Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Dritte Abtheilung. Zweyter Abschnitt.
den ich schon seit langer Zeit kennen zu lernen gewünscht
und aufgesucht hatte. Er gehört unstreitig zu den aller-
sonderbarsten Gewächsen, die in neuern Zeiten bekannt
geworden sind. Er wächst allezeit unter den Büschen und
auf den Wurzeln der Malabarischen Euphorbie (Euphor-
bia Tirucalli
). Der unterste Theil desselben, welcher
die Frucht ist, wird nicht nur von den Hottentotten ge-
gessen, sondern dient auch den Fretten (Viverra), Füch-
sen und andern Thieren zur Nahrung.

Weiter kamen wir zu Christian Bocks Hofe, und
von da zum Rhinocerosflusse (Rhonnoster Rivier), wo
wir genöthigt waren, auszuspannen und zu übernachten,
obgleich hier ein Löwe vor zwey Tagen ein Zebra getödtet
und noch nicht völlig verzehrt hatte.

Ueberhaupt haben hier die Löwen in den Gebirgen
ihren Aufenthalt, und sind für die Herden der Landleute
eben so unangenehme Nachbaren, als die Buschmänner.
Unter den hiesigen Einwohnern sind auch viele, die in Ge-
fahr gewesen sind, von diesen schrecklichen Raubthieren
umgebracht zu werden. Unter andern erzählte man mir
von einem Kolonisten Nahmens Korf, der nicht weit von
dem erwähnten Flusse wohnt. Ein Löwe hatte sich in
dem dicht bey seinem Hofe fließenden Bache ins Schilf
gelegt, so daß von seinen Leuten niemand vor Furcht es
wagte, Wasser zu hohlen oder mit den Kühen auf die
Weide zu gehen. Der Bauer selbst war daher in der
Nothwendigkeit, ihn anzugreifen, und zu versuchen,
ob er ihn wegjagen könnte. Er nahm zu diesem Ende
einige Hottentotten mit, denen aber auch sehr bange war.
Da aber der Löwe im dicken Schilfe versteckt lag, konnte
er ihn nicht sehen, folglich auch nicht treffen, sondern
er mußte verschiedne Schüsse aufs Gerathewohl ins Schilf
thun. Der Löwe, hiedurch gereitzt, stürzt auf ihn los.

Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
den ich ſchon ſeit langer Zeit kennen zu lernen gewuͤnſcht
und aufgeſucht hatte. Er gehoͤrt unſtreitig zu den aller-
ſonderbarſten Gewaͤchſen, die in neuern Zeiten bekannt
geworden ſind. Er waͤchſt allezeit unter den Buͤſchen und
auf den Wurzeln der Malabariſchen Euphorbie (Euphor-
bia Tirucalli
). Der unterſte Theil deſſelben, welcher
die Frucht iſt, wird nicht nur von den Hottentotten ge-
geſſen, ſondern dient auch den Fretten (Viverra), Fuͤch-
ſen und andern Thieren zur Nahrung.

Weiter kamen wir zu Chriſtian Bocks Hofe, und
von da zum Rhinocerosfluſſe (Rhonnoſter Rivier), wo
wir genoͤthigt waren, auszuſpannen und zu uͤbernachten,
obgleich hier ein Loͤwe vor zwey Tagen ein Zebra getoͤdtet
und noch nicht voͤllig verzehrt hatte.

