Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.richte anführet, daß bald anfänglich J. W. H. durch Verschweigung der Wahrheit das Verlöbniß zu erschleichen demühet gewesen, und zu dem Ende nicht nur durch andere seinen Zustand gantz anders als er würcklich gewesen H. M. vorstellen lassen, sondern auch selbst daß er mehr als 1700. Thlr. nicht schuldig sey, betheuerlich versichert, und solchergestalt mediante dolo denselben zu Ertheilung seines Consensus induciret, bewährte Rechts-Lehrer aber dafür halten, auch denen Regeln der gesunden Vernunfft gemäß, daß ein Consensus dolo elicitus auch in causis matrimonialibus niemanden verbinden, noch derjenige so dolose gehandelt, dadurch einigen Vortheil gewinnen könne, es möge nun dolus circa essentialia vel accidentalia conjugii begangen seyn. Hiernechst auch des juris Canonici disposition ihren Abfall gewinnet, wenn ejusmodi bona fortunae ausdrücklich per modum conditionis erfordert worden, und dann dessen Berichte nach H. M. seinen Consens daß er seine Tochter J. W. H. geben wollen, und dieser das Jawort abholen wöge, anderer Gestalt nicht als unter der Bedingung, wenn J. W. H. mehr nicht als 1700. Rhlr. schuldig wäre, ertheilet, auch wenig zur Sache thut daß solche Condition bey dem nachhero angestelltem Verlöbnüß nicht ausdrücklich wiederholet, weil gnug, daß solche niemahls aufgehoben worden, die Renunciation auch nach Recht nicht praesumiret wird; Ferner der favor matrimonii nicht zu mißbrauchen ist, noch deßwegen Leute wieder Willen zu zwingen seynd, wann allem menschlichen Vermuthen nach nichts anders als eine unglückseelige böse Ehe erfolgen kau, immassen denn, dem angeführten Bericht nach, die Braut es ohnedem hauptsächlich dem Vater zugefallen, ihr Jawort von sich gegeben, nunmehro bey verspürten Betrug ihres Bräutigams das Gemüthe von ihm gewendet; Im übrigen man hier nur in blossen sponsalibus noch bestehet, welche leichter als wann die Ehe bereits vollzogen, zertrennet werden können; So erscheinet daraus so viel, daß wann H. M. daß er von J. W. H. dolose hintergangen worden, nicht weniger daß er sein Versprechen ausdrücklich auf die Condition, wann J. W. H. mehr nicht als 1700. Rthlr. schuldig sey, gegründet habe, erweisen möchte, die getroffenen sponsalia von dem Geistl. Gerichte vor nichtig zu erkären und hinwieder aufzuheben seyn. V. R. W. §. III. Wir wunderten uns aber nicht wenig, als in zwey Monathen drauff nehmlich in Aprill besagten 1697. Jahrs von eben selben Orthe acta zu Verfertigung eines Urtheils an uns geschickt wurden, aus welchen wir ersahen, daß zu der Zeit des von uns begehrten Responsi des Quaerentens Cliente allbereit war verklagt worden, auch wegen seiner Exception Beweiß geführet hatte, und daß schon auf die Unzulänglichkeit des Beweises war erkannt worden, und nichts destoweniger der Quaerente von diesen Umbständen in seiner Frage nicht das geringste erwehnet hat- richte anführet, daß bald anfänglich J. W. H. durch Verschweigung der Wahrheit das Verlöbniß zu erschleichen demühet gewesen, und zu dem Ende nicht nur durch andere seinen Zustand gantz anders als er würcklich gewesen H. M. vorstellen lassen, sondern auch selbst daß er mehr als 1700. Thlr. nicht schuldig sey, betheuerlich versichert, und solchergestalt mediante dolo denselben zu Ertheilung seines Consensus induciret, bewährte Rechts-Lehrer aber dafür halten, auch denen Regeln der gesunden Vernunfft gemäß, daß ein Consensus dolo elicitus auch in causis matrimonialibus niemanden verbinden, noch derjenige so dolose gehandelt, dadurch einigen Vortheil gewinnen könne, es möge nun dolus circa essentialia vel accidentalia conjugii begangen seyn. Hiernechst auch des juris Canonici disposition ihren Abfall gewinnet, wenn ejusmodi bona fortunae ausdrücklich per modum conditionis erfordert worden, und dann dessen Berichte nach H. M. seinen Consens daß er seine Tochter J. W. H. geben wollen, und dieser das Jawort