Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.die Kirchen- und Schul-Bediente sich zu der Formula Concordiae eydlich bekennen solten. Und ob ich wohl noch die Stunde nicht weiß, wie der Autor des Bedenckens geheissen, oder wer er gewesen; so ist doch wohl kein Zweiffel, daß er bey dem Administratore vorher viel gegolten habe, und man vielleicht hauptsächlich auf ihn bey Einrückung dieser Clausul reflectiret habe, weil er entweder die hier in seinem Bedencken angeführte rationes, potissimum Theologicas, dann und wann in discursen mag erwehnet und sich dadurch bey denen Eyfferern sehr verhaßt gemacht haben; oder doch zum wenigsten, weil er, wie er selbst bald bey Anfang seines Bedenckens meldet, da diese resignation vorgegangen, zu Berlin gewesen, und wahrscheinlich daselbst zur introducirung der reformirten Religion consilia gegeben. Mich wundert nur, wie es gekommen, daß das Dom-Capitul nicht schon anno 1608. da der Administrator Christian Wilhelm die Administration angetreten, diese Clausul vom Eyd aller Politicorum ad Formulam Concordiae mit eingerückt, zumahl da dasjenige, was ich allbereit in denen des von Osse Testament beygedruckten Annalibus p. 244. seq. von D. Jacob Schultes angemerckt, sattsam zeiget, daß in dem benachbarten Sachsen anno 1607. allbereit die Religions-Eyde eingeführet gewesen. §. XI. Das Bedencken selbst betreffend, ist solches von des D. Schultes daselbst excerpirten Bedencken darinnen gäntzlich unterschieden, daß D. Schultes nach dem damahligen Gebrauch alle seine rationes mit vielen allegatis legum & doctorum bekräfftiget, der Hällische Autor aber / vielleicht weil er mehr ein vernünfftiger Politicus als grosser Legiste gewesen, sine allegatione legum & Dd. aus handgreiflichen rationibus Politicis sich geweigert, den Religions-Eyd abzulegen, auch dabey vielfältige rationes Theologicas angeführet, aus welchen man sehen kan, daß er die Formulam Concordiae und andere damahls übliche Streit-Schrifften fleißig gelesen; auch als ein ehrlicher Mann cordate herausgegangen, und sein Glaubens-Bekänntniß aufrichtig gethan, und damit im geringsten nicht hinter dem Berge gehalten. Nur wolte ich wünschen, daß er die Gabe der Deutlichkeit gehabt und einer annehmlichen Schreib-Art sich bedienet hätte. Denn sein stilus ist sehr verwirret und verdrießlich. In Mangelung eines bessern aber wird der Leser vergnügt seyn, daß ich das Bedencken drucken lassen, so wie es der Autor aufgesetzt. Es mag auch wohl seyn, daß in meiner Copie nicht alles so accurat mag seyn abgeschrieben worden, wie es der Autor concipiret, und kan ich nicht leugnen, daß ich zuweilen den sensum mit Beyfügung eines und andern Worts die Kirchen- und Schul-Bediente sich zu der Formula Concordiae eydlich bekennen solten. Und ob ich wohl noch die Stunde nicht weiß, wie der Autor des Bedenckens geheissen, oder wer er gewesen; so ist doch wohl kein Zweiffel, daß er bey dem Administratore vorher viel gegolten habe, und man vielleicht hauptsächlich auf ihn bey Einrückung dieser Clausul reflectiret habe, weil er entweder die hier in seinem Bedencken angeführte rationes, potissimum Theologicas, dann und wann in discursen mag erwehnet und sich dadurch bey denen Eyfferern sehr verhaßt gemacht haben; oder doch zum wenigsten, weil er, wie er selbst bald bey Anfang seines Bedenckens meldet, da diese resignation vorgegangen, zu Berlin gewesen, und wahrscheinlich daselbst zur introducirung der reformirten Religion consilia gegeben. Mich wundert nur, wie es gekommen, daß das Dom-Capitul nicht schon anno 1608. da der Administrator Christian Wilhelm die