Ueberhaupt haben hier die Loͤwen in den Gebirgen
ihren Aufenthalt, und ſind fuͤr die Herden der Landleute
eben ſo unangenehme Nachbaren, als die Buſchmaͤnner.
Unter den hieſigen Einwohnern ſind auch viele, die in Ge-
fahr geweſen ſind, von dieſen ſchrecklichen Raubthieren
umgebracht zu werden. Unter andern erzaͤhlte man mir
von einem Koloniſten Nahmens Korf, der nicht weit von
dem erwaͤhnten Fluſſe wohnt. Ein Loͤwe hatte ſich in
dem dicht bey ſeinem Hofe fließenden Bache ins Schilf
gelegt, ſo daß von ſeinen Leuten niemand vor Furcht es
wagte, Waſſer zu hohlen oder mit den Kuͤhen auf die
Weide zu gehen. Der Bauer ſelbſt war daher in der
Nothwendigkeit, ihn anzugreifen, und zu verſuchen,
ob er ihn wegjagen koͤnnte. Er nahm zu dieſem Ende
einige Hottentotten mit, denen aber auch ſehr bange war.
Da aber der Loͤwe im dicken Schilfe verſteckt lag, konnte
er ihn nicht ſehen, folglich auch nicht treffen, ſondern
er mußte verſchiedne Schuͤſſe aufs Gerathewohl ins Schilf
thun. Der Loͤwe, hiedurch gereitzt, ſtuͤrzt auf ihn los.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0480" n="142"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Dritte Abtheilung. Zweyter Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
den ich &#x017F;chon &#x017F;eit langer Zeit kennen zu lernen gewu&#x0364;n&#x017F;cht<lb/>
und aufge&#x017F;ucht hatte. Er geho&#x0364;rt un&#x017F;treitig zu den aller-<lb/>
&#x017F;onderbar&#x017F;ten Gewa&#x0364;ch&#x017F;en, die in neuern Zeiten bekannt<lb/>
geworden &#x017F;ind. Er wa&#x0364;ch&#x017F;t allezeit unter den Bu&#x0364;&#x017F;chen und<lb/>
auf den Wurzeln der Malabari&#x017F;chen Euphorbie (<hi rendition="#aq">Euphor-<lb/>
bia Tirucalli</hi>). Der unter&#x017F;te Theil de&#x017F;&#x017F;elben, welcher<lb/>
die Frucht i&#x017F;t, wird nicht nur von den Hottentotten ge-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern dient auch den Fretten (<hi rendition="#aq">Viverra</hi>), Fu&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;en und andern Thieren zur Nahrung.</p><lb/>
          <p>Weiter kamen wir zu <persName>Chri&#x017F;tian Bocks</persName> Hofe, und<lb/>
von da zum <placeName>Rhinocerosflu&#x017F;&#x017F;e</placeName> (<hi rendition="#aq"><placeName>Rhonno&#x017F;ter Rivier</placeName></hi>), wo<lb/>
wir geno&#x0364;thigt waren, auszu&#x017F;pannen und zu u&#x0364;bernachten,<lb/>
obgleich hier ein Lo&#x0364;we vor zwey Tagen ein Zebra geto&#x0364;dtet<lb/>
und noch nicht vo&#x0364;llig verzehrt hatte.</p><lb/>
          <p>Ueberhaupt haben hier die Lo&#x0364;wen in den Gebirgen<lb/>
ihren Aufenthalt, und &#x017F;ind fu&#x0364;r die Herden der Landleute<lb/>
eben &#x017F;o unangenehme Nachbaren, als die Bu&#x017F;chma&#x0364;nner.<lb/>
Unter den hie&#x017F;igen Einwohnern &#x017F;ind auch viele, die in Ge-<lb/>
fahr gewe&#x017F;en &#x017F;ind, von die&#x017F;en &#x017F;chrecklichen Raubthieren<lb/>
umgebracht zu werden. Unter andern erza&#x0364;hlte man mir<lb/>
von einem Koloni&#x017F;ten Nahmens <persName>Korf</persName>, der nicht weit von<lb/>
dem erwa&#x0364;hnten Flu&#x017F;&#x017F;e wohnt. Ein Lo&#x0364;we hatte &#x017F;ich in<lb/>
dem dicht bey &#x017F;einem Hofe fließenden Bache ins Schilf<lb/>
gelegt, &#x017F;o daß von &#x017F;einen Leuten niemand vor Furcht es<lb/>
wagte, Wa&#x017F;&#x017F;er zu hohlen oder mit den Ku&#x0364;hen auf die<lb/>
Weide zu gehen. Der Bauer &#x017F;elb&#x017F;t war daher in der<lb/>
Nothwendigkeit, ihn anzugreifen, und zu ver&#x017F;uchen,<lb/>
ob er ihn wegjagen ko&#x0364;nnte. Er nahm zu die&#x017F;em Ende<lb/>
einige Hottentotten mit, denen aber auch &#x017F;ehr bange war.<lb/>
Da aber der Lo&#x0364;we im dicken Schilfe ver&#x017F;teckt lag, konnte<lb/>
er ihn nicht &#x017F;ehen, folglich auch nicht treffen, &#x017F;ondern<lb/>
er mußte ver&#x017F;chiedne Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e aufs Gerathewohl ins Schilf<lb/>
thun. Der Lo&#x0364;we, hiedurch gereitzt, &#x017F;tu&#x0364;rzt auf ihn los.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0480] Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. den ich ſchon ſeit langer Zeit kennen zu lernen gewuͤnſcht und aufgeſucht hatte. Er gehoͤrt unſtreitig zu den aller- ſonderbarſten Gewaͤchſen, die in neuern Zeiten bekannt geworden ſind. Er waͤchſt allezeit unter den Buͤſchen und auf den Wurzeln der Malabariſchen Euphorbie (Euphor- bia Tirucalli). Der unterſte Theil deſſelben, welcher die Frucht iſt, wird nicht nur von den Hottentotten ge- geſſen, ſondern dient auch den Fretten (Viverra), Fuͤch- ſen und andern Thieren zur Nahrung. Weiter kamen wir zu Chriſtian Bocks Hofe, und von da zum Rhinocerosfluſſe (Rhonnoſter Rivier), wo wir genoͤthigt waren, auszuſpannen und zu uͤbernachten, obgleich hier ein Loͤwe vor zwey Tagen ein Zebra getoͤdtet und noch nicht voͤllig verzehrt hatte. Ueberhaupt haben hier die Loͤwen in den Gebirgen ihren Aufenthalt, und ſind fuͤr die Herden der Landleute eben ſo unangenehme Nachbaren, als die Buſchmaͤnner. Unter den hieſigen Einwohnern ſind auch viele, die in Ge- fahr geweſen ſind, von dieſen ſchrecklichen Raubthieren umgebracht zu werden. Unter andern erzaͤhlte man mir von einem Koloniſten Nahmens Korf, der nicht weit von dem erwaͤhnten Fluſſe wohnt. Ein Loͤwe hatte ſich in dem dicht bey ſeinem Hofe fließenden Bache ins Schilf gelegt, ſo daß von ſeinen Leuten niemand vor Furcht es wagte, Waſſer zu hohlen oder mit den Kuͤhen auf die Weide zu gehen. Der Bauer ſelbſt war daher in der Nothwendigkeit, ihn anzugreifen, und zu verſuchen, ob er ihn wegjagen koͤnnte. Er nahm zu dieſem Ende einige Hottentotten mit, denen aber auch ſehr bange war. Da aber der Loͤwe im dicken Schilfe verſteckt lag, konnte er ihn nicht ſehen, folglich auch nicht treffen, ſondern er mußte verſchiedne Schuͤſſe aufs Gerathewohl ins Schilf thun. Der Loͤwe, hiedurch gereitzt, ſtuͤrzt auf ihn los.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/480
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/480>, abgerufen am 22.11.2024.