ein-
mal oben eingeraͤumet/ daß es gleichwol ſo ir-
raiſonable
Leute gebe/ die durch die Gedult ei-
nes Beleydigten ſich veranlaſſen lieſſen/ groͤſſere
Voßheit auszuuͤben/ und daß alſo zum wenigſten
doch in dieſen Faͤllen die Gedult kein zulaͤnglich
Mittel ſey Friede zu erhalten. Jch kan dirauch
dieſe Antwort ertheilen: Daß du auch zum we-
nigſten in dieſen Faͤllen noch kein beſſer Mittel
als die Gedult anfuͤhren koͤnneſt. Wolteſtu dich
gleich abermal auff hen Krieg beruffen/ und auff
das Loͤwen-Geſicht/ darvon ich nur jetzo geredet;
ſo iſt es doch wiederumb ein groſſer Unterſcheid
unter einer Nothwehre und Rache; (inter bellum
defenſivum & offenſivum
) von jener reden wir
nicht allhier/ ſondern von dieſer. Und wird/ das
was wir obẽ wider den Krieg geredet/ ſattſam aus-

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[248[244]/0276] Das 5. Hauptſt. von der allgemeinen dig ſey es zu leiden/ und keinen Widerſtand zu thun/ wenn mich der andere von neuen be- leydigen wolte? Denn wie weit dißfalls die Liebe einem gedultig zu ſeyn anbefehle/ werden wir ſchon zu ſeiner Zeit eroͤrtern. Solchergeſtalt aber darffſtu dich abermals fuͤr der Grauſamkeit eines Furchtſamen nicht fuͤrchten. Vertrage die von ihm geſchehene Beleidigung mit Gedult. Spuͤ- reſtu aber/ daß er weiter in ſeiner Boßheit fort- fahren wolle/ zeige ihm nur ein Loͤwen-Geſicht/ ſo wird es mit ſeiner Grauſamkeit keine Gefahr haben. 100. Und eben dieſes kanſtu zur Antwort neh- men/ wenn du mir vorhalten wolteſt/ daß ich ein- mal oben eingeraͤumet/ daß es gleichwol ſo ir- raiſonable Leute gebe/ die durch die Gedult ei- nes Beleydigten ſich veranlaſſen lieſſen/ groͤſſere Voßheit auszuuͤben/ und daß alſo zum wenigſten doch in dieſen Faͤllen die Gedult kein zulaͤnglich Mittel ſey Friede zu erhalten. Jch kan dirauch dieſe Antwort ertheilen: Daß du auch zum we- nigſten in dieſen Faͤllen noch kein beſſer Mittel als die Gedult anfuͤhren koͤnneſt. Wolteſtu dich gleich abermal auff hen Krieg beruffen/ und auff das Loͤwen-Geſicht/ darvon ich nur jetzo geredet; ſo iſt es doch wiederumb ein groſſer Unterſcheid unter einer Nothwehre und Rache; (inter bellum defenſivum & offenſivum) von jener reden wir nicht allhier/ ſondern von dieſer. Und wird/ das was wir obẽ wider den Krieg geredet/ ſattſam aus- weiſen/

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 248[244]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/276>, abgerufen am 22.11.2024.