Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.SOUVRAINTAET, nicht einmahl von denen Meister-Sängern zu Nürnberg würde passirt werden; so dürffte es vermuthlich, mit der verbissenen INQUSITZON noch schwerer her gehen. Jedoch will ich dem Herrn Praetendenten nicht alle Hoffnung abschneiden. Vielleicht kan er da zu Nürnberg in diesem Punct eher ein Responsum favorabile erhalten, als von unserer Facultät in der Hauptsache. Welches letzte mir zwar von Hertzen leyd ist, jedoch nicht wegen meiner und noch weniger wegen unserer Facultät, sondern wegen des Herrn Quaerenten, daß er einem einigen von unserm Corpore dergleichen Thorheit zu trauen dörffen oder sich dessen bereden mögen. DIXI XXV. Handel. Zwey Casus von Ehescheidungs-Sachen. §. I. Politischer Nutzen für den Pabst der Lehre, daß die Ehe ein Sacrament sey. UNter denen politischen Staats-Streichen, derer sich der Pabst zu Rom bedient, alle weltliche Obrigkeit mit ihrer guten Bewilligung zu Roß und Mäulern zu machen, ist dieser nicht der geringste, daß er die Leyen, (und zwar vielleicht auch sich seibst und seine Clerisey bona fide) beredet, die Ehe sey ein Sacrament; und müsse von ihm als Beschützern des Glaubens mit neuen Straff-Gesetzen gleichsam umzäunet werden, die er aber doch gegen diejenigen, so sich sonsten in allen Stücken gegen ihn submittirten, wieder verlassen und darinnen dispensiren könte. Denn was thut doch die Liebe nicht? Ich entsinne mich, daß fur etliche und dreißig Jahren ein Advocate zu Leipzig etwas unbescheiden geschrieben hatte, und dannenhero für das Oberhoffgerichte daselbst gefordert wurde, auch einen derben Verweiß kriegte. Der gute bestürtzte Mensch, der sich dieses Umstandes bey seinem Erscheinen nicht versehen, wuste in der Angst nicht, was er für eine Entschuldigung zu seiner deprecation gebrauchen solte; endlich bat er, man möchte ihm den begangenen Fehler um deßwillen zu gute halten, weil er zur Zeit seiner verfertigten Schrifft eben Bräutigam gewesen; und also kein so ruhiges Gemüth als sonst gehabt hätte. Die Herren Assessores hatten genung zn thun, daß sie in des armen Stümpers Anwesenheit das Lachen verbissen, und schafften ihn demnach behende fort mit der Vermahnung, es nicht SOUVRAINTAET, nicht einmahl von denen Meister-Sängern zu Nürnberg würde passirt werden; so dürffte es vermuthlich, mit der verbissenen INQUSITZON noch schwerer her gehen. Jedoch will ich dem Herrn Praetendenten nicht alle Hoffnung abschneiden. Vielleicht kan er da zu Nürnberg in diesem Punct eher ein Responsum favorabile erhalten, als von unserer Facultät in der Hauptsache. Welches letzte mir zwar von Hertzen leyd ist, jedoch nicht wegen meiner und noch weniger wegen unserer Facultät, sondern wegen des Herrn Quaerenten, daß er einem einigen von unserm Corpore dergleichen Thorheit zu trauen dörffen oder sich dessen bereden mögen. DIXI XXV. Handel. Zwey Casus von Ehescheidungs-Sachen. §. I. Politischer Nutzen für den Pabst der Lehre, daß die Ehe ein Sacrament sey. UNter denen politischen Staats-Streichen, derer sich der Pabst zu Rom bedient, alle weltliche Obrigkeit mit ihrer guten Bewilligung zu Roß und Mäulern zu machen, ist dieser nicht der geringste, daß er die Leyen, (und zwar vielleicht auch sich seibst und seine Clerisey bona fide) beredet, die Ehe sey ein Sacrament; und müsse von ihm als Beschützern des Glaubens mit neuen Straff-Gesetzen gleichsam umzäunet werden, die er aber doch gegen diejenigen, so sich sonsten in allen Stücken gegen ihn submittirten, wieder verlassen und darinnen dispensiren könte. Denn was thut doch die Liebe nicht? Ich entsinne mich, daß fur etliche und dreißig Jahren ein Advocate zu Leipzig etwas unbescheiden geschrieben hatte, und dannenhero für das Oberhoffgerichte daselbst gefordert wurde, auch einen derben Verweiß kriegte. Der gute bestürtzte Mensch, der sich dieses Umstandes bey seinem Erscheinen nicht versehen, wuste in der Angst nicht, was er für eine Entschuldigung zu seiner deprecation gebrauchen solte; endlich bat er, man möchte ihm den begangenen Fehler um deßwillen zu gute halten, weil er zur Zeit seiner verfertigten Schrifft eben Bräutigam gewesen; und also kein so ruhiges Gemüth als sonst gehabt hätte. Die Herren Assessores hatten genung zn thun, daß sie in des armen Stümpers Anwesenheit das Lachen verbissen, und schafften ihn demnach behende fort mit der Vermahnung, es nicht <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0374" n="358"/> SOUVRAINTAET, nicht einmahl von denen Meister-Sängern zu Nürnberg würde passirt werden; so dürffte es vermuthlich, mit der verbissenen INQUSITZON noch schwerer her gehen. Jedoch will ich dem Herrn Praetendenten nicht alle Hoffnung abschneiden. Vielleicht kan er da zu Nürnberg in diesem Punct eher ein Responsum favorabile erhalten, als von unserer Facultät in der Hauptsache. Welches letzte mir zwar von Hertzen leyd ist, jedoch nicht wegen meiner und noch weniger wegen unserer Facultät, sondern wegen des Herrn Quaerenten, daß er einem einigen von unserm Corpore dergleichen Thorheit zu trauen dörffen oder sich dessen bereden mögen. DIXI</p> </div> <div> <head>XXV. Handel. Zwey Casus von Ehescheidungs-Sachen.