Sie heißt Dranguli; die Schoten sind lang, aber dabey rund, auswendig schwarz, und hangen wie lange Stäbe vom Baume herab. -- Ein sonderbares Kraut lernte ich hier kennen, wovon man mich versicherte, daß es nicht nur den Stein in der Harnblase auflöse, sondern auch Stücke Porzellan, wenn man sie in das Kraut hin- ein legt, mürbe mache. In der That kann man kleine Porzellanstücke, wenn sie darin liegen, ohne Mühe zer- kauen. Allein eben das müßte auch geschehen können, wenn man sie in Leinwand oder dergleichen einwickelte, das die glatte Oberfläche des Porzellans bedeckte, und hinderte, daß es seiner Glätte wegen zwischen den Zähnen nicht weh thun könnte. Man nennt dies Kraut Daun Kitji. In Blüthe habe ich es nie gesehen. Es scheint aber zu den rauhblättrigen Gewächsen (asperifoliis) zu gehören. Einige wollen, es sey eine Art Steinbrech (Saxifraga).
In den vor der Stadt angelegten Lustgärten der Europäer prangen verschiedne Ostindische Sträuche, Büsche und Gewächse, theils mit ihren fleckigen Blät- tern, theils mit ihren schönen und wohlriechenden Blu- men. Zu den erstern rechne ich die gemahlte Nacht- blume (Nyctanthes picta) und die gemeine Corallen- pflanze (Erythrina corallodendrum); zu den letztern die Chinesische Rose (Hibiscus rosa Sinensis), die ans- ländische Muraye (Muraya exotica), und andre. Die Chinesische Rose heißt hier Sapato (Schuhblume); ihre Blumen geben eine sehr schwarze Farbe, daher bestrei- chen die Einwohner die Scheiden ihrer Kris (Seiten- gewehre, die ich oben beschrieben habe) und ihre Schub damit, um sie zu schwärzen. -- Die fremde Muschel- blume (Pistia stratiotes) hegt man in den großen Kru- ken, worin man auf den Vorplätzen der Land- und Gar-
Sechste Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
Sie heißt Dranguli; die Schoten ſind lang, aber dabey rund, auswendig ſchwarz, und hangen wie lange Staͤbe vom Baume herab. — Ein ſonderbares Kraut lernte ich hier kennen, wovon man mich verſicherte, daß es nicht nur den Stein in der Harnblaſe aufloͤſe, ſondern auch Stuͤcke Porzellan, wenn man ſie in das Kraut hin- ein legt, muͤrbe mache. In der That kann man kleine Porzellanſtuͤcke, wenn ſie darin liegen, ohne Muͤhe zer- kauen. Allein eben das muͤßte auch geſchehen koͤnnen, wenn man ſie in Leinwand oder dergleichen einwickelte, das die glatte Oberflaͤche des Porzellans bedeckte, und hinderte, daß es ſeiner Glaͤtte wegen zwiſchen den Zaͤhnen nicht weh thun koͤnnte. Man nennt dies Kraut Daun Kitji. In Bluͤthe habe ich es nie geſehen. Es ſcheint aber zu den rauhblaͤttrigen Gewaͤchſen (aſperifoliis) zu gehoͤren. Einige wollen, es ſey eine Art Steinbrech (Saxifraga).
In den vor der Stadt angelegten Luſtgaͤrten der Europaͤer prangen verſchiedne Oſtindiſche Straͤuche, Buͤſche und Gewaͤchſe, theils mit ihren fleckigen Blaͤt- tern, theils mit ihren ſchoͤnen und wohlriechenden Blu- men. Zu den erſtern rechne ich die gemahlte Nacht- blume (Nyctanthes picta) und die gemeine Corallen- pflanze (Erythrina corallodendrum); zu den letztern die Chineſiſche Roſe (Hibiſcus roſa Sinenſis), die ans- laͤndiſche Muraye (Muraya exotica), und andre. Die Chineſiſche Roſe heißt hier Sapato (Schuhblume); ihre Blumen geben eine ſehr ſchwarze Farbe, daher beſtrei- chen die Einwohner die Scheiden ihrer Kris (Seiten- gewehre, die ich oben beſchrieben habe) und ihre Schub damit, um ſie zu ſchwaͤrzen. — Die fremde Muſchel- blume (Piſtia ſtratiotes) hegt man in den großen Kru- ken, worin man auf den Vorplaͤtzen der Land- und Gar-
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Sechste Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
Sie heißt Dranguli; die Schoten ſind lang, aber dabey
rund, auswendig ſchwarz, und hangen wie lange Staͤbe
vom Baume herab. — Ein ſonderbares Kraut lernte
ich hier kennen, wovon man mich verſicherte, daß es
nicht nur den Stein in der Harnblaſe aufloͤſe, ſondern
auch Stuͤcke Porzellan, wenn man ſie in das Kraut hin-
ein legt, muͤrbe mache. In der That kann man kleine
Porzellanſtuͤcke, wenn ſie darin liegen, ohne Muͤhe zer-
kauen. Allein eben das muͤßte auch geſchehen koͤnnen,
wenn man ſie in Leinwand oder dergleichen einwickelte,
das die glatte Oberflaͤche des Porzellans bedeckte, und
hinderte, daß es ſeiner Glaͤtte wegen zwiſchen den Zaͤhnen
nicht weh thun koͤnnte. Man nennt dies Kraut Daun
Kitji. In Bluͤthe habe ich es nie geſehen. Es ſcheint
aber zu den rauhblaͤttrigen Gewaͤchſen (aſperifoliis) zu
gehoͤren. Einige wollen, es ſey eine Art Steinbrech
(Saxifraga).
In den vor der Stadt angelegten Luſtgaͤrten der
Europaͤer prangen verſchiedne Oſtindiſche Straͤuche,
Buͤſche und Gewaͤchſe, theils mit ihren fleckigen Blaͤt-
tern, theils mit ihren ſchoͤnen und wohlriechenden Blu-
men. Zu den erſtern rechne ich die gemahlte Nacht-
blume (Nyctanthes picta) und die gemeine Corallen-
pflanze (Erythrina corallodendrum); zu den letztern
die Chineſiſche Roſe (Hibiſcus roſa Sinenſis), die ans-
laͤndiſche Muraye (Muraya exotica), und andre. Die
Chineſiſche Roſe heißt hier Sapato (Schuhblume); ihre
Blumen geben eine ſehr ſchwarze Farbe, daher beſtrei-
chen die Einwohner die Scheiden ihrer Kris (Seiten-
gewehre, die ich oben beſchrieben habe) und ihre Schub
damit, um ſie zu ſchwaͤrzen. — Die fremde Muſchel-
blume (Piſtia ſtratiotes) hegt man in den großen Kru-
ken, worin man auf den Vorplaͤtzen der Land- und Gar-
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/598>, abgerufen am 17.06.2024.
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