abholen wöge, anderer Gestalt nicht als unter der Bedingung, wenn J. W. H. mehr nicht als 1700. Rhlr. schuldig wäre, ertheilet, auch wenig zur Sache thut daß solche Condition bey dem nachhero angestelltem Verlöbnüß nicht ausdrücklich wiederholet, weil gnug, daß solche niemahls aufgehoben worden, die Renunciation auch nach Recht nicht praesumiret wird; Ferner der favor matrimonii nicht zu mißbrauchen ist, noch deßwegen Leute wieder Willen zu zwingen seynd, wann allem menschlichen Vermuthen nach nichts anders als eine unglückseelige böse Ehe erfolgen kau, immassen denn, dem angeführten Bericht nach, die Braut es ohnedem hauptsächlich dem Vater zugefallen, ihr Jawort von sich gegeben, nunmehro bey verspürten Betrug ihres Bräutigams das Gemüthe von ihm gewendet; Im übrigen man hier nur in blossen sponsalibus noch bestehet, welche leichter als wann die Ehe bereits vollzogen, zertrennet werden können; So erscheinet daraus so viel, daß wann H. M. daß er von J. W. H. dolose hintergangen worden, nicht weniger daß er sein Versprechen ausdrücklich auf die Condition, wann J. W. H. mehr nicht als 1700. Rthlr. schuldig sey, gegründet habe, erweisen möchte, die getroffenen sponsalia von dem Geistl. Gerichte vor nichtig zu erkären und hinwieder aufzuheben seyn. V. R. W. §. III. Wir wunderten uns aber nicht wenig, als in zwey Monathen drauff nehmlich in Aprill besagten 1697. Jahrs von eben selben Orthe acta zu Verfertigung eines Urtheils an uns geschickt wurden, aus welchen wir ersahen, daß zu der Zeit des von uns begehrten Responsi des Quaerentens Cliente allbereit war verklagt worden, auch wegen seiner Exception Beweiß geführet hatte, und daß schon auf die Unzulänglichkeit des Beweises war erkannt worden, und nichts destoweniger der Quaerente von diesen Umbständen in seiner Frage nicht das geringste erwehnet hat- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0348" n="342"/> richte anführet, daß bald anfänglich J. W. H. durch Verschweigung der Wahrheit das Verlöbniß zu erschleichen demühet gewesen, und zu dem Ende nicht nur durch andere seinen Zustand gantz anders als er würcklich gewesen H. M. vorstellen lassen, sondern auch selbst daß er mehr als 1700. Thlr. nicht schuldig sey, betheuerlich versichert, und solchergestalt mediante dolo denselben zu Ertheilung seines Consensus induciret, bewährte Rechts-Lehrer aber dafür halten, auch denen Regeln der gesunden Vernunfft gemäß, daß ein Consensus dolo elicitus auch in causis matrimonialibus niemanden verbinden, noch derjenige so dolose gehandelt, dadurch einigen Vortheil gewinnen könne, es möge nun dolus circa essentialia vel accidentalia conjugii begangen seyn. Hiernechst auch des juris Canonici disposition ihren Abfall gewinnet, wenn ejusmodi bona fortunae ausdrücklich per modum conditionis erfordert worden, und dann dessen Berichte nach H. M. seinen Consens daß er seine Tochter J. W. H. geben wollen, und dieser das Jawort abholen wöge, anderer Gestalt nicht als unter der Bedingung, wenn J. W. H. mehr nicht als 1700. Rhlr. schuldig wäre, ertheilet, auch wenig zur Sache thut daß solche Condition bey dem nachhero angestelltem Verlöbnüß nicht ausdrücklich wiederholet, weil gnug, daß solche niemahls aufgehoben worden, die Renunciation auch nach Recht nicht praesumiret wird; Ferner der favor matrimonii nicht zu mißbrauchen ist, noch deßwegen Leute wieder Willen zu zwingen seynd, wann allem menschlichen Vermuthen nach nichts anders als eine unglückseelige böse Ehe erfolgen kau, immassen denn, dem angeführten Bericht nach, die Braut es ohnedem hauptsächlich dem Vater zugefallen, ihr Jawort von sich gegeben, nunmehro bey verspürten Betrug ihres Bräutigams das Gemüthe von ihm gewendet; Im übrigen man hier nur in blossen sponsalibus noch bestehet, welche leichter als wann die Ehe bereits vollzogen, zertrennet werden können; So erscheinet daraus so viel, daß wann H. M. daß er von J. W. H. dolose hintergangen worden, nicht weniger daß er sein Versprechen ausdrücklich auf die Condition, wann J. W. H. mehr nicht als 1700. Rthlr. schuldig sey, gegründet habe, erweisen möchte, die getroffenen sponsalia von dem Geistl. Gerichte vor nichtig zu erkären und hinwieder aufzuheben seyn. V. R. W.