</head><lb/> </div> <div> <head>§. I.</head><lb/> <note place="left">Politischer Nutzen für den Pabst der Lehre, daß die Ehe ein Sacrament sey.</note> <p>UNter denen politischen Staats-Streichen, derer sich der Pabst zu Rom bedient, alle weltliche Obrigkeit mit ihrer guten Bewilligung zu Roß und Mäulern zu machen, ist dieser nicht der geringste, daß er die Leyen, (und zwar vielleicht auch sich seibst und seine Clerisey bona fide) beredet, die Ehe sey ein Sacrament; und müsse von ihm als Beschützern des Glaubens mit neuen Straff-Gesetzen gleichsam umzäunet werden, die er aber doch gegen diejenigen, so sich sonsten in allen Stücken gegen ihn submittirten, wieder verlassen und darinnen dispensiren könte. Denn was thut doch die Liebe nicht? Ich entsinne mich, daß fur etliche und dreißig Jahren ein Advocate zu Leipzig etwas unbescheiden geschrieben hatte, und dannenhero für das Oberhoffgerichte daselbst gefordert wurde, auch einen derben Verweiß kriegte. Der gute bestürtzte Mensch, der sich dieses Umstandes bey seinem Erscheinen nicht versehen, wuste in der Angst nicht, was er für eine Entschuldigung zu seiner deprecation gebrauchen solte; endlich bat er, man möchte ihm den begangenen Fehler um deßwillen zu gute halten, weil er zur Zeit seiner verfertigten Schrifft eben Bräutigam gewesen; und also kein so ruhiges Gemüth als sonst gehabt hätte. Die Herren Assessores hatten genung zn thun, daß sie in des armen Stümpers Anwesenheit das Lachen verbissen, und schafften ihn demnach behende fort mit der Vermahnung, es nicht </p> </div> </body> </text> </TEI> [358/0374]
SOUVRAINTAET, nicht einmahl von denen Meister-Sängern zu Nürnberg würde passirt werden; so dürffte es vermuthlich, mit der verbissenen INQUSITZON noch schwerer her gehen. Jedoch will ich dem Herrn Praetendenten nicht alle Hoffnung abschneiden. Vielleicht kan er da zu Nürnberg in diesem Punct eher ein Responsum favorabile erhalten, als von unserer Facultät in der Hauptsache. Welches letzte mir zwar von Hertzen leyd ist, jedoch nicht wegen meiner und noch weniger wegen unserer Facultät, sondern wegen des Herrn Quaerenten, daß er einem einigen von unserm Corpore dergleichen Thorheit zu trauen dörffen oder sich dessen bereden mögen. DIXI
XXV. Handel. Zwey Casus von Ehescheidungs-Sachen.
§. I.
UNter denen politischen Staats-Streichen, derer sich der Pabst zu Rom bedient, alle weltliche Obrigkeit mit ihrer guten Bewilligung zu Roß und Mäulern zu machen, ist dieser nicht der geringste, daß er die Leyen, (und zwar vielleicht auch sich seibst und seine Clerisey bona fide) beredet, die Ehe sey ein Sacrament; und müsse von ihm als Beschützern des Glaubens mit neuen Straff-Gesetzen gleichsam umzäunet werden, die er aber doch gegen diejenigen, so sich sonsten in allen Stücken gegen ihn submittirten, wieder verlassen und darinnen dispensiren könte. Denn was thut doch die Liebe nicht? Ich entsinne mich, daß fur etliche und dreißig Jahren ein Advocate zu Leipzig etwas unbescheiden geschrieben hatte, und dannenhero für das Oberhoffgerichte daselbst gefordert wurde, auch einen derben Verweiß kriegte. Der gute bestürtzte Mensch, der sich dieses Umstandes bey seinem Erscheinen nicht versehen, wuste in der Angst nicht, was er für eine Entschuldigung zu seiner deprecation gebrauchen solte; endlich bat er, man möchte ihm den begangenen Fehler um deßwillen zu gute halten, weil er zur Zeit seiner verfertigten Schrifft eben Bräutigam gewesen; und also kein so ruhiges Gemüth als sonst gehabt hätte. Die Herren Assessores hatten genung zn thun, daß sie in des armen Stümpers Anwesenheit das Lachen verbissen, und schafften ihn demnach behende fort mit der Vermahnung, es nicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in TEI.
(2012-11-23T14:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme der Wolfenbütteler Digitalen Bibliothek entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-23T14:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-23T14:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |