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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

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Reise durchs Bockland und ins Rockenland.
Sklaven und Hottentotten ermordet. Wenn diesen Leu-
ten von den Kolonisten zu Pferde nachgesetzt wird, so
entfliehn sie in die Gebirge, wo sie wie Paviane die Gip-
fel und andre unzugängliche Stellen einnehmen. Bis-
weilen kriechen sie auch in die Spalten und Klüfte der
Berge, und schießen aus diesen Verschanzungen mit ihren
Pfeilen. Vor dem ebenen Felde scheuen sie sich sehr.
Wenn sie sich gegen ihre Feinde vertheidigen, geschieht es
allezeit mit Bogen und vergifteten Pfeilen. Die Kolo-
nisten bewaffnen sich dagegen so, daß sie ein Fell sich vor-
halten lassen, worin die Pfeile stecken bleiben, die bis-
weilen wie ein Regenschauer ankommen. Sehen die
Buschmänner alsdann, daß ihre Pfeile nicht durchge-
hen, so schießen sie nicht mehr, als eine Salve. Wird
einer von ihnen mit einer Kugel verwundet, so sieht man
ihn nie weinen oder im geringsten klagen. Dies Volk
schmiert sich durchgängig mit fetten Sachen, und darüber
mit einer rothen Kreide. Im Nothfall lebt es von
Schlangen, Eidechsen, dem Fleische von Zebra, Löwen
und Pavianen, auch von Zwiebeln, Ameiseneyern und
verschiednen andern Dingen. Die Zaserblume (Me-
sembryanthemum
) kauen sie erst, und hernach rauchen
sie sie.

Nun ritten wir weiter längs dem Fischflusse (Visch-
Rivier
) Oliviers Hof vorbey zu Jakob Theron, und
kamen den 3. December zu Esterhuysens Hof. Hier
mußten wir einige Tage verweilen, weil ein entsetzliches
Ungewitter mit Sturm, Kälte, Regen, Hagel und
Schnee einfiel und vier und zwanzig Stunden unaufhör-
lich anhielt. Wir waren genöthigt, uns nicht nur in der
Stube zu halten, sondern auch unsre Oberröcke anzu-
ziehen, um uns gegen diese ungewöhnliche und unvermu-
thete Kälte zu schützen. Diese Kälte rührte übrigens

Reiſe durchs Bockland und ins Rockenland.
Sklaven und Hottentotten ermordet. Wenn dieſen Leu-
ten von den Koloniſten zu Pferde nachgeſetzt wird, ſo
entfliehn ſie in die Gebirge, wo ſie wie Paviane die Gip-
fel und andre unzugaͤngliche Stellen einnehmen. Bis-
weilen kriechen ſie auch in die Spalten und Kluͤfte der
Berge, und ſchießen aus dieſen Verſchanzungen mit ihren
Pfeilen. Vor dem ebenen Felde ſcheuen ſie ſich ſehr.
Wenn ſie ſich gegen ihre Feinde vertheidigen, geſchieht es
allezeit mit Bogen und vergifteten Pfeilen. Die Kolo-
niſten bewaffnen ſich dagegen ſo, daß ſie ein Fell ſich vor-
halten laſſen, worin die Pfeile ſtecken bleiben, die bis-
weilen wie ein Regenſchauer ankommen. Sehen die
Buſchmaͤnner alsdann, daß ihre Pfeile nicht durchge-
hen, ſo ſchießen ſie nicht mehr, als eine Salve. Wird
einer von ihnen mit einer Kugel verwundet, ſo ſieht man
ihn nie weinen oder im geringſten klagen. Dies Volk
ſchmiert ſich durchgaͤngig mit fetten Sachen, und daruͤber
mit einer rothen Kreide. Im Nothfall lebt es von
Schlangen, Eidechſen, dem Fleiſche von Zebra, Loͤwen
und Pavianen, auch von Zwiebeln, Ameiſeneyern und
verſchiednen andern Dingen. Die Zaſerblume (Me-
ſembryanthemum
) kauen ſie erſt, und hernach rauchen
ſie ſie.

Nun ritten wir weiter laͤngs dem Fiſchfluſſe (Viſch-
Rivier
) Oliviers Hof vorbey zu Jakob Theron, und
kamen den 3. December zu Eſterhuyſens Hof. Hier
mußten wir einige Tage verweilen, weil ein entſetzliches
Ungewitter mit Sturm, Kaͤlte, Regen, Hagel und
Schnee einfiel und vier und zwanzig Stunden unaufhoͤr-
lich anhielt. Wir waren genoͤthigt, uns nicht nur in der
Stube zu halten, ſondern auch unſre Oberroͤcke anzu-
ziehen, um uns gegen dieſe ungewoͤhnliche und unvermu-
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[151/0489] Reiſe durchs Bockland und ins Rockenland. Sklaven und Hottentotten ermordet. Wenn dieſen Leu- ten von den Koloniſten zu Pferde nachgeſetzt wird, ſo entfliehn ſie in die Gebirge, wo ſie wie Paviane die Gip- fel und andre unzugaͤngliche Stellen einnehmen. Bis- weilen kriechen ſie auch in die Spalten und Kluͤfte der Berge, und ſchießen aus dieſen Verſchanzungen mit ihren Pfeilen. Vor dem ebenen Felde ſcheuen ſie ſich ſehr. Wenn ſie ſich gegen ihre Feinde vertheidigen, geſchieht es allezeit mit Bogen und vergifteten Pfeilen. Die Kolo- niſten bewaffnen ſich dagegen ſo, daß ſie ein Fell ſich vor- halten laſſen, worin die Pfeile ſtecken bleiben, die bis- weilen wie ein Regenſchauer ankommen. Sehen die Buſchmaͤnner alsdann, daß ihre Pfeile nicht durchge- hen, ſo ſchießen ſie nicht mehr, als eine Salve. Wird einer von ihnen mit einer Kugel verwundet, ſo ſieht man ihn nie weinen oder im geringſten klagen. Dies Volk ſchmiert ſich durchgaͤngig mit fetten Sachen, und daruͤber mit einer rothen Kreide. Im Nothfall lebt es von Schlangen, Eidechſen, dem Fleiſche von Zebra, Loͤwen und Pavianen, auch von Zwiebeln, Ameiſeneyern und verſchiednen andern Dingen. Die Zaſerblume (Me- ſembryanthemum) kauen ſie erſt, und hernach rauchen ſie ſie. Nun ritten wir weiter laͤngs dem Fiſchfluſſe (Viſch- Rivier) Oliviers Hof vorbey zu Jakob Theron, und kamen den 3. December zu Eſterhuyſens Hof. Hier mußten wir einige Tage verweilen, weil ein entſetzliches Ungewitter mit Sturm, Kaͤlte, Regen, Hagel und Schnee einfiel und vier und zwanzig Stunden unaufhoͤr- lich anhielt. Wir waren genoͤthigt, uns nicht nur in der Stube zu halten, ſondern auch unſre Oberroͤcke anzu- ziehen, um uns gegen dieſe ungewoͤhnliche und unvermu- thete Kaͤlte zu ſchuͤtzen. Dieſe Kaͤlte ruͤhrte uͤbrigens

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/489>, abgerufen am 16.06.2024.