Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

Bild:
<< vorherige Seite
3. Denn eine richtige Antwort: ist wie ein lieblicher Kuß: Sprüchwört. Salomon. c. 24. v. 26. 4. Und wer ist, der euch darum schaden könte, so ihr nur sonst dem guten nachkommet? und ob ihr auch leidet um Gerechtigkeit willen, so seyd ihr doch selig. Fürchtet euch aber für ihrem Trotzen nicht, und erschrecket nicht. Heiliget aber GOtt den HErrn in euren Hertzen. Seyd aber allezeit bereit zur Verantwortung jeder mann, der Grund fordert der Hoffnung, die in euch ist. Und das mit Sanfftmüthigkeit und Furcht, und habt ein gut Gewissen, auf daß die, so von euch affterreden, als von Ubelthätern, zu schanden werden, daß sie geschmähet haben euren guten Wandel in Christo. 1. Petr. 3. v. 13. 14. 15. 16.
II.
1. Ein CALUMNIANTE: dichtet einem Scribenten einen Verstand an, den er nie in Sinne gehabt, und beschuldiget darnach denselbigen, als wenn er einer irrigen Meinung beypflichtete: will auch den andern mit aller Gewalt nöthigen, daß er gestehen solle, er habe die Worte nach seiner, des Calumnianten, Auslegung verstanden. 2. Ein CALUMNIANTE: excerpiret aus einem Scribenten alle zweydeutige Redens-Arten, und sondert sie von dem gantzen Cörper ab, lässet etliche Worte aussen, oder rückt dann und wann andere hinein, damit er nur bey andern Leuten denselben in wahrscheinlichen Verdacht bringen möge, als wann er lächerliche oder schädliche Irrthümer hegete. 3. Ein CALUMNIANTE: giebt für die Meinung eines Scribenten aus, was derselbe unter anderer Personen Nahmen discuriret, z. E. wenn in Dialogis, Gedichten, Comödien, u. s. w. Personen von unterschiedenen Character auffgeführet werden, und der Autor sich angelegen seyn läßt, den Character einer jeden Person durch gehörige Reden recht zu exprimiren, so fällt ein Calumniante zu, und legt dem Autori die Meinungen, die er unter der Person eines Pedanten, oder Heuchlers, oder eines der in Praejudiciis steckt, oder eines lasterhafften Menschen vorgebracht, bey, als wenn sie seine eigene wären. 4. Ein CALUMNIANTE: betrachtet in Beurtheilung eines Buchs nicht, aus was für Intention und Absehen ein Autor geredet, sondern er drehet alles nach dem Vorhaben seiner bösen Intention, und ist ihm dißfalls einerley, ob der Scribente aus Ernst oder aus Schertz, ausführlich und mit Bedacht, oder nur Zufallsweise und obenhin, Frags- und Bejahungs-Weise, auff seinen eigenen oder anderer Leute Antrieb etwas geschrieben; ob er seine Lehre vertheydigen und behaupten, oder seinen Gegner wiederlegen, und auff dessen Einwürffe antworten, oder wieder ihn aus seinen eigenen Geständniß disputiren wollen: ob er von denen Sachen rede, wie sie an sich selbsten sind, oder wie sie von dem gemeinen Mann, in allgemei-
3. Denn eine richtige Antwort: ist wie ein lieblicher Kuß: Sprüchwört. Salomon. c. 24. v. 26. 4. Und wer ist, der euch darum schaden könte, so ihr nur sonst dem guten nachkommet? und ob ihr auch leidet um Gerechtigkeit willen, so seyd ihr doch selig. Fürchtet euch aber für ihrem Trotzen nicht, und erschrecket nicht. Heiliget aber GOtt den HErrn in euren Hertzen. Seyd aber allezeit bereit zur Verantwortung jeder mann, der Grund fordert der Hoffnung, die in euch ist. Und das mit Sanfftmüthigkeit und Furcht, und habt ein gut Gewissen, auf daß die, so von euch affterreden, als von Ubelthätern, zu schanden werden, daß sie geschmähet haben euren guten Wandel in Christo. 1. Petr. 3. v. 13. 14. 15. 16.
II.
