Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Erste Abtheilung. Dritter Abschnitt.
ich auf meiner vorigen Reise, Gelegenheit gehabt, seine
Wuth, Gewalt und fürchterliche Stärke zu erfahren,
Schrecken und Entsetzen einjagen können. Weil wir
aber die Art der Büffel bereits kannten, und wußten,
daß sie auf freyem Felde nicht leicht jemand angreifen,
fürchteten wir uns gar nicht, weder vor ihrer Stärke noch
Menge. Um sie indessen nicht scheu zu machen, blie-
ben wir eine Weile ganz still stehen, bis sie wieder an-
fingen, die Köpfe zur Erde zu strecken und zu fressen.
Nun näherten wir uns ihnen mit schnellen Schritten,
bis wir ihnen auf einen Abstand von funfzig Schritten
nahe gekommen waren. Unsrer waren drey Europäer
und eben so viele im Schießen geübte Hottentotten, die
Büchsen bey sich hatten; die übrigen Hottentotten wa-
ren mit ihren Wurfspießen bewaffnet. Jetzt sah wie-
der die ganze Schar Ochsen auf einmahl in die Höhe,
wandte sich gegen uns und sah uns munter und uner-
schrocken an. Wir fanden, daß es Zeit sey anzulegen,
und gaben alle zugleich Feuer. Kaum waren die Schüsse
abgebrannt, als der ganze so starke und sonst so herzhafte
Haufe, durch das Feuer und den Knall erschreckt, um-
kehrte, davon lief und in den Wald rannte: ein in sei-
ner Art unvergleichlicher Anblick. Die verwundeten
Büffel trennten sich von den übrigen, und konnten zum
Theil nicht mitkommen, zum Theil nahmen sie einen an-
dern Weg. Unter diesen war ein alter Bulle, der gerade
nach der Seite zulief, wo wir standen, so daß wir ge-
zwungen waren, Reißaus zu nehmen, um seiner Wuth
zu entgehen. Es ist zwar nicht möglich, daß ein Mensch,
wenn er auch noch so geschwind laufen kann, diesen Thie-
ren durch Laufen entkommt; man kann sich aber doch
hinlänglich vor ihnen retten, so lange man offnes und
ebnes Feld hat; denn da sie im Verhältnisse zu ihrem

Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
ich auf meiner vorigen Reiſe, Gelegenheit gehabt, ſeine
Wuth, Gewalt und fuͤrchterliche Staͤrke zu erfahren,
Schrecken und Entſetzen einjagen koͤnnen. Weil wir
aber die Art der Buͤffel bereits kannten, und wußten,
daß ſie auf freyem Felde nicht leicht jemand angreifen,
fuͤrchteten wir uns gar nicht, weder vor ihrer Staͤrke noch
Menge. Um ſie indeſſen nicht ſcheu zu machen, blie-
ben wir eine Weile ganz ſtill ſtehen, bis ſie wieder an-
fingen, die Koͤpfe zur Erde zu ſtrecken und zu freſſen.
Nun naͤherten wir uns ihnen mit ſchnellen Schritten,
bis wir ihnen auf einen Abſtand von funfzig Schritten
nahe gekommen waren. Unſrer waren drey Europaͤer
und eben ſo viele im Schießen geuͤbte Hottentotten, die
Buͤchſen bey ſich hatten; die uͤbrigen Hottentotten wa-
ren mit ihren Wurfſpießen bewaffnet. Jetzt ſah wie-
der die ganze Schar Ochſen auf einmahl in die Hoͤhe,
wandte ſich gegen uns und ſah uns munter und uner-
ſchrocken an. Wir fanden, daß es Zeit ſey anzulegen,
und gaben alle zugleich Feuer. Kaum waren die Schuͤſſe
abgebrannt, als der ganze ſo ſtarke und ſonſt ſo herzhafte
Haufe, durch das Feuer und den Knall erſchreckt, um-
kehrte, davon lief und in den Wald rannte: ein in ſei-
ner Art unvergleichlicher Anblick. Die verwundeten
Buͤffel trennten ſich von den uͤbrigen, und konnten zum
Theil nicht mitkommen, zum Theil nahmen ſie einen an-
dern Weg. Unter dieſen war ein alter Bulle, der gerade
nach der Seite zulief, wo wir ſtanden, ſo daß wir ge-
zwungen waren, Reißaus zu nehmen, um ſeiner Wuth
zu entgehen. Es iſt zwar nicht moͤglich, daß ein Menſch,
wenn er auch noch ſo geſchwind laufen kann, dieſen Thie-
ren durch Laufen entkommt; man kann ſich aber doch
hinlaͤnglich vor ihnen retten, ſo lange man offnes und
ebnes Feld hat; denn da ſie im Verhaͤltniſſe zu ihrem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0412" n="74"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;te Abtheilung. Dritter Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
ich auf meiner vorigen Rei&#x017F;e, Gelegenheit gehabt, &#x017F;eine<lb/>
Wuth, Gewalt und fu&#x0364;rchterliche Sta&#x0364;rke zu erfahren,<lb/>
Schrecken und Ent&#x017F;etzen einjagen ko&#x0364;nnen. Weil wir<lb/>
aber die Art der Bu&#x0364;ffel bereits kannten, und wußten,<lb/>
daß &#x017F;ie auf freyem Felde nicht leicht jemand angreifen,<lb/>
