Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

nach der Kaiserl. Residenz-Stadt Jedo.
Geld zu bekommen. Sie begleiteten uns mehrere Stun-
den lang, und bettelten unaufhörlich, obschon sie so
gleich zu Anfange eine artige Gabe in Silbermünze em-
pfangen hatten. Sie waren nett und reinlich gekleidet;
aber mit ihrem ungestümen und hartnäckigen Betteln fie-
len sie uns sehr zur Last. Wir wechselten daher ein Gold-
stück, um von der kleinen Kupfermünze eine Partey zu be-
kommen, die durch ein in der Mitte befindliches vierecki-
ges Loch auf eine Schnur gereihet wird, und Seni heißt.
Hievon theilten wir von Zeit zu Zeit ein Paar Stücke
aus, und nun konnten wirs aushalten. Die Mädchen
waren von sechzehn bis achtzehn Jahr alt, und ihr Be-
tragen, das eigensinnige Betteln ausgenommen, anstän-
dig. Unsre Dolmetscher beschrieben sie uns als Töchter
von Bergpriestern, einer Art Mönche, die den Nahmen
Jammabo haben, und sagten uns, ihr vornehmster Er-
werb sey das Betteln, sie seyen verbunden, von ihren Al-
mosen eine jährliche gewisse Abgabe an den Tempel zu
Isi zu erlegen, ihre Sittsamkeit und Keuschheit sey aber
nicht so groß, als sie uns vorkomme. Sie heißen Ko-
mano Bikuni.

Kwana ist eine ansehnliche, große und stark be-
festigte Stadt in der Landschaft Owari, einer der reich-
sten und bedeutendsten unter den Fürstlichen Provinzen
des Reichs. Sie hat zwey Citadellen, und ist mit
Mauern und Gräben eingeschlossen. Die Citadellen ha-
ben hohe Thürme, die einen schönen Anblick geben. So
wohl in diesen als in den Stadtmauern sieht man allent-
halben kleine längliche Oeffnungen, die zu Schießschar-
ten dienen, um mit ihren Pfeilen, vor den feindlichen
Schüssen sicher, hindurch zu schießen.

Am folgenden Morgen fuhren wir über den Meer-
busen, sieben Seemeilen weit, nach Mia. Diese See-

nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
Geld zu bekommen. Sie begleiteten uns mehrere Stun-
den lang, und bettelten unaufhoͤrlich, obſchon ſie ſo
gleich zu Anfange eine artige Gabe in Silbermuͤnze em-
pfangen hatten. Sie waren nett und reinlich gekleidet;
aber mit ihrem ungeſtuͤmen und hartnaͤckigen Betteln fie-
len ſie uns ſehr zur Laſt. Wir wechſelten daher ein Gold-
ſtuͤck, um von der kleinen Kupfermuͤnze eine Partey zu be-
kommen, die durch ein in der Mitte befindliches vierecki-
ges Loch auf eine Schnur gereihet wird, und Seni heißt.
Hievon theilten wir von Zeit zu Zeit ein Paar Stuͤcke
aus, und nun konnten wirs aushalten. Die Maͤdchen
waren von ſechzehn bis achtzehn Jahr alt, und ihr Be-
tragen, das eigenſinnige Betteln ausgenommen, anſtaͤn-
dig. Unſre Dolmetſcher beſchrieben ſie uns als Toͤchter
von Bergprieſtern, einer Art Moͤnche, die den Nahmen
Jammabo haben, und ſagten uns, ihr vornehmſter Er-
werb ſey das Betteln, ſie ſeyen verbunden, von ihren Al-
moſen eine jaͤhrliche gewiſſe Abgabe an den Tempel zu
Iſi zu erlegen, ihre Sittſamkeit und Keuſchheit ſey aber
nicht ſo groß, als ſie uns vorkomme. Sie heißen Ko-
mano Bikuni.

Kwana iſt eine anſehnliche, große und ſtark be-
feſtigte Stadt in der Landſchaft Owari, einer der reich-
ſten und bedeutendſten unter den Fuͤrſtlichen Provinzen
des Reichs. Sie hat zwey Citadellen, und iſt mit
Mauern und Graͤben eingeſchloſſen. Die Citadellen ha-
ben hohe Thuͤrme, die einen ſchoͤnen Anblick geben. So
wohl in dieſen als in den Stadtmauern ſieht man allent-
halben kleine laͤngliche Oeffnungen, die zu Schießſchar-
ten dienen, um mit ihren Pfeilen, vor den feindlichen
Schuͤſſen ſicher, hindurch zu ſchießen.

