Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
Reise von Cap nach Zwellendam.

Die Kolonisten in diesem Distrikte halten zu ihrer
Feld- und Wirthschaftsarbeit keine andre Leute, als leib-
eigne Sklaven. Diese werden in solchen Dingen, die
ihre Arbeit und ihren Dienst betreffen, von ihrem Herrn
selbst, bey begangnen Verbrechen aber von den unter dem
Land-Drosten stehenden Gerichtsbeamten bestraft. Gern
läßt der Herr dies letztere nicht geschehen; denn wenn
Kolonisten ihre Sklaven, es sey um grober Vergehungen,
oder um unverbesserlicher Liederlichkeit, Faulheit und
Nachlässigkeit willen bey der Obrigkeit verklagen, trägt
es sich bisweilen zu, daß wenn der Sklave dem Richter
gefällt, der Besitzer, er mag wollen oder nicht, genö-
thigt wird, ihn demselben zu verkaufen.

Hierauf besuchten wir den berühmten Jakob Bota.
Dieser Mann war jetzt ein und achtzig Jahr alt, und
von seinen eignen Abkömmlingen lebten dermahlen, seine
zwölf Söhne mitgerechnet, hundert und neunzig Perso-
nen. Indessen ist es doch nicht dieser, obgleich sonst sehr
merkwürdige Umstand, der seinen Nahmen so weit aus-
gebreitet hat. Denn in diesen Kolonien heirathen die
Leute sehr früh, sind gesund und stark, und zeugen viele
Kinder, von denen nur sehr wenige sterben; die starke
Vermehrung der Menschen, und eine Menge Nachkom-
men am Leben zu sehen, ist daher hier etwas so sehr selt-
nes nicht. Es ist vielmehr ein unglücklicher Vorfall auf
einem seiner Jagdzüge, der ihn so allgemein bekannt ge-
macht hat. In seinem ein und vierzigsten Jahre schoß
er in einem dicken Gebüsche einen Löwen, der sogleich stürz-
te; konnte aber nicht bemerken, daß da zwey dieser Thie-
re bey einander waren. Der andre Löwe rannte augen-
blicklich auf ihn los, ehe er so weit kommen konnte, aufs
neue zu laden. Er verwundete ihn nicht nur mit seinen
großen und scharfen Klauen so, daß er in Ohnmacht

Thunbergs Reise. 1. Bandes 2. Theil. C
Reiſe von Cap nach Zwellendam.

Die Koloniſten in dieſem Diſtrikte halten zu ihrer
Feld- und Wirthſchaftsarbeit keine andre Leute, als leib-
eigne Sklaven. Dieſe werden in ſolchen Dingen, die
ihre Arbeit und ihren Dienſt betreffen, von ihrem Herrn
ſelbſt, bey begangnen Verbrechen aber von den unter dem
Land-Droſten ſtehenden Gerichtsbeamten beſtraft. Gern
laͤßt der Herr dies letztere nicht geſchehen; denn wenn
Koloniſten ihre Sklaven, es ſey um grober Vergehungen,
oder um unverbeſſerlicher Liederlichkeit, Faulheit und
Nachlaͤſſigkeit willen bey der Obrigkeit verklagen, traͤgt
es ſich bisweilen zu, daß wenn der Sklave dem Richter
gefaͤllt, der Beſitzer, er mag wollen oder nicht, genoͤ-
thigt wird, ihn demſelben zu verkaufen.