fu&#x0364;rchteten wir uns gar nicht, weder vor ihrer Sta&#x0364;rke noch<lb/>
Menge. Um &#x017F;ie inde&#x017F;&#x017F;en nicht &#x017F;cheu zu machen, blie-<lb/>
ben wir eine Weile ganz &#x017F;till &#x017F;tehen, bis &#x017F;ie wieder an-<lb/>
fingen, die Ko&#x0364;pfe zur Erde zu &#x017F;trecken und zu fre&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Nun na&#x0364;herten wir uns ihnen mit &#x017F;chnellen Schritten,<lb/>
bis wir ihnen auf einen Ab&#x017F;tand von funfzig Schritten<lb/>
nahe gekommen waren. Un&#x017F;rer waren drey Europa&#x0364;er<lb/>
und eben &#x017F;o viele im Schießen geu&#x0364;bte Hottentotten, die<lb/>
Bu&#x0364;ch&#x017F;en bey &#x017F;ich hatten; die u&#x0364;brigen Hottentotten wa-<lb/>
ren mit ihren Wurf&#x017F;pießen bewaffnet. Jetzt &#x017F;ah wie-<lb/>
der die ganze Schar Och&#x017F;en auf einmahl in die Ho&#x0364;he,<lb/>
wandte &#x017F;ich gegen uns und &#x017F;ah uns munter und uner-<lb/>
&#x017F;chrocken an. Wir fanden, daß es Zeit &#x017F;ey anzulegen,<lb/>
und gaben alle zugleich Feuer. Kaum waren die Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
abgebrannt, als der ganze &#x017F;o &#x017F;tarke und &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o herzhafte<lb/>
Haufe, durch das Feuer und den Knall er&#x017F;chreckt, um-<lb/>
kehrte, davon lief und in den Wald rannte: ein in &#x017F;ei-<lb/>
ner Art unvergleichlicher Anblick. Die verwundeten<lb/>
Bu&#x0364;ffel trennten &#x017F;ich von den u&#x0364;brigen, und konnten zum<lb/>
Theil nicht mitkommen, zum Theil nahmen &#x017F;ie einen an-<lb/>
dern Weg. Unter die&#x017F;en war ein alter Bulle, der gerade<lb/>
nach der Seite zulief, wo wir &#x017F;tanden, &#x017F;o daß wir ge-<lb/>
zwungen waren, Reißaus zu nehmen, um &#x017F;einer Wuth<lb/>
zu entgehen. Es i&#x017F;t zwar nicht mo&#x0364;glich, daß ein Men&#x017F;ch,<lb/>
wenn er auch noch &#x017F;o ge&#x017F;chwind laufen kann, die&#x017F;en Thie-<lb/>
ren durch Laufen entkommt; man kann &#x017F;ich aber doch<lb/>
hinla&#x0364;nglich vor ihnen retten, &#x017F;o lange man offnes und<lb/>
ebnes Feld hat; denn da &#x017F;ie im Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e zu ihrem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0412] Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt. ich auf meiner vorigen Reiſe, Gelegenheit gehabt, ſeine Wuth, Gewalt und fuͤrchterliche Staͤrke zu erfahren, Schrecken und Entſetzen einjagen koͤnnen. Weil wir aber die Art der Buͤffel bereits kannten, und wußten, daß ſie auf freyem Felde nicht leicht jemand angreifen, fuͤrchteten wir uns gar nicht, weder vor ihrer Staͤrke noch Menge. Um ſie indeſſen nicht ſcheu zu machen, blie- ben wir eine Weile ganz ſtill ſtehen, bis ſie wieder an- fingen, die Koͤpfe zur Erde zu ſtrecken und zu freſſen. Nun naͤherten wir uns ihnen mit ſchnellen Schritten, bis wir ihnen auf einen Abſtand von funfzig Schritten nahe gekommen waren. Unſrer waren drey Europaͤer und eben ſo viele im Schießen geuͤbte Hottentotten, die Buͤchſen bey ſich hatten; die uͤbrigen Hottentotten wa- ren mit ihren Wurfſpießen bewaffnet. Jetzt ſah wie- der die ganze Schar Ochſen auf einmahl in die Hoͤhe, wandte ſich gegen uns und ſah uns munter und uner- ſchrocken an. Wir fanden, daß es Zeit ſey anzulegen, und gaben alle zugleich Feuer. Kaum waren die Schuͤſſe abgebrannt, als der ganze ſo ſtarke und ſonſt ſo herzhafte Haufe, durch das Feuer und den Knall erſchreckt, um- kehrte, davon lief und in den Wald rannte: ein in ſei- ner Art unvergleichlicher Anblick. Die verwundeten Buͤffel trennten ſich von den uͤbrigen, und konnten zum Theil nicht mitkommen, zum Theil nahmen ſie einen an- dern Weg. Unter dieſen war ein alter Bulle, der gerade nach der Seite zulief, wo wir ſtanden, ſo daß wir ge- zwungen waren, Reißaus zu nehmen, um ſeiner Wuth zu entgehen. Es iſt zwar nicht moͤglich, daß ein Menſch, wenn er auch noch ſo geſchwind laufen kann, dieſen Thie- ren durch Laufen entkommt; man kann ſich aber doch hinlaͤnglich vor ihnen retten, ſo lange man offnes und ebnes Feld hat; denn da ſie im Verhaͤltniſſe zu ihrem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/412
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/412>, abgerufen am 26.06.2024.