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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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te GOtt du läsest fleißig in der Bibel, so würdest du diesen verdamten Schertz gewiß unterlassen haben. Erinnerst du dich denn nicht mehr, daß du in deiner Jugend in dem Syrach cap. 40. vers. 1. gelesen: Es ist ein elend jämmerlich Ding um aller Menschen Leben, von Mutter Leibe an, bis sie in die Erde begraben werden, die Unser aller Mutter ist. Hältest du denn den Gottseeligen Syrach auch für einen irrdisch gesinneten Menschen oder terrae filium? Pfui schäme dich ins Hertze hinein, wenn noch ein Fünckgen Scham bey dir ist. Welcher vernünfftiger Mensch wolte nun wohl glauben, daß ein berühmter JCtus solche Sottisen solte geschrieben haben? Und warum verschweigstu seinen Nahmen? Ich bleibe noch dabey, daß ich alle Studiosos für dir warne, daß sie ja sich hütten auch deine Juristische Schrifften zu lesen, und an deren Statt sich des Seeligen Herrn Stryks, als deines Herren Antecessoris seines Usus moderni, auch der Cautelen bey denen Contracten und Testamenten u. s. w. bedienen, da werden sie solche gottlose Gedancken nimmer finden, sondern sich vielmehr eine gottseelige Jurisprudentz angewöhnen.

Beantwortung desselben.

§. IV. Nun kömmt die Reyhe wieder an mich. Ich will mich aber bemühen, ohne Eyffer auf diesen scheinheiligen Eyffer zu antworten: Höre auf mein Freund, und fahre nicht weiter fort in deinen Lästern, denn sonst wirst du dich für der gantzen erbaren Welt, und absonderlich für denen Strykianern auf eusserste prostituiren. Ich habe nichts weniger, auch bey Anführung dieses Orts, gethan, als geschertzet. Ich halte den Syrach viel höher als du und deines gleichen, und pflege ihn nebst denen Sprüchen Salomonis meinen Zuhörern fleißig und zwar dergestalt zu recommendiren, daß sie in diesen beyden Büchern mehr moralische und politische wahre Weißheit, als in dem gantzen Aristotele, Platone, Seneca, Epicuro und in allen heydnischen Philosophen antreffen werden. Ja ich bekenne offenhertzig, daß ich es bey der Formul, wenn man (ausser den Testamenten) seinen Leib der Erde befiehlet, die Unser aller Mutter ist, mehr mit dem Syrach als mit dem berühmten JCto halte, aber daß ich doch deßhalben nicht auf ihn lästern, sondern seine Objection als eine menschliche Schwachheit übersehe, und es nur in diesem Stück mit ihm halte, daß ich es in den Testamenten eine unzeitige und mit dem Mißbrauch Göttlichen Nahmens verknüpffte Formul zu seyn achte, wenn man darinnen seine Seele GOtt und den Leib der Erden zu empfehlen pfleget. Ich habe

te GOtt du läsest fleißig in der Bibel, so würdest du diesen verdamten Schertz gewiß unterlassen haben. Erinnerst du dich denn nicht mehr, daß du in deiner Jugend in dem Syrach cap. 40. vers. 1. gelesen: Es ist ein elend jämmerlich Ding um aller Menschen Leben, von Mutter Leibe an, bis sie in die Erde begraben werden, die Unser aller Mutter ist. Hältest du denn den Gottseeligen Syrach auch für einen irrdisch gesinneten Menschen oder terrae filium? Pfui schäme dich ins Hertze hinein, wenn noch ein Fünckgen Scham bey dir ist. Welcher vernünfftiger Mensch wolte nun wohl glauben, daß ein berühmter JCtus solche Sottisen solte geschrieben haben? Und warum verschweigstu seinen Nahmen? Ich bleibe noch dabey, daß ich alle Studiosos für dir warne, daß sie ja sich hütten auch deine Juristische Schrifften zu lesen, und an deren Statt sich des Seeligen Herrn Stryks, als deines Herren Antecessoris seines Usus moderni, auch der Cautelen bey denen Contracten und Testamenten u. s. w. bedienen, da werden sie solche gottlose Gedancken nimmer finden, sondern sich vielmehr eine gottseelige Jurisprudentz angewöhnen.

Beantwortung desselben.

