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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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von Erfindung neuer Warh.
man keinen rechtschaffenen Unterscheid zwi-
schen denen unstreitigen Warheiten und de-
nen Wahrscheinligkeiten/ ja auch dem Fal-
schen selbst machen.

63. Man muß aber hierbey die Postulata
und Hypotbcses nicht miteinander vermischen.
Denn die postulata sind veritates primae in-
demonstrabiles,
die allerdings zu unstreiti-
ger Warheiten Grund erfordert werden.

64. Ja es hat auch die Hypothesis einen
andern Nutzen in ansehen wahrscheinlicher
Dinge/ einen andern in ansehen der falschen.

65. Bey jenen braucht man sie fürnehm-
lich zuerkennen/ welche Wahrscheinligkeit/
der andern vorzuziehen sey/ aus welcher nem-
lich die meisten conclusiones können herge-
leitet werden/ oder die bey denen meisten indi-
viduis
eintrifft.

66. Bey diesen aber braucht man sie ad
hominem
zu disputiren und die falsche Mei-
nung eines absurdi zu convinciren.

67. Weil aber/ wie oben erwehnet/ doch
unter der cognitione veri & cognitione
falsi
ein mercklicher Unterscheid ist/ muß man
sich wohl in acht nehmen/ daß man nicht da-
vor hält man habe per deductionem ad ab-

surdum

von Erfindung neuer Warh.
man keinen rechtſchaffenen Unterſcheid zwi-
ſchen denen unſtreitigen Warheiten und de-
nen Wahrſcheinligkeiten/ ja auch dem Fal-
ſchen ſelbſt machen.

63. Man muß aber hierbey die Poſtulata
und Hypotbcſes nicht miteinander vermiſchen.
Denn die poſtulata ſind veritates primæ in-
demonſtrabiles,
die allerdings zu unſtreiti-
ger Warheiten Grund erfordert werden.

64. Ja es hat auch die Hypotheſis einen
andern Nutzen in anſehen wahrſcheinlicher
Dinge/ einen andern in anſehen der falſchen.

65. Bey jenen braucht man ſie fuͤrnehm-
lich zuerkennen/ welche Wahrſcheinligkeit/
der andern vorzuziehen ſey/ aus welcher nem-
lich die meiſten concluſiones koͤnnen herge-
leitet werden/ oder die bey denen meiſten indi-
viduis
eintrifft.

66. Bey dieſen aber braucht man ſie ad
hominem
zu diſputiren und die falſche Mei-
nung eines abſurdi zu convinciren.

67. Weil aber/ wie oben erwehnet/ doch
unter der cognitione veri & cognitione
falſi
ein mercklicher Unterſcheid iſt/ muß man
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[283/0301] von Erfindung neuer Warh. man keinen rechtſchaffenen Unterſcheid zwi- ſchen denen unſtreitigen Warheiten und de- nen Wahrſcheinligkeiten/ ja auch dem Fal- ſchen ſelbſt machen. 63. Man muß aber hierbey die Poſtulata und Hypotbcſes nicht miteinander vermiſchen. Denn die poſtulata ſind veritates primæ in- demonſtrabiles, die allerdings zu unſtreiti- ger Warheiten Grund erfordert werden. 64. Ja es hat auch die Hypotheſis einen andern Nutzen in anſehen wahrſcheinlicher Dinge/ einen andern in anſehen der falſchen. 65. Bey jenen braucht man ſie fuͤrnehm- lich zuerkennen/ welche Wahrſcheinligkeit/ der andern vorzuziehen ſey/ aus welcher nem- lich die meiſten concluſiones koͤnnen herge- leitet werden/ oder die bey denen meiſten indi- viduis eintrifft. 66. Bey dieſen aber braucht man ſie ad hominem zu diſputiren und die falſche Mei- nung eines abſurdi zu convinciren. 67. Weil aber/ wie oben erwehnet/ doch unter der cognitione veri & cognitione falſi ein mercklicher Unterſcheid iſt/ muß man ſich wohl in acht nehmen/ daß man nicht da- vor haͤlt man habe per deductionem ad ab- ſurdum

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/301>, abgerufen am 27.11.2024.