1. Ein CALUMNIANTE: dichtet einem Scribenten einen Verstand an, den er nie in Sinne gehabt, und beschuldiget darnach denselbigen, als wenn er einer irrigen Meinung beypflichtete: will auch den andern mit aller Gewalt nöthigen, daß er gestehen solle, er habe die Worte nach seiner, des Calumnianten, Auslegung verstanden. 2. Ein CALUMNIANTE: excerpiret aus einem Scribenten alle zweydeutige Redens-Arten, und sondert sie von dem gantzen Cörper ab, lässet etliche Worte aussen, oder rückt dann und wann andere hinein, damit er nur bey andern Leuten denselben in wahrscheinlichen Verdacht bringen möge, als wann er lächerliche oder schädliche Irrthümer hegete. 3. Ein CALUMNIANTE: giebt für die Meinung eines Scribenten aus, was derselbe unter anderer Personen Nahmen discuriret, z. E. wenn in Dialogis, Gedichten, Comödien, u. s. w. Personen von unterschiedenen Character auffgeführet werden, und der Autor sich angelegen seyn läßt, den Character einer jeden Person durch gehörige Reden recht zu exprimiren, so fällt ein Calumniante zu, und legt dem Autori die Meinungen, die er unter der Person eines Pedanten, oder Heuchlers, oder eines der in Praejudiciis steckt, oder eines lasterhafften Menschen vorgebracht, bey, als wenn sie seine eigene wären. 4. Ein CALUMNIANTE: betrachtet in Beurtheilung eines Buchs nicht, aus was für Intention und Absehen ein Autor geredet, sondern er drehet alles nach dem Vorhaben seiner bösen Intention, und ist ihm dißfalls einerley, ob der Scribente aus Ernst oder aus Schertz, ausführlich und mit Bedacht, oder nur Zufallsweise und obenhin, Frags- und Bejahungs-Weise, auff seinen eigenen oder anderer Leute Antrieb etwas geschrieben; ob er seine Lehre vertheydigen und behaupten, oder seinen Gegner wiederlegen, und auff dessen Einwürffe antworten, oder wieder ihn aus seinen eigenen Geständniß disputiren wollen: ob er von denen Sachen rede, wie sie an sich selbsten sind, oder wie sie von dem gemeinen Mann, in allgemei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0349" n="333"/>
        <l>3. Denn eine richtige Antwort: ist wie ein lieblicher Kuß: Sprüchwört. Salomon.                      c. 24. v. 26.</l>
        <l>4. Und wer ist, der euch darum schaden könte, so ihr nur sonst dem guten                      nachkommet? und ob ihr auch leidet um Gerechtigkeit willen, so seyd ihr doch                      selig. Fürchtet euch aber für ihrem Trotzen nicht, und erschrecket nicht.                      Heiliget aber GOtt den HErrn in euren Hertzen. Seyd aber allezeit bereit zur                      Verantwortung jeder mann, der Grund fordert der Hoffnung, die in euch ist. Und                      das mit Sanfftmüthigkeit und Furcht, und habt ein gut Gewissen, auf daß die, so                      von euch affterreden, als von Ubelthätern, zu schanden werden, daß sie                      geschmähet haben euren guten Wandel in Christo. 1. Petr. 3. v. 13. 14. 15.                  16.</l>
      </div>
      <div>
        <head>II.</head><lb/>
        <l>1. Ein CALUMNIANTE: dichtet einem Scribenten einen Verstand an, den er nie in                      Sinne gehabt, und beschuldiget darnach denselbigen, als wenn er einer irrigen                      Meinung beypflichtete: will auch den andern mit aller Gewalt nöthigen, daß er                      gestehen solle, er habe die Worte nach seiner, des Calumnianten, Auslegung                      verstanden.</l>
        <l>2. Ein CALUMNIANTE: excerpiret aus einem Scribenten alle zweydeutige                      Redens-Arten, und sondert sie von dem gantzen Cörper ab, lässet etliche Worte                      aussen, oder rückt dann und wann andere hinein, damit er nur bey andern Leuten                      denselben in wahrscheinlichen Verdacht bringen möge, als wann er lächerliche                      oder schädliche Irrthümer hegete.</l>
        <l>3. Ein CALUMNIANTE: giebt für die Meinung eines Scribenten aus, was derselbe                      unter anderer Personen Nahmen discuriret, z. E. wenn in Dialogis, Gedichten,                      Comödien, u. s. w. Personen von unterschiedenen Character auffgeführet werden,                      und der Autor sich angelegen seyn läßt, den Character einer jeden Person durch                      gehörige Reden recht zu exprimiren, so fällt ein Calumniante zu, und legt dem                      Autori die Meinungen, die er unter der Person eines Pedanten, oder Heuchlers,                      oder eines der in Praejudiciis steckt, oder eines lasterhafften Menschen                      vorgebracht, bey, als wenn sie seine eigene wären.</l>