Administration angetreten, diese Clausul vom Eyd aller Politicorum ad Formulam Concordiae mit eingerückt, zumahl da dasjenige, was ich allbereit in denen des von Osse Testament beygedruckten Annalibus p. 244. seq. von D. Jacob Schultes angemerckt, sattsam zeiget, daß in dem benachbarten Sachsen anno 1607. allbereit die Religions-Eyde eingeführet gewesen. §. XI. Das Bedencken selbst betreffend, ist solches von des D. Schultes daselbst excerpirten Bedencken darinnen gäntzlich unterschieden, daß D. Schultes nach dem damahligen Gebrauch alle seine rationes mit vielen allegatis legum & doctorum bekräfftiget, der Hällische Autor aber / vielleicht weil er mehr ein vernünfftiger Politicus als grosser Legiste gewesen, sine allegatione legum & Dd. aus handgreiflichen rationibus Politicis sich geweigert, den Religions-Eyd abzulegen, auch dabey vielfältige rationes Theologicas angeführet, aus welchen man sehen kan, daß er die Formulam Concordiae und andere damahls übliche Streit-Schrifften fleißig gelesen; auch als ein ehrlicher Mann cordate herausgegangen, und sein Glaubens-Bekänntniß aufrichtig gethan, und damit im geringsten nicht hinter dem Berge gehalten. Nur wolte ich wünschen, daß er die Gabe der Deutlichkeit gehabt und einer annehmlichen Schreib-Art sich bedienet hätte. Denn sein stilus ist sehr verwirret und verdrießlich. In Mangelung eines bessern aber wird der Leser vergnügt seyn, daß ich das Bedencken drucken lassen, so wie es der Autor aufgesetzt. Es mag auch wohl seyn, daß in meiner Copie nicht alles so accurat mag seyn abgeschrieben worden, wie es der Autor concipiret, und kan ich nicht leugnen, daß ich zuweilen den sensum mit Beyfügung eines und andern Worts <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0262" n="254"/> die Kirchen- und Schul-Bediente sich zu der Formula Concordiae eydlich bekennen solten. Und ob ich wohl noch die Stunde nicht weiß, wie der Autor des Bedenckens geheissen, oder wer er gewesen; so ist doch wohl kein Zweiffel, daß er bey dem Administratore vorher viel gegolten habe, und man vielleicht hauptsächlich auf ihn bey Einrückung dieser Clausul reflectiret habe, weil er entweder die hier in seinem Bedencken angeführte rationes, potissimum Theologicas, dann und wann in discursen mag erwehnet und sich dadurch bey denen Eyfferern sehr verhaßt gemacht haben; oder doch zum wenigsten, weil er, wie er selbst bald bey Anfang seines Bedenckens meldet, da diese resignation vorgegangen, zu Berlin gewesen, und wahrscheinlich daselbst zur introducirung der reformirten Religion consilia gegeben. Mich wundert nur, wie es gekommen, daß das Dom-Capitul nicht schon anno 1608. da der Administrator Christian Wilhelm die Administration angetreten, diese Clausul vom Eyd aller Politicorum ad Formulam Concordiae mit eingerückt, zumahl da dasjenige, was ich allbereit in denen des von Osse Testament beygedruckten Annalibus p. 244. seq. von D. Jacob Schultes angemerckt, sattsam zeiget, daß in dem benachbarten Sachsen anno 1607. allbereit die Religions-Eyde eingeführet gewesen.</p> <note place="left">Urtheil von dem Bedencken selbst.