anhaltender Arbeit gezwungen werden, ist es denn wohl ein Wunder, wenn unter ihnen Krankheiten sehr bald entstehen und sich in Geschwindigkeit ausbreiten? Unter zwanzig Kranken trifft man anfangs kaum einen Matrosen an, sondern nur solche, welche die Seelenverkäufer zu Sol- daten gemacht haben. Diese verabscheuungswürdige Gat- tung von Menschen verursacht daher durch ihre elenden Leute der Compagnie selbst unwidersprechlich großen Scha- den und Verlust. Das leichtste Mittel, diesem allen zu- vorzukommen, wäre meines Dafürhaltens, daß man auf dem Schiffswerfte ein Wirthshaus anlegte, wo Arme, die Lust hätten Dienst zu nehmen, so lange, bis die Schiffe segelfertig würden, Unterhalt bekämen und mit dem Nöthigen ausgerüstet würden, welches sie denn her- nach freylich abverdienen müßten, aber ohne durch das alles einen Bösewicht zu bereichern.
Diebstahl wird auf den Ostindien-Fahrern, wäh- rend sie im Texel liegen, auch in so hohem Grade aus- geübt, als wohl nicht leicht anderswo. Man bricht des Nachts die Laden und Koffer auf, und nimmt alles her- aus, daß die Besitzer manchmahl nicht ein einziges Stück Zeug behalten, als was sie auf dem Leibe tragen. Man stiehlt Hangmatten und Betten, so daß die Leute auf dem nackten Boden liegen müssen. Man nimmt den Leuten, wenn sie schlafen, die Mütze weg, und zieht ihnen die Schuh aus. Ja nicht selten werden den Kranken Hosen und Strümpfe vom Leibe gestohlen. Es ist daher oft der Fall, daß Leute, die schlafen, wenn sie aufwachen, und Kranke, wenn sie genesen, mit bloßem Kopfe, ohne Schuh und Strümpfe, und halb nackt gehen müssen, sollte es auch noch so kalt seyn.
Nun noch ein Paar Worte von der Pflege und Be- handlung der Kranken. So lange die Schiffe im Texel
Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
anhaltender Arbeit gezwungen werden, iſt es denn wohl ein Wunder, wenn unter ihnen Krankheiten ſehr bald entſtehen und ſich in Geſchwindigkeit ausbreiten? Unter zwanzig Kranken trifft man anfangs kaum einen Matroſen an, ſondern nur ſolche, welche die Seelenverkaͤufer zu Sol- daten gemacht haben. Dieſe verabſcheuungswuͤrdige Gat- tung von Menſchen verurſacht daher durch ihre elenden Leute der Compagnie ſelbſt unwiderſprechlich großen Scha- den und Verluſt. Das leichtſte Mittel, dieſem allen zu- vorzukommen, waͤre meines Dafuͤrhaltens, daß man auf dem Schiffswerfte ein Wirthshaus anlegte, wo Arme, die Luſt haͤtten Dienſt zu nehmen, ſo lange, bis die Schiffe ſegelfertig wuͤrden, Unterhalt bekaͤmen und mit dem Noͤthigen ausgeruͤſtet wuͤrden, welches ſie denn her- nach freylich abverdienen muͤßten, aber ohne durch das alles einen Boͤſewicht zu bereichern.
Diebſtahl wird auf den Oſtindien-Fahrern, waͤh- rend ſie im Texel liegen, auch in ſo hohem Grade aus- geuͤbt, als wohl nicht leicht anderswo. Man bricht des Nachts die Laden und Koffer auf, und nimmt alles her- aus, daß die Beſitzer manchmahl nicht ein einziges Stuͤck Zeug behalten, als was ſie auf dem Leibe tragen. Man ſtiehlt Hangmatten und Betten, ſo daß die Leute auf dem nackten Boden liegen muͤſſen. Man nimmt den Leuten, wenn ſie ſchlafen, die Muͤtze weg, und zieht ihnen die Schuh aus. Ja nicht ſelten werden den Kranken Hoſen und Struͤmpfe vom Leibe geſtohlen. Es iſt daher oft der Fall, daß Leute, die ſchlafen, wenn ſie aufwachen, und Kranke, wenn ſie geneſen, mit bloßem Kopfe, ohne Schuh und Struͤmpfe, und halb nackt gehen muͤſſen, ſollte es auch noch ſo kalt ſeyn.
Nun noch ein Paar Worte von der Pflege und Be- handlung der Kranken. So lange die Schiffe im Texel
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Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
anhaltender Arbeit gezwungen werden, iſt es denn wohl
ein Wunder, wenn unter ihnen Krankheiten ſehr bald
entſtehen und ſich in Geſchwindigkeit ausbreiten? Unter
zwanzig Kranken trifft man anfangs kaum einen Matroſen
an, ſondern nur ſolche, welche die Seelenverkaͤufer zu Sol-
daten gemacht haben. Dieſe verabſcheuungswuͤrdige Gat-
tung von Menſchen verurſacht daher durch ihre elenden
Leute der Compagnie ſelbſt unwiderſprechlich großen Scha-
den und Verluſt. Das leichtſte Mittel, dieſem allen zu-
vorzukommen, waͤre meines Dafuͤrhaltens, daß man auf
dem Schiffswerfte ein Wirthshaus anlegte, wo Arme,
die Luſt haͤtten Dienſt zu nehmen, ſo lange, bis die
Schiffe ſegelfertig wuͤrden, Unterhalt bekaͤmen und mit
dem Noͤthigen ausgeruͤſtet wuͤrden, welches ſie denn her-
nach freylich abverdienen muͤßten, aber ohne durch das
alles einen Boͤſewicht zu bereichern.
Diebſtahl wird auf den Oſtindien-Fahrern, waͤh-
rend ſie im Texel liegen, auch in ſo hohem Grade aus-
geuͤbt, als wohl nicht leicht anderswo. Man bricht des
Nachts die Laden und Koffer auf, und nimmt alles her-
aus, daß die Beſitzer manchmahl nicht ein einziges Stuͤck
Zeug behalten, als was ſie auf dem Leibe tragen. Man
ſtiehlt Hangmatten und Betten, ſo daß die Leute auf dem
nackten Boden liegen muͤſſen. Man nimmt den Leuten,
wenn ſie ſchlafen, die Muͤtze weg, und zieht ihnen die
Schuh aus. Ja nicht ſelten werden den Kranken Hoſen
und Struͤmpfe vom Leibe geſtohlen. Es iſt daher oft der
Fall, daß Leute, die ſchlafen, wenn ſie aufwachen, und
Kranke, wenn ſie geneſen, mit bloßem Kopfe, ohne
Schuh und Struͤmpfe, und halb nackt gehen muͤſſen,
ſollte es auch noch ſo kalt ſeyn.
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/103>, abgerufen am 16.07.2024.
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