Hierauf beſuchten wir den beruͤhmten Jakob Bota.
Dieſer Mann war jetzt ein und achtzig Jahr alt, und
von ſeinen eignen Abkoͤmmlingen lebten dermahlen, ſeine
zwoͤlf Soͤhne mitgerechnet, hundert und neunzig Perſo-
nen. Indeſſen iſt es doch nicht dieſer, obgleich ſonſt ſehr
merkwuͤrdige Umſtand, der ſeinen Nahmen ſo weit aus-
gebreitet hat. Denn in dieſen Kolonien heirathen die
Leute ſehr fruͤh, ſind geſund und ſtark, und zeugen viele
Kinder, von denen nur ſehr wenige ſterben; die ſtarke
Vermehrung der Menſchen, und eine Menge Nachkom-
men am Leben zu ſehen, iſt daher hier etwas ſo ſehr ſelt-
nes nicht. Es iſt vielmehr ein ungluͤcklicher Vorfall auf
einem ſeiner Jagdzuͤge, der ihn ſo allgemein bekannt ge-
macht hat. In ſeinem ein und vierzigſten Jahre ſchoß
er in einem dicken Gebuͤſche einen Loͤwen, der ſogleich ſtuͤrz-
te; konnte aber nicht bemerken, daß da zwey dieſer Thie-
re bey einander waren. Der andre Loͤwe rannte augen-
blicklich auf ihn los, ehe er ſo weit kommen konnte, aufs
neue zu laden. Er verwundete ihn nicht nur mit ſeinen
großen und ſcharfen Klauen ſo, daß er in Ohnmacht

Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <pb facs="#f0371" n="33"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Rei&#x017F;e von <placeName>Cap</placeName> nach <placeName>Zwellendam</placeName>.</hi> </fw><lb/>
          <p>Die Koloni&#x017F;ten in die&#x017F;em Di&#x017F;trikte halten zu ihrer<lb/>
Feld- und Wirth&#x017F;chaftsarbeit keine andre Leute, als leib-<lb/>
eigne Sklaven. Die&#x017F;e werden in &#x017F;olchen Dingen, die<lb/>
ihre Arbeit und ihren Dien&#x017F;t betreffen, von ihrem Herrn<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, bey begangnen Verbrechen aber von den unter dem<lb/>
Land-Dro&#x017F;ten &#x017F;tehenden Gerichtsbeamten be&#x017F;traft. Gern<lb/>
la&#x0364;ßt der Herr dies letztere nicht ge&#x017F;chehen; denn wenn<lb/>
Koloni&#x017F;ten ihre Sklaven, es &#x017F;ey um grober Vergehungen,<lb/>
oder um unverbe&#x017F;&#x017F;erlicher Liederlichkeit, Faulheit und<lb/>
Nachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit willen bey der Obrigkeit verklagen, tra&#x0364;gt<lb/>
es &#x017F;ich bisweilen zu, daß wenn der Sklave dem Richter<lb/>
gefa&#x0364;llt, der Be&#x017F;itzer, er mag wollen oder nicht, geno&#x0364;-<lb/>
thigt wird, ihn dem&#x017F;elben zu verkaufen.</p><lb/>
          <p>Hierauf be&#x017F;uchten wir den beru&#x0364;hmten <persName>Jakob Bota</persName>.<lb/>
Die&#x017F;er Mann war jetzt ein und achtzig Jahr alt, und<lb/>
von &#x017F;einen eignen Abko&#x0364;mmlingen lebten dermahlen, &#x017F;eine<lb/>
zwo&#x0364;lf So&#x0364;hne mitgerechnet, hundert und neunzig Per&#x017F;o-<lb/>
nen. Inde&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t es doch nicht die&#x017F;er, obgleich &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ehr<lb/>
merkwu&#x0364;rdige Um&#x017F;tand, der &#x017F;einen Nahmen &#x017F;o weit aus-<lb/>
gebreitet hat. Denn in die&#x017F;en Kolonien heirathen die<lb/>
Leute &#x017F;ehr fru&#x0364;h, &#x017F;ind ge&#x017F;und und &#x017F;tark, und zeugen viele<lb/>
Kinder, von denen nur &#x017F;ehr wenige &#x017F;terben; die &#x017F;tarke<lb/>
Vermehrung der Men&#x017F;chen, und eine Menge Nachkom-<lb/>
men am Leben zu &#x017F;ehen, i&#x017F;t daher hier etwas &#x017F;o &#x017F;ehr &#x017F;elt-<lb/>
nes nicht. Es i&#x017F;t vielmehr ein unglu&#x0364;cklicher Vorfall auf<lb/>
einem &#x017F;einer Jagdzu&#x0364;ge, der ihn &#x017F;o allgemein bekannt ge-<lb/>
macht hat. In &#x017F;einem ein und vierzig&#x017F;ten Jahre &#x017F;choß<lb/>
er in einem dicken Gebu&#x0364;&#x017F;che einen Lo&#x0364;wen, der &#x017F;ogleich &#x017F;tu&#x0364;rz-<lb/>
te; konnte aber nicht bemerken, daß da zwey die&#x017F;er Thie-<lb/>
re bey einander waren. Der andre Lo&#x0364;we rannte augen-<lb/>
blicklich auf ihn los, ehe er &#x017F;o weit kommen konnte, aufs<lb/>
neue zu laden. Er verwundete ihn nicht nur mit &#x017F;einen<lb/>
großen und &#x017F;charfen Klauen &#x017F;o, daß er in Ohnmacht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g"><persName>Thunbergs</persName></hi> Rei&#x017F;e. 1. Bandes 2. Theil. C</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0371] Reiſe von Cap nach Zwellendam. Die Koloniſten in dieſem Diſtrikte halten zu ihrer Feld- und Wirthſchaftsarbeit keine andre Leute, als leib- eigne Sklaven. Dieſe werden in ſolchen Dingen, die ihre Arbeit und ihren Dienſt betreffen, von ihrem Herrn ſelbſt, bey begangnen Verbrechen aber von den unter dem Land-Droſten ſtehenden Gerichtsbeamten beſtraft. Gern laͤßt der Herr dies letztere nicht geſchehen; denn wenn Koloniſten ihre Sklaven, es ſey um grober Vergehungen, oder um unverbeſſerlicher Liederlichkeit, Faulheit und Nachlaͤſſigkeit willen bey der Obrigkeit verklagen, traͤgt es ſich bisweilen zu, daß wenn der Sklave dem Richter gefaͤllt, der Beſitzer, er mag wollen oder nicht, genoͤ- thigt wird, ihn demſelben zu verkaufen. Hierauf beſuchten wir den beruͤhmten Jakob Bota. Dieſer Mann war jetzt ein und achtzig Jahr alt, und von ſeinen eignen Abkoͤmmlingen lebten dermahlen, ſeine zwoͤlf Soͤhne mitgerechnet, hundert und neunzig Perſo- nen. Indeſſen iſt es doch nicht dieſer, obgleich ſonſt ſehr merkwuͤrdige Umſtand, der ſeinen Nahmen ſo weit aus- gebreitet hat. Denn in dieſen Kolonien heirathen die Leute ſehr fruͤh, ſind geſund und ſtark, und zeugen viele Kinder, von denen nur ſehr wenige ſterben; die ſtarke Vermehrung der Menſchen, und eine Menge Nachkom- men am Leben zu ſehen, iſt daher hier etwas ſo ſehr ſelt- nes nicht. Es iſt vielmehr ein ungluͤcklicher Vorfall auf einem ſeiner Jagdzuͤge, der ihn ſo allgemein bekannt ge- macht hat. In ſeinem ein und vierzigſten Jahre ſchoß er in einem dicken Gebuͤſche einen Loͤwen, der ſogleich ſtuͤrz- te; konnte aber nicht bemerken, daß da zwey dieſer Thie- re bey einander waren. Der andre Loͤwe rannte augen- blicklich auf ihn los, ehe er ſo weit kommen konnte, aufs neue zu laden. Er verwundete ihn nicht nur mit ſeinen großen und ſcharfen Klauen ſo, daß er in Ohnmacht Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/371
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/371>, abgerufen am 02.06.2024.