        <l>4. Ein CALUMNIANTE: betrachtet in Beurtheilung eines Buchs nicht, aus was für                      Intention und Absehen ein Autor geredet, sondern er drehet alles nach dem                      Vorhaben seiner bösen Intention, und ist ihm dißfalls einerley, ob der Scribente                      aus Ernst oder aus Schertz, ausführlich und mit Bedacht, oder nur Zufallsweise                      und obenhin, Frags- und Bejahungs-Weise, auff seinen eigenen oder anderer Leute                      Antrieb etwas geschrieben; ob er seine Lehre vertheydigen und behaupten, oder                      seinen Gegner wiederlegen, und auff dessen Einwürffe antworten, oder wieder ihn                      aus seinen eigenen Geständniß disputiren wollen: ob er von denen Sachen rede,                      wie sie an sich selbsten sind, oder wie sie von dem gemeinen Mann, in                              allgemei-
</l>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[333/0349] 3. Denn eine richtige Antwort: ist wie ein lieblicher Kuß: Sprüchwört. Salomon. c. 24. v. 26. 4. Und wer ist, der euch darum schaden könte, so ihr nur sonst dem guten nachkommet? und ob ihr auch leidet um Gerechtigkeit willen, so seyd ihr doch selig. Fürchtet euch aber für ihrem Trotzen nicht, und erschrecket nicht. Heiliget aber GOtt den HErrn in euren Hertzen. Seyd aber allezeit bereit zur Verantwortung jeder mann, der Grund fordert der Hoffnung, die in euch ist. Und das mit Sanfftmüthigkeit und Furcht, und habt ein gut Gewissen, auf daß die, so von euch affterreden, als von Ubelthätern, zu schanden werden, daß sie geschmähet haben euren guten Wandel in Christo. 1. Petr. 3. v. 13. 14. 15. 16. II. 1. Ein CALUMNIANTE: dichtet einem Scribenten einen Verstand an, den er nie in Sinne gehabt, und beschuldiget darnach denselbigen, als wenn er einer irrigen Meinung beypflichtete: will auch den andern mit aller Gewalt nöthigen, daß er gestehen solle, er habe die Worte nach seiner, des Calumnianten, Auslegung verstanden. 2. Ein CALUMNIANTE: excerpiret aus einem Scribenten alle zweydeutige Redens-Arten, und sondert sie von dem gantzen Cörper ab, lässet etliche Worte aussen, oder rückt dann und wann andere hinein, damit er nur bey andern Leuten denselben in wahrscheinlichen Verdacht bringen möge, als wann er lächerliche oder schädliche Irrthümer hegete. 3. Ein CALUMNIANTE: giebt für die Meinung eines Scribenten aus, was derselbe unter anderer Personen Nahmen discuriret, z. E. wenn in Dialogis, Gedichten, Comödien, u. s. w. Personen von unterschiedenen Character auffgeführet werden, und der Autor sich angelegen seyn läßt, den Character einer jeden Person durch gehörige Reden recht zu exprimiren, so fällt ein Calumniante zu, und legt dem Autori die Meinungen, die er unter der Person eines Pedanten, oder Heuchlers, oder eines der in Praejudiciis steckt, oder eines lasterhafften Menschen vorgebracht, bey, als wenn sie seine eigene wären. 4. Ein CALUMNIANTE: betrachtet in Beurtheilung eines Buchs nicht, aus was für Intention und Absehen ein Autor geredet, sondern er drehet alles nach dem Vorhaben seiner bösen Intention, und ist ihm dißfalls einerley, ob der Scribente aus Ernst oder aus Schertz, ausführlich und mit Bedacht, oder nur Zufallsweise und obenhin, Frags- und Bejahungs-Weise, auff seinen eigenen oder anderer Leute Antrieb etwas geschrieben; ob er seine Lehre vertheydigen und behaupten, oder seinen Gegner wiederlegen, und auff dessen Einwürffe antworten, oder wieder ihn aus seinen eigenen Geständniß disputiren wollen: ob er von denen Sachen rede, wie sie an sich selbsten sind, oder wie sie von dem gemeinen Mann, in allgemei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in TEI. (2012-11-23T14:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme der Wolfenbütteler Digitalen Bibliothek entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-23T14:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-23T14:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/349
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/349>, abgerufen am 22.11.2024.