Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

Bild:
<< vorherige Seite
und deren unterschiedenen Arten.

44. Ja wenn ich gleich sage: der Schnee
sey schwartz/
so kan doch diese Rede wohl
wahr seyn/ wenn ich mich erklähre/ daß durch
das Wort Schnee ich dasjenige verstünde/
was andere Dinte heissen.

45. (2) So folget ebenmäßig daraus/
daß die Gedancken des Menschen ohne re-
lation
auf etwas anders an und für sich selbst
gleichergestalt weder wahr noch falsch seyn/
sondern/ in Betrachtung gegen etwas anders
beydes zu werden geschickt seyn.

46. Also wenn ich mit meinem Gemüthe
sechse
formire, oder chimaeram, ist dieses we-
der wahr noch falsch: Es wird aber beydes/
wenn ich gedencke/ daß sechse 2. mahl dreye
sey/
oder daß sechse 3. mahl 2. sey/ daß chi-
maera
als ein Gedancke in meinen Kopffe
stecke/ oder daß chimaera ausser meinen Ge-
dancken etwas sey.

47. (3) Daß wenn ich meine Gedancken
auf ein non ens richte/ und von demselben et-
was bejahe und verneine/ daß ich solcher Ge-
stalt vielmehr nichts gedencke/ als daß ich
was wahres oder was falsches gedencken
solte. Denn ein non ens, wie wir es oben
beschrieben haben/ z. e. ein unvernünfftiger

Mensch
K 2
und deren unterſchiedenen Arten.

44. Ja wenn ich gleich ſage: der Schnee
ſey ſchwartz/
ſo kan doch dieſe Rede wohl
wahr ſeyn/ wenn ich mich erklaͤhre/ daß durch
das Wort Schnee ich dasjenige verſtuͤnde/
was andere Dinte heiſſen.

45. (2) So folget ebenmaͤßig daraus/
daß die Gedancken des Menſchen ohne re-
lation
auf etwas anders an und fuͤr ſich ſelbſt
gleichergeſtalt weder wahr noch falſch ſeyn/
ſondern/ in Betrachtung gegen etwas anders
beydes zu werden geſchickt ſeyn.

46. Alſo wenn ich mit meinem Gemuͤthe
ſechſe
formire, oder chimæram, iſt dieſes we-
der wahr noch falſch: Es wird aber beydes/
wenn ich gedencke/ daß ſechſe 2. mahl dreye
ſey/
oder daß ſechſe 3. mahl 2. ſey/ daß chi-
mæra
als ein Gedancke in meinen Kopffe
ſtecke/ oder daß chimæra auſſer meinen Ge-
dancken etwas ſey.

47. (3) Daß wenn ich meine Gedancken
auf ein non ens richte/ und von demſelben et-
was bejahe und verneine/ daß ich ſolcher Ge-
ſtalt vielmehr nichts gedencke/ als daß ich
was wahres oder was falſches gedencken
ſolte. Denn ein non ens, wie wir es oben
beſchrieben haben/ z. e. ein unvernuͤnfftiger

