Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
Aufenthalt in Paris.

Im Hotel-Dieu hatte ich bald Gelegenheit, den
feyerlichen Aufzug anzusehen, welcher gewöhnlich am er-
sten Sonntage jedes Monaths angestellt wird. Die
Nonnen sowohl als die Mönche, welche die Kranken hier
bedienen, trugen bey dieser Festlichkeit weiße Kleider
und schwarze Mäntel, und in den Händen große Wachs-
lichte. Vor dem Altare standen drey junge Mäochen,
die sehr schön sangen. Nachher habe ich dies in mehrern
Kirchen bemerkt Die Notredame-Kirche besah ich, nebst
andern Kirchen, auch in den ersten Tagen; sie ist das
Muster, wonach die Domkirche zu Upsala gebauet ist.
Die meisten hiesigen Kirchen sind auf gleiche Art ins
Kreutz angelegt, nur meistentheils noch schöner und ohne
Bänke und Stühle. In der Schwedischen Gesandtschafts-
Kapelle wohnte ich dem Gottesdienste bey: die Predigt
wurde in Deutscher Sprache gehalten.

Sobald ich konnte, machte ich auch dem Schwedi-
schen Bothschafter, Grafen Creutz, die Aufwartung.
Dieser Herr bewies mir, während meines ganzen hiesigen
Aufenthalts, viel Wohlwollen. Er ist es auch, der dazu
bestimmt war, nach Verlauf einiger Jahre in Schweden
mein Glück zu befördern. Sein Andenken wird mein
Herz, so lange ich lebe, mit der innigsten Dankbarkeit
verehren.

Im Kloster der heiligen Genevieve war die Biblio-
thek, das Naturalien-Cabinett und der vortreffliche Garten
für mich das Wichtigste. Die Bibliothek ist im obern
Stockwerke befindlich; sie ist kreutzweise gebauet, und die
Bücherbreter stehen rings an allen Wänden und unter
den Fenstern, und sind mit geflochtenen Drahtthüren
verschlossen. Die Bücher sind numerirt. Zwischen
zwey und zwey Repositorien steht die Büste eines Regen-
ten oder Philosophen. Der Saal wird Montags,

C 2
Aufenthalt in Paris.

Im Hotel-Dieu hatte ich bald Gelegenheit, den
feyerlichen Aufzug anzuſehen, welcher gewoͤhnlich am er-
ſten Sonntage jedes Monaths angeſtellt wird. Die
Nonnen ſowohl als die Moͤnche, welche die Kranken hier
bedienen, trugen bey dieſer Feſtlichkeit weiße Kleider
und ſchwarze Maͤntel, und in den Haͤnden große Wachs-
lichte. Vor dem Altare ſtanden drey junge Maͤochen,
die ſehr ſchoͤn ſangen. Nachher habe ich dies in mehrern
Kirchen bemerkt Die Notredame-Kirche beſah ich, nebſt
andern Kirchen, auch in den erſten Tagen; ſie iſt das
Muſter, wonach die Domkirche zu Upſala gebauet iſt.
Die meiſten hieſigen Kirchen ſind auf gleiche Art ins
Kreutz angelegt, nur meiſtentheils noch ſchoͤner und ohne
Baͤnke und Stuͤhle. In der Schwediſchen Geſandtſchafts-
Kapelle wohnte ich dem Gottesdienſte bey: die Predigt
wurde in Deutſcher Sprache gehalten.

Sobald ich konnte, machte ich auch dem Schwedi-
ſchen Bothſchafter, Grafen Creutz, die Aufwartung.
Dieſer Herr bewies mir, waͤhrend meines ganzen hieſigen
Aufenthalts, viel Wohlwollen. Er iſt es auch, der dazu
beſtimmt war, nach Verlauf einiger Jahre in Schweden
mein Gluͤck zu befoͤrdern. Sein Andenken wird mein
Herz, ſo lange ich lebe, mit der innigſten Dankbarkeit
verehren.

Im Kloſter der heiligen Genevieve war die Biblio-
thek, das Naturalien-Cabinett und der vortreffliche Garten
fuͤr mich das Wichtigſte. Die Bibliothek iſt im obern
Stockwerke befindlich; ſie iſt kreutzweiſe gebauet, und die
Buͤcherbreter ſtehen rings an allen Waͤnden und unter
den Fenſtern, und ſind mit geflochtenen Drahtthuͤren
verſchloſſen. Die Buͤcher ſind numerirt. Zwiſchen
zwey und zwey Repoſitorien ſteht die Buͤſte eines Regen-
ten oder Philoſophen. Der Saal wird Montags,

