Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.Erste Abtheilung. Zweyter Abschnitt. niedrigeren Götter beten sie an; sie glauben, daß dieseüber die Erde, das Wasser, die Luft u. s. w. herrschen, und die Menschen glücklich oder unglücklich machen können. Von der Unsterblichkeit der Seele und einem glückseligen oder unglückseligen Zustande nach dem Tode, haben sie allerdings, jedoch nur dunkle, Begriffe: die Seelen der Tugendhaften, sagen sie, kommen nach ei- nem Orte, der unter den Himmeln ist, die Seelen der Gottlosen aber müssen lange unter den Himmeln umher schwärmen, um für ihre Sünden zu büßen. Wande- rung der Seele in Körper der Thiere oder andere Kör- per, glauben sie also nicht. Ihre ganze Religion geht darauf aus, tugendhafte und rechtschaffene Menschen in diesem Leben zu seyn. Sie befleißigen sich tugend- haft zu leben, und den Gesetzen des Landes zu ge- horchen, um solchergestalt ein in jedem Betracht unver- letztes Gewissen zu bewahren. Sie essen kein Fleisch, vergiessen nicht gern Blut, und rühren keinen todten Körper an. Sündiget jemand in einem dieser Stücke, so wird er, wie die Juden nach dem levitischen Ge- setze, eine Zeitlang für unrein gehalten. Teufel giebt es nach ihrer Meinung keine andre, als die, welche in den Füchsen als deren Seelen wohnen; diese Thiere werden nämlich in Japan für sehr gefährlich und schäd- lich angesehen. Obgleich die Bekenner dieser Religion die Ueberzeugung haben, daß ihren Göttern alles be- kannt und es mithin unnöthig sey sie um etwas zu bitten, so haben sie doch sowohl Tempel als gewisse Festtage. Die Götter heißen bey ihnen Sin oder Kami, und ihre Tempel Mia. Diese bestehen aus mehrern Zimmern oder Gallerien mit Fenstern und Thüren, die, nach hiesiger Art, eingesetzt und herausge- nommen werden können. Der Fußboden ist mit Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. niedrigeren Goͤtter beten ſie an; ſie glauben, daß dieſeuͤber die Erde, das Waſſer, die Luft u. ſ. w. herrſchen, und die Menſchen gluͤcklich oder ungluͤcklich machen koͤnnen. Von der Unſterblichkeit der Seele und einem gluͤckſeligen oder ungluͤckſeligen Zuſtande nach dem Tode, haben ſie allerdings, jedoch nur dunkle, Begriffe: die Seelen der Tugendhaften, ſagen ſie, kommen nach ei- nem Orte, der unter den Himmeln iſt, die Seelen der Gottloſen aber muͤſſen lange unter den Himmeln umher ſchwaͤrmen, um fuͤr ihre Suͤnden zu buͤßen. Wande- rung der Seele in Koͤrper der Thiere oder andere Koͤr- per, glauben ſie alſo nicht. Ihre ganze Religion geht darauf aus, tugendhafte und rechtſchaffene Menſchen in dieſem Leben zu ſeyn. Sie befleißigen ſich tugend- haft zu leben, und den Geſetzen des Landes zu ge- horchen, um ſolchergeſtalt ein in jedem Betracht unver- letztes Gewiſſen zu bewahren. Sie eſſen kein Fleiſch, vergieſſen nicht gern Blut, und ruͤhren keinen todten Koͤrper an. Suͤndiget jemand in einem dieſer Stuͤcke, ſo wird er, wie die Juden nach dem levitiſchen Ge- ſetze, eine Zeitlang fuͤr unrein gehalten. Teufel giebt es nach ihrer Meinung keine andre, als die, welche in den Fuͤchſen als deren Seelen wohnen; dieſe Thiere werden naͤmlich in Japan fuͤr ſehr gefaͤhrlich und ſchaͤd- lich angeſehen. Obgleich die Bekenner dieſer Religion die