</p> <note place="left">Was in dessen allbereit in <hi rendition="#i">actis</hi> Proceßmäßig fürgegangen.</note> <p>§. III. Wir wunderten uns aber nicht wenig, als in zwey Monathen drauff nehmlich in Aprill besagten 1697. Jahrs von eben selben Orthe acta zu Verfertigung eines Urtheils an uns geschickt wurden, aus welchen wir ersahen, daß zu der Zeit des von uns begehrten Responsi des Quaerentens Cliente allbereit war verklagt worden, auch wegen seiner Exception Beweiß geführet hatte, und daß schon auf die Unzulänglichkeit des Beweises war erkannt worden, und nichts destoweniger der Quaerente von diesen Umbständen in seiner Frage nicht das geringste erwehnet hat- </p> </div> </body> </text> </TEI> [342/0348]
richte anführet, daß bald anfänglich J. W. H. durch Verschweigung der Wahrheit das Verlöbniß zu erschleichen demühet gewesen, und zu dem Ende nicht nur durch andere seinen Zustand gantz anders als er würcklich gewesen H. M. vorstellen lassen, sondern auch selbst daß er mehr als 1700. Thlr. nicht schuldig sey, betheuerlich versichert, und solchergestalt mediante dolo denselben zu Ertheilung seines Consensus induciret, bewährte Rechts-Lehrer aber dafür halten, auch denen Regeln der gesunden Vernunfft gemäß, daß ein Consensus dolo elicitus auch in causis matrimonialibus niemanden verbinden, noch derjenige so dolose gehandelt, dadurch einigen Vortheil gewinnen könne, es möge nun dolus circa essentialia vel accidentalia conjugii begangen seyn. Hiernechst auch des juris Canonici disposition ihren Abfall gewinnet, wenn ejusmodi bona fortunae ausdrücklich per modum conditionis erfordert worden, und dann dessen Berichte nach H. M. seinen Consens daß er seine Tochter J. W. H. geben wollen, und dieser das Jawort abholen wöge, anderer Gestalt nicht als unter der Bedingung, wenn J. W. H. mehr nicht als 1700. Rhlr. schuldig wäre, ertheilet, auch wenig zur Sache thut daß solche Condition bey dem nachhero angestelltem Verlöbnüß nicht ausdrücklich wiederholet, weil gnug, daß solche niemahls aufgehoben worden, die Renunciation auch nach Recht nicht praesumiret wird; Ferner der favor matrimonii nicht zu mißbrauchen ist, noch deßwegen Leute wieder Willen zu zwingen seynd, wann allem menschlichen Vermuthen nach nichts anders als eine unglückseelige böse Ehe erfolgen kau, immassen denn, dem angeführten Bericht nach, die Braut es ohnedem hauptsächlich dem Vater zugefallen, ihr Jawort von sich gegeben, nunmehro bey verspürten Betrug ihres Bräutigams das Gemüthe von ihm gewendet; Im übrigen man hier nur in blossen sponsalibus noch bestehet, welche leichter als wann die Ehe bereits vollzogen, zertrennet werden können; So erscheinet daraus so viel, daß wann H. M. daß er von J. W. H. dolose hintergangen worden, nicht weniger daß er sein Versprechen ausdrücklich auf die Condition, wann J. W. H. mehr nicht als 1700. Rthlr. schuldig sey, gegründet habe, erweisen möchte, die getroffenen sponsalia von dem Geistl. Gerichte vor nichtig zu erkären und hinwieder aufzuheben seyn. V. R. W.
§. III. Wir wunderten uns aber nicht wenig, als in zwey Monathen drauff nehmlich in Aprill besagten 1697. Jahrs von eben selben Orthe acta zu Verfertigung eines Urtheils an uns geschickt wurden, aus welchen wir ersahen, daß zu der Zeit des von uns begehrten Responsi des Quaerentens Cliente allbereit war verklagt worden, auch wegen seiner Exception Beweiß geführet hatte, und daß schon auf die Unzulänglichkeit des Beweises war erkannt worden, und nichts destoweniger der Quaerente von diesen Umbständen in seiner Frage nicht das geringste erwehnet hat-
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/348>, abgerufen am 17.06.2024. |