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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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seyn mögen, zuwiederlauffende Lehren einem jeden unpartheyischen Leser in die Augen, die von denen allermeisten nicht ohne hefftige alteration und Aergerniß, ja auch von denen allerwenigsten, die sonst ihrer Affecten ziemlich Meister sind, doch nicht ohne Erstaunen und hertzliche Betrübniß über den unseeligen Zustand des Titii, gelesen werden können, inmassen viele Oerter zeigen, daß des Titii GOtt nicht der warhaftige GOtt und Schöpffer Himmels und der Erden, sondern nichts anders als die gesamten Geschöpffe oder die Welt selbst, oder die so genannte Seele der Welt sey, massen nicht nur dieses aus des 1. Capitels 4. 5. und 10. §. erhellet, wo er ausdrücklich sagt, daß GOtt sey Forma formans, er Titius forma formata, GOtt materia simplex, er materia modificata, GOtt das grosse Welt-Meer, Wasser, Feuer, Erde, Lufft, Sonne, Cörper, Gemüthe, er Titius ein Fluß, ein Tropffen, ein Funcke, ein Erdenkloß, ein effluvium, ein Strahl, ein Glied, eine mentis operatio, item daß er seinen GOtt fähe, hörete, röche, schmeckte, fühlete, ferner daß die Welt der Circul sey, worinnen GOtt der Mittel-Punct wäre, und cap. 2. §. 7. p. 19. daß die Welt von Ewigkeit her sey, causatum cum sua causa, das Gebaude mit seinem Baumeister, die Frucht mit dem Baum, die Kornähre mit dem Körngen, ingleichen c. 2. §. 17. p. 23. die gantze Welt sey ein Schiff, GOtt der Schiffmann, ein Wagen, GOtt der Fuhrmann, eine Uhr, GOtt das Perpendicul oder Unruhe, eine Machine, GOtt das Treibe-Rad u. s. w. und §. 23. p. 26. die Welt werde ewig bleiben, und könne nichts darinnen untergehen, das ist, zu nichts werden, denn sonsten müste GOtt selbsten, aus dem die Welt her sey, vernichtet werden. Gleichwie nun, wenn mann dem Autori hinter diese seine Grund-Lehre gekommen, die oben in rationibus dubitandi n. 16. excerpirten scheinheiligen Lehren einen gantz andern Verstand bekommen, als den sie hätten, wenn sie von dem wahren GOtt, der in der Zeit die Welt geschaffen, redeten; Also ist nunmehro nicht zu verwundern, daß der Autor in Erkäntniß sein selbst oder der menschlichen Natur so gar gröblich gestrauchlet, indem er zwar allenthalben von der Vernunfft redet, aber nirgends, was dieselbe eigentlich sey, noch was die Regeln der gesunden Vernunfft oder prima principia, nach denen man sich in Erforschung der Warheit richten müsse, wären, deutlich erkläret, sondern man aus dem gantzen Büchelgen siehet, daß alles was dem Menschen nur in Sinn, in die Gedancken, in die Begierden komme, nach seiner Meinung vernünfftig und gut sey, es möge nun selbiges vielen, ja allen andern vernünfftigen Menschen unvernunfftig und brutal vorkommen; denn dahin zielet und kan nicht anders

seyn mögen, zuwiederlauffende Lehren einem jeden unpartheyischen Leser in die Augen, die von denen allermeisten nicht ohne hefftige alteration und Aergerniß, ja auch von denen allerwenigsten, die sonst ihrer Affecten ziemlich Meister sind, doch nicht ohne Erstaunen und hertzliche Betrübniß über den unseeligen Zustand des Titii, gelesen werden können, inmassen viele Oerter zeigen, daß des Titii GOtt nicht der warhaftige GOtt und Schöpffer Himmels und der Erden, sondern nichts anders als die gesamten Geschöpffe oder die Welt selbst, oder die so genannte Seele der Welt sey, massen nicht nur dieses aus des 1. Capitels 4. 5. und 10. §. erhellet, wo er ausdrücklich sagt, daß GOtt sey Forma formans, er Titius forma formata, GOtt materia simplex, er materia modificata, GOtt das grosse Welt-Meer, Wasser, Feuer, Erde, Lufft, Sonne, Cörper, Gemüthe, er Titius ein Fluß, ein Tropffen, ein Funcke, ein Erdenkloß, ein effluvium, ein Strahl, ein Glied, eine mentis operatio, item daß er seinen GOtt fähe, hörete, röche, schmeckte, fühlete, ferner daß die Welt der Circul sey, worinnen GOtt der Mittel-Punct wäre, und cap. 2. §. 7. p. 19. daß die Welt von Ewigkeit her sey, causatum cum sua causa, das Gebaude mit seinem Baumeister, die Frucht mit dem Baum, die Kornähre mit dem Körngen, ingleichen c. 2. §. 17. p. 23. die gantze Welt sey ein Schiff, GOtt der Schiffmann, ein Wagen, GOtt der Fuhrmann, eine Uhr, GOtt das Perpendicul oder Unruhe, eine Machine, GOtt das Treibe-Rad u. s. w. und §. 23. p. 26. die Welt werde ewig bleiben, und könne nichts darinnen untergehen, das ist, zu nichts werden, denn sonsten müste GOtt selbsten, aus dem die Welt her sey, vernichtet werden. Gleichwie nun, wenn mann dem Autori hinter diese seine Grund-Lehre gekommen, die oben in rationibus dubitandi n. 16. excerpirten scheinheiligen Lehren einen gantz andern Verstand bekommen, als den sie hätten, wenn sie von dem wahren GOtt, der in der Zeit die Welt geschaffen, redeten; Also ist nunmehro nicht zu verwundern, daß der Autor in Erkäntniß sein selbst oder der menschlichen Natur so gar gröblich gestrauchlet, indem er zwar allenthalben von der Vernunfft redet, aber nirgends, was dieselbe eigentlich sey, noch was die Regeln der gesunden Vernunfft oder prima principia, nach denen man sich in Erforschung der Warheit richten müsse, wären, deutlich erkläret, sondern man aus dem gantzen Büchelgen siehet, daß alles was dem Menschen nur in Sinn, in die Gedancken, in die Begierden komme, nach seiner Meinung vernünfftig und gut sey, es möge nun selbiges vielen, ja allen andern vernünfftigen Menschen unvernunfftig und brutal vorkommen; denn dahin zielet und kan nicht anders