Am folgenden Morgen fuhren wir uͤber den Meer-
buſen, ſieben Seemeilen weit, nach Mia. Dieſe See-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0119" n="85"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">nach der Kai&#x017F;erl. Re&#x017F;idenz-Stadt <placeName>Jedo</placeName>.</hi></fw><lb/>
Geld zu bekommen. Sie begleiteten uns mehrere Stun-<lb/>
den lang, und bettelten unaufho&#x0364;rlich, ob&#x017F;chon &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
gleich zu Anfange eine artige Gabe in Silbermu&#x0364;nze em-<lb/>
pfangen hatten. Sie waren nett und reinlich gekleidet;<lb/>
aber mit ihrem unge&#x017F;tu&#x0364;men und hartna&#x0364;ckigen Betteln fie-<lb/>
len &#x017F;ie uns &#x017F;ehr zur La&#x017F;t. Wir wech&#x017F;elten daher ein Gold-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;ck, um von der kleinen Kupfermu&#x0364;nze eine Partey zu be-<lb/>
kommen, die durch ein in der Mitte befindliches vierecki-<lb/>
ges Loch auf eine Schnur gereihet wird, und Seni heißt.<lb/>
Hievon theilten wir von Zeit zu Zeit ein Paar Stu&#x0364;cke<lb/>
aus, und nun konnten wirs aushalten. Die Ma&#x0364;dchen<lb/>
waren von &#x017F;echzehn bis achtzehn Jahr alt, und ihr Be-<lb/>
tragen, das eigen&#x017F;innige Betteln ausgenommen, an&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
dig. Un&#x017F;re Dolmet&#x017F;cher be&#x017F;chrieben &#x017F;ie uns als To&#x0364;chter<lb/>
von Bergprie&#x017F;tern, einer Art Mo&#x0364;nche, die den Nahmen<lb/>
Jammabo haben, und &#x017F;agten uns, ihr vornehm&#x017F;ter Er-<lb/>
werb &#x017F;ey das Betteln, &#x017F;ie &#x017F;eyen verbunden, von ihren Al-<lb/>
mo&#x017F;en eine ja&#x0364;hrliche gewi&#x017F;&#x017F;e Abgabe an den Tempel zu<lb/><placeName>I&#x017F;i</placeName> zu erlegen, ihre Sitt&#x017F;amkeit und Keu&#x017F;chheit &#x017F;ey aber<lb/>
nicht &#x017F;o groß, als &#x017F;ie uns vorkomme. Sie heißen Ko-<lb/>
mano Bikuni.</p><lb/>
        <p><placeName>Kwana</placeName> i&#x017F;t eine an&#x017F;ehnliche, große und &#x017F;tark be-<lb/>
fe&#x017F;tigte Stadt in der Land&#x017F;chaft <placeName>Owari</placeName>, einer der reich-<lb/>
&#x017F;ten und bedeutend&#x017F;ten unter den Fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Provinzen<lb/>
des Reichs. Sie hat zwey Citadellen, und i&#x017F;t mit<lb/>
Mauern und Gra&#x0364;ben einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Die Citadellen ha-<lb/>
ben hohe Thu&#x0364;rme, die einen &#x017F;cho&#x0364;nen Anblick geben. So<lb/>
wohl in die&#x017F;en als in den Stadtmauern &#x017F;ieht man allent-<lb/>
halben kleine la&#x0364;ngliche Oeffnungen, die zu Schieß&#x017F;char-<lb/>
ten dienen, um mit ihren Pfeilen, vor den feindlichen<lb/>
Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;icher, hindurch zu &#x017F;chießen.</p><lb/>
        <p>Am folgenden Morgen fuhren wir u&#x0364;ber den Meer-<lb/>
bu&#x017F;en, &#x017F;ieben Seemeilen weit, nach <placeName>Mia</placeName>. Die&#x017F;e See-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0119] nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo. Geld zu bekommen. Sie begleiteten uns mehrere Stun- den lang, und bettelten unaufhoͤrlich, obſchon ſie ſo gleich zu Anfange eine artige Gabe in Silbermuͤnze em- pfangen hatten. Sie waren nett und reinlich gekleidet; aber mit ihrem ungeſtuͤmen und hartnaͤckigen Betteln fie- len ſie uns ſehr zur Laſt. Wir wechſelten daher ein Gold- ſtuͤck, um von der kleinen Kupfermuͤnze eine Partey zu be- kommen, die durch ein in der Mitte befindliches vierecki- ges Loch auf eine Schnur gereihet wird, und Seni heißt. Hievon theilten wir von Zeit zu Zeit ein Paar Stuͤcke aus, und nun konnten wirs aushalten. Die Maͤdchen waren von ſechzehn bis achtzehn Jahr alt, und ihr Be- tragen, das eigenſinnige Betteln ausgenommen, anſtaͤn- dig. Unſre Dolmetſcher beſchrieben ſie uns als Toͤchter von Bergprieſtern, einer Art Moͤnche, die den Nahmen Jammabo haben, und ſagten uns, ihr vornehmſter Er- werb ſey das Betteln, ſie ſeyen verbunden, von ihren Al- moſen eine jaͤhrliche gewiſſe Abgabe an den Tempel zu Iſi zu erlegen, ihre Sittſamkeit und Keuſchheit ſey aber nicht ſo groß, als ſie uns vorkomme. Sie heißen Ko- mano Bikuni. Kwana iſt eine anſehnliche, große und ſtark be- feſtigte Stadt in der Landſchaft Owari, einer der reich- ſten und bedeutendſten unter den Fuͤrſtlichen Provinzen des Reichs. Sie hat zwey Citadellen, und iſt mit Mauern und Graͤben eingeſchloſſen. Die Citadellen ha- ben hohe Thuͤrme, die einen ſchoͤnen Anblick geben. So wohl in dieſen als in den Stadtmauern ſieht man allent- halben kleine laͤngliche Oeffnungen, die zu Schießſchar- ten dienen, um mit ihren Pfeilen, vor den feindlichen Schuͤſſen ſicher, hindurch zu ſchießen. Am folgenden Morgen fuhren wir uͤber den Meer- buſen, ſieben Seemeilen weit, nach Mia. Dieſe See-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/119
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/119>, abgerufen am 24.11.2024.