Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Reise von Holland nach dem Vorgebirge etc.
denen Kranken ein hartnäckiges Erbrechen, bey andern
einen eben so hartnäckigen Durchlauf. In den bösarti-
gen Fiebern raseten die Kranken häufig. Bey einigen we-
nigen stellte sich ein sogenannter unschädlicher Wahnsinn
(delirium innocuum) ein, während dessen sie vier und
zwanzig Stunden hindurch fast beständig sangen, ehe
sie starben.

Um den Krankheiten auf der Reise vorzubeugen,
war verordnet, daß die Luftpumpen stets im Gange seyn
sollten; daß genau Acht gegeben würde, daß die, welche
das Saufen liebten, nicht am Tage schliefen, und des
Nachts söffen; daß beständig ein Segel vom großen Ma-
ste in die große Oeffnung des Schiffs herabhinge, um
frische Luft ins Schiff hinunter zu bringen; daß bey gu-
tem Wetter die Leute sich auf dem Verdecke aufhalten soll-
ten; daß alsdann auch die Laden und Kisten, imgleichen
die Hangmatten heraufgebracht, und ausgeluftet, das
Schiff aber mittlerweile rein gemacht, mit Wachholder-
beeren und angezündetem Schießpulver durchräuchert und
mit Essig besprengt werden sollte. Außerdem wurden
die Leute nicht nur angehalten, sich oft zu waschen
und zu reinigen, Kleidung und Hemde oft zu trock-
nen und zu wechseln, sondern auch sich auf allerhand Art
zu belustigen.

Man nimmt auf den Schiffen so viele Kranken-
wärter an, als nöthig sind, um der Kranken zu pflegen,
sie mit Essen und Trinken zu bedienen, ihnen die Arzney
einzugeben, ihnen aus und in die Hangmatten zu helfen,
und dahin zu sehen, daß die Genesenden sich auf dem
Verdecke in frischer Luft aufhalten.

Der Doctor oder erste Chirurgus besucht die Kran-
ken täglich zweymahl, des Morgens um acht, und des

Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
denen Kranken ein hartnaͤckiges Erbrechen, bey andern
einen eben ſo hartnaͤckigen Durchlauf. In den boͤsarti-
gen Fiebern raſeten die Kranken haͤufig. Bey einigen we-
nigen ſtellte ſich ein ſogenannter unſchaͤdlicher Wahnſinn
(delirium innocuum) ein, waͤhrend deſſen ſie vier und
zwanzig Stunden hindurch faſt beſtaͤndig ſangen, ehe
ſie ſtarben.

Um den Krankheiten auf der Reiſe vorzubeugen,
war verordnet, daß die Luftpumpen ſtets im Gange ſeyn
ſollten; daß genau Acht gegeben wuͤrde, daß die, welche
das Saufen liebten, nicht am Tage ſchliefen, und des
Nachts ſoͤffen; daß beſtaͤndig ein Segel vom großen Ma-
ſte in die große Oeffnung des Schiffs herabhinge, um
friſche Luft ins Schiff hinunter zu bringen; daß bey gu-
tem Wetter die Leute ſich auf dem Verdecke aufhalten ſoll-
ten; daß alsdann auch die Laden und Kiſten, imgleichen
die Hangmatten heraufgebracht, und ausgeluftet, das
Schiff aber mittlerweile rein gemacht, mit Wachholder-
beeren und angezuͤndetem Schießpulver durchraͤuchert und
mit Eſſig beſprengt werden ſollte. Außerdem wurden
die Leute nicht nur angehalten, ſich oft zu waſchen
und zu reinigen, Kleidung und Hemde oft zu trock-
nen und zu wechſeln, ſondern auch ſich auf allerhand Art
zu beluſtigen.

Man nimmt auf den Schiffen ſo viele Kranken-
waͤrter an, als noͤthig ſind, um der Kranken zu pflegen,
ſie mit Eſſen und Trinken zu bedienen, ihnen die Arzney
einzugeben, ihnen aus und in die Hangmatten zu helfen,
und dahin zu ſehen, daß die Geneſenden ſich auf dem
Verdecke in friſcher Luft aufhalten.