§. IV. Nun kömmt die Reyhe wieder an mich. Ich will mich aber bemühen, ohne Eyffer auf diesen scheinheiligen Eyffer zu antworten: Höre auf mein Freund, und fahre nicht weiter fort in deinen Lästern, denn sonst wirst du dich für der gantzen erbaren Welt, und absonderlich für denen Strykianern auf eusserste prostituiren. Ich habe nichts weniger, auch bey Anführung dieses Orts, gethan, als geschertzet. Ich halte den Syrach viel höher als du und deines gleichen, und pflege ihn nebst denen Sprüchen Salomonis meinen Zuhörern fleißig und zwar dergestalt zu recommendiren, daß sie in diesen beyden Büchern mehr moralische und politische wahre Weißheit, als in dem gantzen Aristotele, Platone, Seneca, Epicuro und in allen heydnischen Philosophen antreffen werden. Ja ich bekenne offenhertzig, daß ich es bey der Formul, wenn man (ausser den Testamenten) seinen Leib der Erde befiehlet, die Unser aller Mutter ist, mehr mit dem Syrach als mit dem berühmten JCto halte, aber daß ich doch deßhalben nicht auf ihn lästern, sondern seine Objection als eine menschliche Schwachheit übersehe, und es nur in diesem Stück mit ihm halte, daß ich es in den Testamenten eine unzeitige und mit dem Mißbrauch Göttlichen Nahmens verknüpffte Formul zu seyn achte, wenn man darinnen seine Seele GOtt und den Leib der Erden zu empfehlen pfleget. Ich habe

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[306/0314] te GOtt du läsest fleißig in der Bibel, so würdest du diesen verdamten Schertz gewiß unterlassen haben. Erinnerst du dich denn nicht mehr, daß du in deiner Jugend in dem Syrach cap. 40. vers. 1. gelesen: Es ist ein elend jämmerlich Ding um aller Menschen Leben, von Mutter Leibe an, bis sie in die Erde begraben werden, die Unser aller Mutter ist. Hältest du denn den Gottseeligen Syrach auch für einen irrdisch gesinneten Menschen oder terrae filium? Pfui schäme dich ins Hertze hinein, wenn noch ein Fünckgen Scham bey dir ist. Welcher vernünfftiger Mensch wolte nun wohl glauben, daß ein berühmter JCtus solche Sottisen solte geschrieben haben? Und warum verschweigstu seinen Nahmen? Ich bleibe noch dabey, daß ich alle Studiosos für dir warne, daß sie ja sich hütten auch deine Juristische Schrifften zu lesen, und an deren Statt sich des Seeligen Herrn Stryks, als deines Herren Antecessoris seines Usus moderni, auch der Cautelen bey denen Contracten und Testamenten u. s. w. bedienen, da werden sie solche gottlose Gedancken nimmer finden, sondern sich vielmehr eine gottseelige Jurisprudentz angewöhnen. §. IV. Nun kömmt die Reyhe wieder an mich. Ich will mich aber bemühen, ohne Eyffer auf diesen scheinheiligen Eyffer zu antworten: Höre auf mein Freund, und fahre nicht weiter fort in deinen Lästern, denn sonst wirst du dich für der gantzen erbaren Welt, und absonderlich für denen Strykianern auf eusserste prostituiren. Ich habe nichts weniger, auch bey Anführung dieses Orts, gethan, als geschertzet. Ich halte den Syrach viel höher als du und deines gleichen, und pflege ihn nebst denen Sprüchen Salomonis meinen Zuhörern fleißig und zwar dergestalt zu recommendiren, daß sie in diesen beyden Büchern mehr moralische und politische wahre Weißheit, als in dem gantzen Aristotele, Platone, Seneca, Epicuro und in allen heydnischen Philosophen antreffen werden. Ja ich bekenne offenhertzig, daß ich es bey der Formul, wenn man (ausser den Testamenten) seinen Leib der Erde befiehlet, die Unser aller Mutter ist, mehr mit dem Syrach als mit dem berühmten JCto halte, aber daß ich doch deßhalben nicht auf ihn lästern, sondern seine Objection als eine menschliche Schwachheit übersehe, und es nur in diesem Stück mit ihm halte, daß ich es in den Testamenten eine unzeitige und mit dem Mißbrauch Göttlichen Nahmens verknüpffte Formul zu seyn achte, wenn man darinnen seine Seele GOtt und den Leib der Erden zu empfehlen pfleget. Ich habe

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/314>, abgerufen am 25.11.2024.