In Ansehung der Heirathen findet hier eine besondre Einrichtung Statt. Weder Bürger noch Landleute dür- fen heirathen, ehe sie die Einwilligung dazu vom Gou- verneur erhalten haben. Um diesen Consens wird ge- wöhnlich des Donnerstags angehalten; und sobald er ausgefertigt ist, wird dem Freywerber eine sogenannte Ordonnance gegeben, welche der Bräutigam in Gegen- wart der Braut am Sonnabend beym Justiz-Rathe ein- giebt. Dieser untersucht genau, ob die Verlobten zu nahe mit einander verwandt sind, oder nicht, und giebt, wenn sich das letztere ausweiset, zu der Heirath seine Ge- nehmigung, und die Erlaubniß, sich an drey nach ein- ander folgenden Sonntagen von der Kanzel aufbiethen zu lassen. Wenn daher die Landleute heirathen wollen, müssen sie zu der Zeit, da sie ihre jährliche Reise nach der Stadt machen, um ihre Waaren zu verkaufen, und ihre Abgaben zu entrichten, zugleich Hochzeit machen und sich in der Landkirche, wo sie eingepfarret sind, trauen lassen. Sollte der Gouverneur auch jemand die Einwilligung zur Heirath versagen, so kann er doch den Contrahenten nicht wehren, bey einander zu woh- nen. Dies geschieht manchmahl, und alsdann sind die Leute gemeiniglich gezwungen, mit der Trauung so lange zu warten, bis ein neuer Gouverneur kommt, der denn seine Einwilligung gern zu geben pflegt. Bisweilen trägt es sich auch wohl zu, daß die Braut sich an den Justiz-Rath wendet, und man hat Fälle, daß dieser sich veranlaßt gesehen hat, den Ausspruch für die förmliche Vollziehung der Ehe zu thun. Steht aber der Bräuti- gam im Dienste der Compagnie, so kann ihm das Un- glück begegnen, daß ihn der Gouverneur vom Cap weg- nimmt und nach einem andern Platze in Ostindien schickt. Die Mädchen pflegen sich hier zu Lande früh zu verhei-
Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
In Anſehung der Heirathen findet hier eine beſondre Einrichtung Statt. Weder Buͤrger noch Landleute duͤr- fen heirathen, ehe ſie die Einwilligung dazu vom Gou- verneur erhalten haben. Um dieſen Conſens wird ge- woͤhnlich des Donnerſtags angehalten; und ſobald er ausgefertigt iſt, wird dem Freywerber eine ſogenannte Ordonnance gegeben, welche der Braͤutigam in Gegen- wart der Braut am Sonnabend beym Juſtiz-Rathe ein- giebt. Dieſer unterſucht genau, ob die Verlobten zu nahe mit einander verwandt ſind, oder nicht, und giebt, wenn ſich das letztere ausweiſet, zu der Heirath ſeine Ge- nehmigung, und die Erlaubniß, ſich an drey nach ein- ander folgenden Sonntagen von der Kanzel aufbiethen zu laſſen. Wenn daher die Landleute heirathen wollen, muͤſſen ſie zu der Zeit, da ſie ihre jaͤhrliche Reiſe nach der Stadt machen, um ihre Waaren zu verkaufen, und ihre Abgaben zu entrichten, zugleich Hochzeit machen und ſich in der Landkirche, wo ſie eingepfarret ſind, trauen laſſen. Sollte der Gouverneur auch jemand die Einwilligung zur Heirath verſagen, ſo kann er doch den Contrahenten nicht wehren, bey einander zu woh- nen. Dies geſchieht manchmahl, und alsdann ſind die Leute gemeiniglich gezwungen, mit der Trauung ſo lange zu warten, bis ein neuer Gouverneur kommt, der denn ſeine Einwilligung gern zu geben pflegt. Bisweilen traͤgt es ſich auch wohl zu, daß die Braut ſich an den Juſtiz-Rath wendet, und man hat Faͤlle, daß dieſer ſich veranlaßt geſehen hat, den Ausſpruch fuͤr die foͤrmliche Vollziehung der Ehe zu thun. Steht aber der Braͤuti- gam im Dienſte der Compagnie, ſo kann ihm das Un- gluͤck begegnen, daß ihn der Gouverneur vom Cap weg- nimmt und nach einem andern Platze in Oſtindien ſchickt. Die Maͤdchen pflegen ſich hier zu Lande fruͤh zu verhei-
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Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
In Anſehung der Heirathen findet hier eine beſondre
Einrichtung Statt. Weder Buͤrger noch Landleute duͤr-
fen heirathen, ehe ſie die Einwilligung dazu vom Gou-
verneur erhalten haben. Um dieſen Conſens wird ge-
woͤhnlich des Donnerſtags angehalten; und ſobald er
ausgefertigt iſt, wird dem Freywerber eine ſogenannte
Ordonnance gegeben, welche der Braͤutigam in Gegen-
wart der Braut am Sonnabend beym Juſtiz-Rathe ein-
giebt. Dieſer unterſucht genau, ob die Verlobten zu
nahe mit einander verwandt ſind, oder nicht, und giebt,
wenn ſich das letztere ausweiſet, zu der Heirath ſeine Ge-
nehmigung, und die Erlaubniß, ſich an drey nach ein-
ander folgenden Sonntagen von der Kanzel aufbiethen
zu laſſen. Wenn daher die Landleute heirathen wollen,
muͤſſen ſie zu der Zeit, da ſie ihre jaͤhrliche Reiſe nach
der Stadt machen, um ihre Waaren zu verkaufen, und
ihre Abgaben zu entrichten, zugleich Hochzeit machen
und ſich in der Landkirche, wo ſie eingepfarret ſind,
trauen laſſen. Sollte der Gouverneur auch jemand
die Einwilligung zur Heirath verſagen, ſo kann er doch
den Contrahenten nicht wehren, bey einander zu woh-
nen. Dies geſchieht manchmahl, und alsdann ſind die
Leute gemeiniglich gezwungen, mit der Trauung ſo lange
zu warten, bis ein neuer Gouverneur kommt, der denn
ſeine Einwilligung gern zu geben pflegt. Bisweilen
traͤgt es ſich auch wohl zu, daß die Braut ſich an den
Juſtiz-Rath wendet, und man hat Faͤlle, daß dieſer ſich
veranlaßt geſehen hat, den Ausſpruch fuͤr die foͤrmliche
Vollziehung der Ehe zu thun. Steht aber der Braͤuti-
gam im Dienſte der Compagnie, ſo kann ihm das Un-
gluͤck begegnen, daß ihn der Gouverneur vom Cap weg-
nimmt und nach einem andern Platze in Oſtindien ſchickt.
Die Maͤdchen pflegen ſich hier zu Lande fruͤh zu verhei-
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/256>, abgerufen am 26.11.2024.
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