Menſch
K 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0165" n="147"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">und deren unter&#x017F;chiedenen Arten.</hi> </fw><lb/>
        <p>44. Ja wenn ich gleich &#x017F;age: der <hi rendition="#fr">Schnee<lb/>
&#x017F;ey &#x017F;chwartz/</hi> &#x017F;o kan doch die&#x017F;e Rede wohl<lb/>
wahr &#x017F;eyn/ wenn ich mich erkla&#x0364;hre/ daß durch<lb/>
das Wort Schnee ich dasjenige ver&#x017F;tu&#x0364;nde/<lb/>
was andere Dinte hei&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>45. (2) So folget ebenma&#x0364;ßig daraus/<lb/>
daß die <hi rendition="#fr">Gedancken</hi> des Men&#x017F;chen ohne <hi rendition="#aq">re-<lb/>
lation</hi> auf etwas anders an und fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
gleicherge&#x017F;talt weder <hi rendition="#fr">wahr</hi> noch fal&#x017F;ch &#x017F;eyn/<lb/>
&#x017F;ondern/ in Betrachtung gegen etwas anders<lb/><hi rendition="#fr">beydes zu werden</hi> ge&#x017F;chickt &#x017F;eyn.</p><lb/>
        <p>46. Al&#x017F;o wenn ich mit meinem <hi rendition="#fr">Gemu&#x0364;the<lb/>
&#x017F;ech&#x017F;e</hi> <hi rendition="#aq">formire,</hi> oder <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">chimæram,</hi></hi> i&#x017F;t die&#x017F;es we-<lb/>
der wahr noch fal&#x017F;ch: Es wird aber beydes/<lb/>
wenn ich gedencke/ <hi rendition="#fr">daß &#x017F;ech&#x017F;e 2. mahl dreye<lb/>
&#x017F;ey/</hi> oder <hi rendition="#fr">daß &#x017F;ech&#x017F;e 3. mahl</hi> 2. &#x017F;ey/ daß <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">chi-<lb/>
mæra</hi></hi> <hi rendition="#fr">als ein Gedancke in meinen Kopffe</hi><lb/>
&#x017F;tecke/ oder <hi rendition="#fr">daß</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">chimæra</hi></hi> <hi rendition="#fr">au&#x017F;&#x017F;er meinen Ge-<lb/>
dancken etwas &#x017F;ey.</hi></p><lb/>
        <p>47. (3) Daß wenn ich meine Gedancken<lb/>
auf ein <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">non ens</hi></hi> richte/ und von dem&#x017F;elben et-<lb/>
was bejahe und verneine/ daß ich &#x017F;olcher Ge-<lb/>
&#x017F;talt vielmehr <hi rendition="#fr">nichts</hi> gedencke/ als daß ich<lb/>
was <hi rendition="#fr">wahres</hi> oder was <hi rendition="#fr">fal&#x017F;ches</hi> gedencken<lb/>
&#x017F;olte. Denn ein <hi rendition="#aq">non ens,</hi> wie wir es oben<lb/>
be&#x017F;chrieben haben/ z. e. ein <hi rendition="#fr">unvernu&#x0364;nfftiger</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Men&#x017F;ch</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0165] und deren unterſchiedenen Arten. 44. Ja wenn ich gleich ſage: der Schnee ſey ſchwartz/ ſo kan doch dieſe Rede wohl wahr ſeyn/ wenn ich mich erklaͤhre/ daß durch das Wort Schnee ich dasjenige verſtuͤnde/ was andere Dinte heiſſen. 45. (2) So folget ebenmaͤßig daraus/ daß die Gedancken des Menſchen ohne re- lation auf etwas anders an und fuͤr ſich ſelbſt gleichergeſtalt weder wahr noch falſch ſeyn/ ſondern/ in Betrachtung gegen etwas anders beydes zu werden geſchickt ſeyn. 46. Alſo wenn ich mit meinem Gemuͤthe ſechſe formire, oder chimæram, iſt dieſes we- der wahr noch falſch: Es wird aber beydes/ wenn ich gedencke/ daß ſechſe 2. mahl dreye ſey/ oder daß ſechſe 3. mahl 2. ſey/ daß chi- mæra als ein Gedancke in meinen Kopffe ſtecke/ oder daß chimæra auſſer meinen Ge- dancken etwas ſey. 47. (3) Daß wenn ich meine Gedancken auf ein non ens richte/ und von demſelben et- was bejahe und verneine/ daß ich ſolcher Ge- ſtalt vielmehr nichts gedencke/ als daß ich was wahres oder was falſches gedencken ſolte. Denn ein non ens, wie wir es oben beſchrieben haben/ z. e. ein unvernuͤnfftiger Menſch K 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/165
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/165>, abgerufen am 21.11.2024.