C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <pb facs="#f0063" n="35"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Aufenthalt in <placeName>Paris</placeName>.</hi> </fw><lb/>
          <p>Im Hotel-Dieu hatte ich bald Gelegenheit, den<lb/>
feyerlichen Aufzug anzu&#x017F;ehen, welcher gewo&#x0364;hnlich am er-<lb/>
&#x017F;ten Sonntage jedes Monaths ange&#x017F;tellt wird. Die<lb/>
Nonnen &#x017F;owohl als die Mo&#x0364;nche, welche die Kranken hier<lb/>
bedienen, trugen bey die&#x017F;er Fe&#x017F;tlichkeit weiße Kleider<lb/>
und &#x017F;chwarze Ma&#x0364;ntel, und in den Ha&#x0364;nden große Wachs-<lb/>
lichte. Vor dem Altare &#x017F;tanden drey junge Ma&#x0364;ochen,<lb/>
die &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;n &#x017F;angen. Nachher habe ich dies in mehrern<lb/>
Kirchen bemerkt Die Notredame-Kirche be&#x017F;ah ich, neb&#x017F;t<lb/>
andern Kirchen, auch in den er&#x017F;ten Tagen; &#x017F;ie i&#x017F;t das<lb/>
Mu&#x017F;ter, wonach die Domkirche zu <placeName>Up&#x017F;ala</placeName> gebauet i&#x017F;t.<lb/>
Die mei&#x017F;ten hie&#x017F;igen Kirchen &#x017F;ind auf gleiche Art ins<lb/>
Kreutz angelegt, nur mei&#x017F;tentheils noch &#x017F;cho&#x0364;ner und ohne<lb/>
Ba&#x0364;nke und Stu&#x0364;hle. In der Schwedi&#x017F;chen Ge&#x017F;andt&#x017F;chafts-<lb/>
Kapelle wohnte ich dem Gottesdien&#x017F;te bey: die Predigt<lb/>
wurde in Deut&#x017F;cher Sprache gehalten.</p><lb/>
          <p>Sobald ich konnte, machte ich auch dem Schwedi-<lb/>
&#x017F;chen Both&#x017F;chafter, Grafen <persName>Creutz</persName>, die Aufwartung.<lb/>
Die&#x017F;er Herr bewies mir, wa&#x0364;hrend meines ganzen hie&#x017F;igen<lb/>
Aufenthalts, viel Wohlwollen. Er i&#x017F;t es auch, der dazu<lb/>
be&#x017F;timmt war, nach Verlauf einiger Jahre in <placeName>Schweden</placeName><lb/>
mein Glu&#x0364;ck zu befo&#x0364;rdern. Sein Andenken wird mein<lb/>
Herz, &#x017F;o lange ich lebe, mit der innig&#x017F;ten Dankbarkeit<lb/>
verehren.</p><lb/>
          <p>Im Klo&#x017F;ter der heiligen Genevieve war die Biblio-<lb/>
thek, das Naturalien-Cabinett und der vortreffliche Garten<lb/>
fu&#x0364;r mich das Wichtig&#x017F;te. Die Bibliothek i&#x017F;t im obern<lb/>
Stockwerke befindlich; &#x017F;ie i&#x017F;t kreutzwei&#x017F;e gebauet, und die<lb/>
Bu&#x0364;cherbreter &#x017F;tehen rings an allen Wa&#x0364;nden und unter<lb/>
den Fen&#x017F;tern, und &#x017F;ind mit geflochtenen Drahtthu&#x0364;ren<lb/>
ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Die Bu&#x0364;cher &#x017F;ind numerirt. Zwi&#x017F;chen<lb/>
zwey und zwey Repo&#x017F;itorien &#x017F;teht die Bu&#x0364;&#x017F;te eines Regen-<lb/>
ten oder Philo&#x017F;ophen. Der Saal wird Montags,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0063] Aufenthalt in Paris. Im Hotel-Dieu hatte ich bald Gelegenheit, den feyerlichen Aufzug anzuſehen, welcher gewoͤhnlich am er- ſten Sonntage jedes Monaths angeſtellt wird. Die Nonnen ſowohl als die Moͤnche, welche die Kranken hier bedienen, trugen bey dieſer Feſtlichkeit weiße Kleider und ſchwarze Maͤntel, und in den Haͤnden große Wachs- lichte. Vor dem Altare ſtanden drey junge Maͤochen, die ſehr ſchoͤn ſangen. Nachher habe ich dies in mehrern Kirchen bemerkt Die Notredame-Kirche beſah ich, nebſt andern Kirchen, auch in den erſten Tagen; ſie iſt das Muſter, wonach die Domkirche zu Upſala gebauet iſt. Die meiſten hieſigen Kirchen ſind auf gleiche Art ins Kreutz angelegt, nur meiſtentheils noch ſchoͤner und ohne Baͤnke und Stuͤhle. In der Schwediſchen Geſandtſchafts- Kapelle wohnte ich dem Gottesdienſte bey: die Predigt wurde in Deutſcher Sprache gehalten. Sobald ich konnte, machte ich auch dem Schwedi- ſchen Bothſchafter, Grafen Creutz, die Aufwartung. Dieſer Herr bewies mir, waͤhrend meines ganzen hieſigen Aufenthalts, viel Wohlwollen. Er iſt es auch, der dazu beſtimmt war, nach Verlauf einiger Jahre in Schweden mein Gluͤck zu befoͤrdern. Sein Andenken wird mein Herz, ſo lange ich lebe, mit der innigſten Dankbarkeit verehren. Im Kloſter der heiligen Genevieve war die Biblio- thek, das Naturalien-Cabinett und der vortreffliche Garten fuͤr mich das Wichtigſte. Die Bibliothek iſt im obern Stockwerke befindlich; ſie iſt kreutzweiſe gebauet, und die Buͤcherbreter ſtehen rings an allen Waͤnden und unter den Fenſtern, und ſind mit geflochtenen Drahtthuͤren verſchloſſen. Die Buͤcher ſind numerirt. Zwiſchen zwey und zwey Repoſitorien ſteht die Buͤſte eines Regen- ten oder Philoſophen. Der Saal wird Montags, C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/63
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/63>, abgerufen am 24.11.2024.