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[254/0270] seyn mögen, zuwiederlauffende Lehren einem jeden unpartheyischen Leser in die Augen, die von denen allermeisten nicht ohne hefftige alteration und Aergerniß, ja auch von denen allerwenigsten, die sonst ihrer Affecten ziemlich Meister sind, doch nicht ohne Erstaunen und hertzliche Betrübniß über den unseeligen Zustand des Titii, gelesen werden können, inmassen viele Oerter zeigen, daß des Titii GOtt nicht der warhaftige GOtt und Schöpffer Himmels und der Erden, sondern nichts anders als die gesamten Geschöpffe oder die Welt selbst, oder die so genannte Seele der Welt sey, massen nicht nur dieses aus des 1. Capitels 4. 5. und 10. §. erhellet, wo er ausdrücklich sagt, daß GOtt sey Forma formans, er Titius forma formata, GOtt materia simplex, er materia modificata, GOtt das grosse Welt-Meer, Wasser, Feuer, Erde, Lufft, Sonne, Cörper, Gemüthe, er Titius ein Fluß, ein Tropffen, ein Funcke, ein Erdenkloß, ein effluvium, ein Strahl, ein Glied, eine mentis operatio, item daß er seinen GOtt fähe, hörete, röche, schmeckte, fühlete, ferner daß die Welt der Circul sey, worinnen GOtt der Mittel-Punct wäre, und cap. 2. §. 7. p. 19. daß die Welt von Ewigkeit her sey, causatum cum sua causa, das Gebaude mit seinem Baumeister, die Frucht mit dem Baum, die Kornähre mit dem Körngen, ingleichen c. 2. §. 17. p. 23. die gantze Welt sey ein Schiff, GOtt der Schiffmann, ein Wagen, GOtt der Fuhrmann, eine Uhr, GOtt das Perpendicul oder Unruhe, eine Machine, GOtt das Treibe-Rad u. s. w. und §. 23. p. 26. die Welt werde ewig bleiben, und könne nichts darinnen untergehen, das ist, zu nichts werden, denn sonsten müste GOtt selbsten, aus dem die Welt her sey, vernichtet werden. Gleichwie nun, wenn mann dem Autori hinter diese seine Grund-Lehre gekommen, die oben in rationibus dubitandi n. 16. excerpirten scheinheiligen Lehren einen gantz andern Verstand bekommen, als den sie hätten, wenn sie von dem wahren GOtt, der in der Zeit die Welt geschaffen, redeten; Also ist nunmehro nicht zu verwundern, daß der Autor in Erkäntniß sein selbst oder der menschlichen Natur so gar gröblich gestrauchlet, indem er zwar allenthalben von der Vernunfft redet, aber nirgends, was dieselbe eigentlich sey, noch was die Regeln der gesunden Vernunfft oder prima principia, nach denen man sich in Erforschung der Warheit richten müsse, wären, deutlich erkläret, sondern man aus dem gantzen Büchelgen siehet, daß alles was dem Menschen nur in Sinn, in die Gedancken, in die Begierden komme, nach seiner Meinung vernünfftig und gut sey, es möge nun selbiges vielen, ja allen andern vernünfftigen Menschen unvernunfftig und brutal vorkommen; denn dahin zielet und kan nicht anders

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/270>, abgerufen am 22.11.2024.