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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.

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Religion der Japaner.
Strohmatten bedeckt, und das Dach steht so weit vor,
daß es einen erhöheten Gang bedeckt, auf dem man um
den Tempel herum gehen kann. In diesem Tempel findet
man keinen abgebildeten Gott, oder sonst ein Bild,
um das höchste, unsichtbare Wesen vorzustellen. Bis-
weilen aber steht doch in einer Schachtel oder Dose ein
kleines Bildniß eines Untergottes, dem der Tempel
heilig ist. Mitten im Tempel befindet sich gewöhnlich
ein großer, von Metall gegossener und polirter Spie-
gel, der die Hereintretenden erinnern soll, daß, so wie
man in demselben die Flecken des Gesichts sieht, die un-
sterblichen Götter auch die geheimen Flecken ihrer Her-
zen sehen. Mit welcher Andacht die Sintoisten,
sowohl an ihren Festen, als auch sonst, sich diesen
Tempeln nahen, habe ich oft mit der größten Verwun-
derung gesehen. Sie wagen es nicht dem Hause ihres
Gottes nahe zu kommen, wenn sie auf irgend eine Art
unrein sind. Sie waschen sich deswegen vorher sehr
sorgfältig, ziehen ihre besten Kleider an, und waschen
sich die Hände noch einmahl vor dem Tempel. Dar-
auf treten sie mit ernster Würde hinein, gehen vor-
wärts und stellen sich vor den Spiegel. Alsdenn
bücken sie sich mit der tiefsten Ehrfurcht ganz bis zur
Erde nieder, kehren sich wieder gegen den Spiegel,
verrichten ihr Gebet und geben ein Opfergeschenk. Zu-
letzt klingeln sie dreymal mit einer im Tempel befindlichen
kleinen Glocke, und gehen weg, um den Rest des Tages
in Vergnügen und mit Lustbarkeiten zuzubringen. Die
Priester bey diesen Tempeln sind von zweyerley Art.
Diejenigen welche die im Tempel vorfallenden Ge-
schäfte verrichten, sind Weltliche und Ungelehrte, um
nicht die Geheimnisse der Religion offenbaren zu können.
Die andern sind Geistliche, und pflanzen die Geheim-

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Religion der Japaner.
Strohmatten bedeckt, und das Dach ſteht ſo weit vor,
daß es einen erhoͤheten Gang bedeckt, auf dem man um
den Tempel herum gehen kann. In dieſem Tempel findet
man keinen abgebildeten Gott, oder ſonſt ein Bild,
um das hoͤchſte, unſichtbare Weſen vorzuſtellen. Bis-
weilen aber ſteht doch in einer Schachtel oder Doſe ein
kleines Bildniß eines Untergottes, dem der Tempel
heilig iſt. Mitten im Tempel befindet ſich gewoͤhnlich
ein großer, von Metall gegoſſener und polirter Spie-
gel, der die Hereintretenden erinnern ſoll, daß, ſo wie
man in demſelben die Flecken des Geſichts ſieht, die un-
ſterblichen Goͤtter auch die geheimen Flecken ihrer Her-
zen ſehen. Mit welcher Andacht die Sintoiſten,
ſowohl an ihren Feſten, als auch ſonſt, ſich dieſen
Tempeln nahen, habe ich oft mit der groͤßten Verwun-
derung geſehen. Sie wagen es nicht dem Hauſe ihres
Gottes nahe zu kommen, wenn ſie auf irgend eine Art
unrein ſind. Sie waſchen ſich deswegen vorher ſehr
ſorgfaͤltig, ziehen ihre beſten Kleider an, und waſchen
ſich die Haͤnde noch einmahl vor dem Tempel. Dar-
auf treten ſie mit ernſter Wuͤrde hinein, gehen vor-
waͤrts und ſtellen ſich vor den Spiegel. Alsdenn
buͤcken ſie ſich mit der tiefſten Ehrfurcht ganz bis zur
Erde nieder, kehren ſich wieder gegen den Spiegel,
verrichten ihr Gebet und geben ein Opfergeſchenk. Zu-
letzt klingeln ſie dreymal mit einer im Tempel befindlichen
kleinen Glocke, und gehen weg, um den Reſt des Tages
in Vergnuͤgen und mit Luſtbarkeiten zuzubringen. Die
Prieſter bey dieſen Tempeln ſind von zweyerley Art.
Diejenigen welche die im Tempel vorfallenden Ge-
ſchaͤfte verrichten, ſind Weltliche und Ungelehrte, um
nicht die Geheimniſſe der Religion offenbaren zu koͤnnen.
Die andern ſind Geiſtliche, und pflanzen die Geheim-

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[23/0311] Religion der Japaner. Strohmatten bedeckt, und das Dach ſteht ſo weit vor, daß es einen erhoͤheten Gang bedeckt, auf dem man um den Tempel herum gehen kann. In dieſem Tempel findet man keinen abgebildeten Gott, oder ſonſt ein Bild, um das hoͤchſte, unſichtbare Weſen vorzuſtellen. Bis- weilen aber ſteht doch in einer Schachtel oder Doſe ein kleines Bildniß eines Untergottes, dem der Tempel heilig iſt. Mitten im Tempel befindet ſich gewoͤhnlich ein großer, von Metall gegoſſener und polirter Spie- gel, der die Hereintretenden erinnern ſoll, daß, ſo wie man in demſelben die Flecken des Geſichts ſieht, die un- ſterblichen Goͤtter auch die geheimen Flecken ihrer Her- zen ſehen. Mit welcher Andacht die Sintoiſten, ſowohl an ihren Feſten, als auch ſonſt, ſich dieſen Tempeln nahen, habe ich oft mit der groͤßten Verwun- derung geſehen. Sie wagen es nicht dem Hauſe ihres Gottes nahe zu kommen, wenn ſie auf irgend eine Art unrein ſind. Sie waſchen ſich deswegen vorher ſehr ſorgfaͤltig, ziehen ihre beſten Kleider an, und waſchen ſich die Haͤnde noch einmahl vor dem Tempel. Dar- auf treten ſie mit ernſter Wuͤrde hinein, gehen vor- waͤrts und ſtellen ſich vor den Spiegel. Alsdenn buͤcken ſie ſich mit der tiefſten Ehrfurcht ganz bis zur Erde nieder, kehren ſich wieder gegen den Spiegel, verrichten ihr Gebet und geben ein Opfergeſchenk. Zu- letzt klingeln ſie dreymal mit einer im Tempel befindlichen kleinen Glocke, und gehen weg, um den Reſt des Tages in Vergnuͤgen und mit Luſtbarkeiten zuzubringen. Die Prieſter bey dieſen Tempeln ſind von zweyerley Art. Diejenigen welche die im Tempel vorfallenden Ge- ſchaͤfte verrichten, ſind Weltliche und Ungelehrte, um nicht die Geheimniſſe der Religion offenbaren zu koͤnnen. Die andern ſind Geiſtliche, und pflanzen die Geheim- B 4

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/311>, abgerufen am 23.11.2024.