</note> <p>§. XI. Das Bedencken selbst betreffend, ist solches von des D. Schultes daselbst excerpirten Bedencken darinnen gäntzlich unterschieden, daß D. Schultes nach dem damahligen Gebrauch alle seine rationes mit vielen allegatis legum & doctorum bekräfftiget, der Hällische Autor aber / vielleicht weil er mehr ein vernünfftiger Politicus als grosser Legiste gewesen, sine allegatione legum & Dd. aus handgreiflichen rationibus Politicis sich geweigert, den Religions-Eyd abzulegen, auch dabey vielfältige rationes Theologicas angeführet, aus welchen man sehen kan, daß er die Formulam Concordiae und andere damahls übliche Streit-Schrifften fleißig gelesen; auch als ein ehrlicher Mann cordate herausgegangen, und sein Glaubens-Bekänntniß aufrichtig gethan, und damit im geringsten nicht hinter dem Berge gehalten. Nur wolte ich wünschen, daß er die Gabe der Deutlichkeit gehabt und einer annehmlichen Schreib-Art sich bedienet hätte. Denn sein stilus ist sehr verwirret und verdrießlich. In Mangelung eines bessern aber wird der Leser vergnügt seyn, daß ich das Bedencken drucken lassen, so wie es der Autor aufgesetzt. Es mag auch wohl seyn, daß in meiner Copie nicht alles so accurat mag seyn abgeschrieben worden, wie es der Autor concipiret, und kan ich nicht leugnen, daß ich zuweilen den sensum mit Beyfügung eines und andern Worts </p> </div> </body> </text> </TEI> [254/0262]
die Kirchen- und Schul-Bediente sich zu der Formula Concordiae eydlich bekennen solten. Und ob ich wohl noch die Stunde nicht weiß, wie der Autor des Bedenckens geheissen, oder wer er gewesen; so ist doch wohl kein Zweiffel, daß er bey dem Administratore vorher viel gegolten habe, und man vielleicht hauptsächlich auf ihn bey Einrückung dieser Clausul reflectiret habe, weil er entweder die hier in seinem Bedencken angeführte rationes, potissimum Theologicas, dann und wann in discursen mag erwehnet und sich dadurch bey denen Eyfferern sehr verhaßt gemacht haben; oder doch zum wenigsten, weil er, wie er selbst bald bey Anfang seines Bedenckens meldet, da diese resignation vorgegangen, zu Berlin gewesen, und wahrscheinlich daselbst zur introducirung der reformirten Religion consilia gegeben. Mich wundert nur, wie es gekommen, daß das Dom-Capitul nicht schon anno 1608. da der Administrator Christian Wilhelm die Administration angetreten, diese Clausul vom Eyd aller Politicorum ad Formulam Concordiae mit eingerückt, zumahl da dasjenige, was ich allbereit in denen des von Osse Testament beygedruckten Annalibus p. 244. seq. von D. Jacob Schultes angemerckt, sattsam zeiget, daß in dem benachbarten Sachsen anno 1607. allbereit die Religions-Eyde eingeführet gewesen.
§. XI. Das Bedencken selbst betreffend, ist solches von des D. Schultes daselbst excerpirten Bedencken darinnen gäntzlich unterschieden, daß D. Schultes nach dem damahligen Gebrauch alle seine rationes mit vielen allegatis legum & doctorum bekräfftiget, der Hällische Autor aber / vielleicht weil er mehr ein vernünfftiger Politicus als grosser Legiste gewesen, sine allegatione legum & Dd. aus handgreiflichen rationibus Politicis sich geweigert, den Religions-Eyd abzulegen, auch dabey vielfältige rationes Theologicas angeführet, aus welchen man sehen kan, daß er die Formulam Concordiae und andere damahls übliche Streit-Schrifften fleißig gelesen; auch als ein ehrlicher Mann cordate herausgegangen, und sein Glaubens-Bekänntniß aufrichtig gethan, und damit im geringsten nicht hinter dem Berge gehalten. Nur wolte ich wünschen, daß er die Gabe der Deutlichkeit gehabt und einer annehmlichen Schreib-Art sich bedienet hätte. Denn sein stilus ist sehr verwirret und verdrießlich. In Mangelung eines bessern aber wird der Leser vergnügt seyn, daß ich das Bedencken drucken lassen, so wie es der Autor aufgesetzt. Es mag auch wohl seyn, daß in meiner Copie nicht alles so accurat mag seyn abgeschrieben worden, wie es der Autor concipiret, und kan ich nicht leugnen, daß ich zuweilen den sensum mit Beyfügung eines und andern Worts
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/262>, abgerufen am 16.07.2024. |