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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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und unwahrscheinlichen Dingen.
du dieses Vertrauen und Furcht abmessen
soltest/ damit du nicht das wahrscheinliche und
unwahrscheinliche mit einander vermischetest.

27. Für allen Dingen must du feste setzen/
daß alles von Menschlicher autorität her-
rühret/ dessen innerliche Versicherung du nicht
empfindest kanst/ niemahlen eine unstreitige
Warheit zu wege bringen könne/ und wenn
gleich die gantze Welt dich dessen bereden wolte.

28. Hiernechst aber must du auch dieses
nicht einmahl ohne Unterscheid für warschein-
lich halten/ was von denen meisten oder de-
nen weisesten/ klügesten/ und gelehrtesten
für wahr ausgegeben wird/ und das für un-
wahrscheinlich/ was die wenigsten/ oder ge-
meine Leute für wahr ausgeben wird.

29. Denn zu geschweigen/ daß ohne dem
allezeit die meisten nicht die weisesten seyn/
so sind fast mehr oder doch ja nicht weniger all-
gemeine Jrrthümer/
als absonderliche.

30. Die weisesten und gelehrtesten aber
sind gar schwerlich zuerkennen/ wenn ich nicht
selbsten in einen grossen Grad schon weise bin.

31. Zugeschweigen/ daß zu Erweckung ei-
ner Wahrscheinligkeit bey mir bey dem ande-
ren/ dessen Zeugnüß ich Glauben zustellen soll/

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und unwahrſcheinlichen Dingen.
du dieſes Vertrauen und Furcht abmeſſen
ſolteſt/ damit du nicht das wahrſcheinliche und
unwahrſcheinliche mit einander vermiſcheteſt.

27. Fuͤr allen Dingen muſt du feſte ſetzen/
daß alles von Menſchlicher autoritaͤt her-
ruͤhret/ deſſen innerliche Verſicherung du nicht
empfindeſt kanſt/ niemahlen eine unſtreitige
Warheit zu wege bringen koͤnne/ und wenn
gleich die gantze Welt dich deſſen bereden wolte.

28. Hiernechſt aber muſt du auch dieſes
nicht einmahl ohne Unterſcheid fuͤr warſchein-
lich halten/ was von denen meiſten oder de-
nen weiſeſten/ kluͤgeſten/ und gelehrteſten
fuͤr wahr ausgegeben wird/ und das fuͤr un-
wahrſcheinlich/ was die wenigſten/ oder ge-
meine Leute fuͤr wahr ausgeben wird.

29. Denn zu geſchweigen/ daß ohne dem
allezeit die meiſten nicht die weiſeſten ſeyn/
ſo ſind faſt mehr oder doch ja nicht weniger all-
gemeine Jrrthuͤmer/
als abſonderliche.

30. Die weiſeſten und gelehrteſten aber
ſind gar ſchwerlich zuerkennen/ wenn ich nicht
ſelbſten in einen groſſen Grad ſchon weiſe bin.

31. Zugeſchweigen/ daß zu Erweckung ei-
ner Wahrſcheinligkeit bey mir bey dem ande-
ren/ deſſen Zeugnuͤß ich Glauben zuſtellen ſoll/

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[227/0245] und unwahrſcheinlichen Dingen. du dieſes Vertrauen und Furcht abmeſſen ſolteſt/ damit du nicht das wahrſcheinliche und unwahrſcheinliche mit einander vermiſcheteſt. 27. Fuͤr allen Dingen muſt du feſte ſetzen/ daß alles von Menſchlicher autoritaͤt her- ruͤhret/ deſſen innerliche Verſicherung du nicht empfindeſt kanſt/ niemahlen eine unſtreitige Warheit zu wege bringen koͤnne/ und wenn gleich die gantze Welt dich deſſen bereden wolte. 28. Hiernechſt aber muſt du auch dieſes nicht einmahl ohne Unterſcheid fuͤr warſchein- lich halten/ was von denen meiſten oder de- nen weiſeſten/ kluͤgeſten/ und gelehrteſten fuͤr wahr ausgegeben wird/ und das fuͤr un- wahrſcheinlich/ was die wenigſten/ oder ge- meine Leute fuͤr wahr ausgeben wird. 29. Denn zu geſchweigen/ daß ohne dem allezeit die meiſten nicht die weiſeſten ſeyn/ ſo ſind faſt mehr oder doch ja nicht weniger all- gemeine Jrrthuͤmer/ als abſonderliche. 30. Die weiſeſten und gelehrteſten aber ſind gar ſchwerlich zuerkennen/ wenn ich nicht ſelbſten in einen groſſen Grad ſchon weiſe bin. 31. Zugeſchweigen/ daß zu Erweckung ei- ner Wahrſcheinligkeit bey mir bey dem ande- ren/ deſſen Zeugnuͤß ich Glauben zuſtellen ſoll/ mehr P 2

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/245>, abgerufen am 19.05.2024.