Der Doctor oder erſte Chirurgus beſucht die Kran-
ken taͤglich zweymahl, des Morgens um acht, und des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0117" n="89"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Rei&#x017F;e von <placeName>Holland</placeName> nach dem Vorgebirge &#xA75B;c.</hi></fw><lb/>
denen Kranken ein hartna&#x0364;ckiges Erbrechen, bey andern<lb/>
einen eben &#x017F;o hartna&#x0364;ckigen Durchlauf. In den bo&#x0364;sarti-<lb/>
gen Fiebern ra&#x017F;eten die Kranken ha&#x0364;ufig. Bey einigen we-<lb/>
nigen &#x017F;tellte &#x017F;ich ein &#x017F;ogenannter un&#x017F;cha&#x0364;dlicher Wahn&#x017F;inn<lb/>
(<hi rendition="#aq">delirium innocuum</hi>) ein, wa&#x0364;hrend de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie vier und<lb/>
zwanzig Stunden hindurch fa&#x017F;t be&#x017F;ta&#x0364;ndig &#x017F;angen, ehe<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;tarben.</p><lb/>
          <p>Um den Krankheiten auf der Rei&#x017F;e vorzubeugen,<lb/>
war verordnet, daß die Luftpumpen &#x017F;tets im Gange &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;ollten; daß genau Acht gegeben wu&#x0364;rde, daß die, welche<lb/>
das Saufen liebten, nicht am Tage &#x017F;chliefen, und des<lb/>
Nachts &#x017F;o&#x0364;ffen; daß be&#x017F;ta&#x0364;ndig ein Segel vom großen Ma-<lb/>
&#x017F;te in die große Oeffnung des Schiffs herabhinge, um<lb/>
fri&#x017F;che Luft ins Schiff hinunter zu bringen; daß bey gu-<lb/>
tem Wetter die Leute &#x017F;ich auf dem Verdecke aufhalten &#x017F;oll-<lb/>
ten; daß alsdann auch die Laden und Ki&#x017F;ten, imgleichen<lb/>
die Hangmatten heraufgebracht, und ausgeluftet, das<lb/>
Schiff aber mittlerweile rein gemacht, mit Wachholder-<lb/>
beeren und angezu&#x0364;ndetem Schießpulver durchra&#x0364;uchert und<lb/>
mit E&#x017F;&#x017F;ig be&#x017F;prengt werden &#x017F;ollte. Außerdem wurden<lb/>
die Leute nicht nur angehalten, &#x017F;ich oft zu wa&#x017F;chen<lb/>
und zu reinigen, Kleidung und Hemde oft zu trock-<lb/>
nen und zu wech&#x017F;eln, &#x017F;ondern auch &#x017F;ich auf allerhand Art<lb/>
zu belu&#x017F;tigen.</p><lb/>
          <p>Man nimmt auf den Schiffen &#x017F;o viele Kranken-<lb/>
wa&#x0364;rter an, als no&#x0364;thig &#x017F;ind, um der Kranken zu pflegen,<lb/>
&#x017F;ie mit E&#x017F;&#x017F;en und Trinken zu bedienen, ihnen die Arzney<lb/>
einzugeben, ihnen aus und in die Hangmatten zu helfen,<lb/>
und dahin zu &#x017F;ehen, daß die Gene&#x017F;enden &#x017F;ich auf dem<lb/>
Verdecke in fri&#x017F;cher Luft aufhalten.</p><lb/>
          <p>Der Doctor oder er&#x017F;te Chirurgus be&#x017F;ucht die Kran-<lb/>
ken ta&#x0364;glich zweymahl, des Morgens um acht, und des<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0117] Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc. denen Kranken ein hartnaͤckiges Erbrechen, bey andern einen eben ſo hartnaͤckigen Durchlauf. In den boͤsarti- gen Fiebern raſeten die Kranken haͤufig. Bey einigen we- nigen ſtellte ſich ein ſogenannter unſchaͤdlicher Wahnſinn (delirium innocuum) ein, waͤhrend deſſen ſie vier und zwanzig Stunden hindurch faſt beſtaͤndig ſangen, ehe ſie ſtarben. Um den Krankheiten auf der Reiſe vorzubeugen, war verordnet, daß die Luftpumpen ſtets im Gange ſeyn ſollten; daß genau Acht gegeben wuͤrde, daß die, welche das Saufen liebten, nicht am Tage ſchliefen, und des Nachts ſoͤffen; daß beſtaͤndig ein Segel vom großen Ma- ſte in die große Oeffnung des Schiffs herabhinge, um friſche Luft ins Schiff hinunter zu bringen; daß bey gu- tem Wetter die Leute ſich auf dem Verdecke aufhalten ſoll- ten; daß alsdann auch die Laden und Kiſten, imgleichen die Hangmatten heraufgebracht, und ausgeluftet, das Schiff aber mittlerweile rein gemacht, mit Wachholder- beeren und angezuͤndetem Schießpulver durchraͤuchert und mit Eſſig beſprengt werden ſollte. Außerdem wurden die Leute nicht nur angehalten, ſich oft zu waſchen und zu reinigen, Kleidung und Hemde oft zu trock- nen und zu wechſeln, ſondern auch ſich auf allerhand Art zu beluſtigen. Man nimmt auf den Schiffen ſo viele Kranken- waͤrter an, als noͤthig ſind, um der Kranken zu pflegen, ſie mit Eſſen und Trinken zu bedienen, ihnen die Arzney einzugeben, ihnen aus und in die Hangmatten zu helfen, und dahin zu ſehen, daß die Geneſenden ſich auf dem Verdecke in friſcher Luft aufhalten. Der Doctor oder erſte Chirurgus beſucht die Kran- ken taͤglich zweymahl, des Morgens um acht, und des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/117
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/117>, abgerufen am 18.05.2024.