Ueberzeugung haben, daß ihren Goͤttern alles be- kannt und es mithin unnoͤthig ſey ſie um etwas zu bitten, ſo haben ſie doch ſowohl Tempel als gewiſſe Feſttage. Die Goͤtter heißen bey ihnen Sin oder Kami, und ihre Tempel Mia. Dieſe beſtehen aus mehrern Zimmern oder Gallerien mit Fenſtern und Thuͤren, die, nach hieſiger Art, eingeſetzt und herausge- nommen werden koͤnnen. Der Fußboden iſt mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0310" n="22"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.</hi></fw><lb/> niedrigeren Goͤtter beten ſie an; ſie glauben, daß dieſe<lb/> uͤber die Erde, das Waſſer, die Luft u. ſ. w. herrſchen,<lb/> und die Menſchen gluͤcklich oder ungluͤcklich machen<lb/> koͤnnen. Von der Unſterblichkeit der Seele und einem<lb/> gluͤckſeligen oder ungluͤckſeligen Zuſtande nach dem Tode,<lb/> haben ſie allerdings, jedoch nur dunkle, Begriffe: die<lb/> Seelen der Tugendhaften, ſagen ſie, kommen nach ei-<lb/> nem Orte, der unter den Himmeln iſt, die Seelen der<lb/> Gottloſen aber muͤſſen lange unter den Himmeln umher<lb/> ſchwaͤrmen, um fuͤr ihre Suͤnden zu buͤßen. Wande-<lb/> rung der Seele in Koͤrper der Thiere oder andere Koͤr-<lb/> per, glauben ſie alſo nicht. Ihre ganze Religion geht<lb/> darauf aus, tugendhafte und rechtſchaffene Menſchen<lb/> in dieſem Leben zu ſeyn. 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Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
niedrigeren Goͤtter beten ſie an; ſie glauben, daß dieſe
uͤber die Erde, das Waſſer, die Luft u. ſ. w. herrſchen,
und die Menſchen gluͤcklich oder ungluͤcklich machen
koͤnnen. Von der Unſterblichkeit der Seele und einem
gluͤckſeligen oder ungluͤckſeligen Zuſtande nach dem Tode,
haben ſie allerdings, jedoch nur dunkle, Begriffe: die
Seelen der Tugendhaften, ſagen ſie, kommen nach ei-
nem Orte, der unter den Himmeln iſt, die Seelen der
Gottloſen aber muͤſſen lange unter den Himmeln umher
ſchwaͤrmen, um fuͤr ihre Suͤnden zu buͤßen. Wande-
rung der Seele in Koͤrper der Thiere oder andere Koͤr-
per, glauben ſie alſo nicht. Ihre ganze Religion geht
darauf aus, tugendhafte und rechtſchaffene Menſchen
in dieſem Leben zu ſeyn. Sie befleißigen ſich tugend-
haft zu leben, und den Geſetzen des Landes zu ge-
horchen, um ſolchergeſtalt ein in jedem Betracht unver-
letztes Gewiſſen zu bewahren. Sie eſſen kein Fleiſch,
vergieſſen nicht gern Blut, und ruͤhren keinen todten
Koͤrper an. Suͤndiget jemand in einem dieſer Stuͤcke,
ſo wird er, wie die Juden nach dem levitiſchen Ge-
ſetze, eine Zeitlang fuͤr unrein gehalten. Teufel giebt
es nach ihrer Meinung keine andre, als die, welche in
den Fuͤchſen als deren Seelen wohnen; dieſe Thiere
werden naͤmlich in Japan fuͤr ſehr gefaͤhrlich und ſchaͤd-
lich angeſehen. Obgleich die Bekenner dieſer Religion
die Ueberzeugung haben, daß ihren Goͤttern alles be-
kannt und es mithin unnoͤthig ſey ſie um etwas zu
bitten, ſo haben ſie doch ſowohl Tempel als gewiſſe
Feſttage. Die Goͤtter heißen bey ihnen Sin oder
Kami, und ihre Tempel Mia. Dieſe beſtehen aus
mehrern Zimmern oder Gallerien mit Fenſtern und
Thuͤren, die, nach hieſiger Art, eingeſetzt und herausge-
nommen werden koͤnnen. Der Fußboden iſt mit
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