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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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Das 6. Hauptstück von denen
Zusammenhaltung das complement des
Menschlichen Verstandes und Willens ist/ so
würde der Mensch nicht Mensch seyn/
wenn er diese potentiam nicht besässe/ son-
dern nur die Macht hätte über die gegenwär-
tigen individua zu reflectiren/ ja es würde
ihm die reflexion und apprehension nicht
viel nutzen/ wenn er diese letzte potentiam
nicht hätte.

77. (Und also würde ein Thier doch nicht
für vernünfftig gehalten werden können/ wenn
es gleich über die res sensibus impressas
reflectirte.
)

78. Nichts desto weniger aber könte er
auch die thätlichen Gedancken nicht ausü-
ben/ wenn ihm nicht per sensus conceptus in-
dividuorum
wären imprimiret worden.
Denn wie wolte er ein gantzes in Theile ein-
theilen/ wenn er kein gantzes hätte/ wie wolte
er ein individuum mit dem andern confe-
ri
ren/ oder sie ordnen/ wenn er nicht schon con-
ceptum individuorum
hätte.

79. Derowegen praesupponiren die thät-
lichen Gedancken allezeit leidende/ und ist so
ferne das gemeine dictum zu erklähren/ Nibil
est in intellectu, qvod non prius fuerit in
sensu.

80. Al-

Das 6. Hauptſtuͤck von denen
Zuſammenhaltung das complement des
Menſchlichen Verſtandes und Willens iſt/ ſo
wuͤrde der Menſch nicht Menſch ſeyn/
wenn er dieſe potentiam nicht beſaͤſſe/ ſon-
dern nur die Macht haͤtte uͤber die gegenwaͤr-
tigen individua zu reflectiren/ ja es wuͤrde
ihm die reflexion und apprehenſion nicht
viel nutzen/ wenn er dieſe letzte potentiam
nicht haͤtte.

77. (Und alſo wuͤrde ein Thier doch nicht
fuͤr vernuͤnfftig gehalten werden koͤnnen/ wenn
es gleich uͤber die res ſenſibus impreſſas
reflectirte.
)

78. Nichts deſto weniger aber koͤnte er
auch die thaͤtlichen Gedancken nicht ausuͤ-
ben/ wenn ihm nicht per ſenſus conceptus in-
dividuorum
waͤren imprimiret worden.
Denn wie wolte er ein gantzes in Theile ein-
theilen/ wenn er kein gantzes haͤtte/ wie wolte
er ein individuum mit dem andern confe-
ri
ren/ oder ſie ordnen/ wenn er nicht ſchon con-
ceptum individuorum
haͤtte.

79. Derowegen præſupponiren die thaͤt-
lichen Gedancken allezeit leidende/ und iſt ſo
ferne das gemeine dictum zu erklaͤhren/ Nibil
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[170/0188] Das 6. Hauptſtuͤck von denen Zuſammenhaltung das complement des Menſchlichen Verſtandes und Willens iſt/ ſo wuͤrde der Menſch nicht Menſch ſeyn/ wenn er dieſe potentiam nicht beſaͤſſe/ ſon- dern nur die Macht haͤtte uͤber die gegenwaͤr- tigen individua zu reflectiren/ ja es wuͤrde ihm die reflexion und apprehenſion nicht viel nutzen/ wenn er dieſe letzte potentiam nicht haͤtte. 77. (Und alſo wuͤrde ein Thier doch nicht fuͤr vernuͤnfftig gehalten werden koͤnnen/ wenn es gleich uͤber die res ſenſibus impreſſas reflectirte.) 78. Nichts deſto weniger aber koͤnte er auch die thaͤtlichen Gedancken nicht ausuͤ- ben/ wenn ihm nicht per ſenſus conceptus in- dividuorum waͤren imprimiret worden. Denn wie wolte er ein gantzes in Theile ein- theilen/ wenn er kein gantzes haͤtte/ wie wolte er ein individuum mit dem andern confe- riren/ oder ſie ordnen/ wenn er nicht ſchon con- ceptum individuorum haͤtte. 79. Derowegen præſupponiren die thaͤt- lichen Gedancken allezeit leidende/ und iſt ſo ferne das gemeine dictum zu erklaͤhren/ Nibil eſt in intellectu, qvod non prius fuerit in ſenſu. 80. Al-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/188>, abgerufen am 21.11.2024.