Unser Schiff war sehr stark, ich kann wohl sagen, übermäßig beladen, so, daß es gewiß übel daran ge- wesen wäre, wenn wir heftigen Sturm bekommen hät- ten. Die Ursach von dergleichen, und von so manchen andern Unordnungen, Unannehmlichkeiten und Un- glücksfällen, ist die übertriebene Gewinnsucht der Be- dienten der Compagnie. Der Capitain und die sämmt- lichen Schiffsofficiere haben das Recht, mit gewissen Waaren zu handeln. Zu diesem Ende wird ihnen ein Raum von gewissen Lasten im Schiffe zugestan- den. Aber unter Vorwand dieses Rechts, nehmen sie, um desto mehr zu gewinnen, noch einmal so viel von solchen Waaren mit als dieser Raum faßt; um so viel mehr wird denn aber auch das Schiff über die Ge- bühr belastet. Besonders sind es der Capitain und der Obersteuermann, die sich dies eigenmächtig her- ausnehmen. Die Handelswaaren, welche diesmal von Privatpersonen auf jene Art mitgenommen wurden, bestanden in einer Menge Reiß, Puderzucker (Koch- zucker) und Arrack.
Am 22sten August bekamen wir die Insel Ceylon zu Gesicht, und langten am folgenden Tage schon auf der dasigen Rede an. Aber hier fehlte wenig, daß wir nicht durch die Ungeschicklichkeit und Furchtsamkeit des Capitains Schiffbruch litten. Indem wir mit dem Senkbley in der Hand weiter segelten, und uns des- halb ganz sicher glaubten, sahen wir uns mit einem male ganz nahe an den Sandbänken, welche in dem Kanal liegen, der die Insel vom festen Lande trennt. Schon war das Schiff einer Sandbank so nahe, daß wir glaubten, es würde im nächsten Augenblick dar- auf festsitzen, als der Untersteuermann, ein rascher und unternehmender Seemann, wie er die sichtbare
L 3
Reiſe nach und in Ceylon.
Unſer Schiff war ſehr ſtark, ich kann wohl ſagen, uͤbermaͤßig beladen, ſo, daß es gewiß uͤbel daran ge- weſen waͤre, wenn wir heftigen Sturm bekommen haͤt- ten. Die Urſach von dergleichen, und von ſo manchen andern Unordnungen, Unannehmlichkeiten und Un- gluͤcksfaͤllen, iſt die uͤbertriebene Gewinnſucht der Be- dienten der Compagnie. Der Capitain und die ſaͤmmt- lichen Schiffsofficiere haben das Recht, mit gewiſſen Waaren zu handeln. Zu dieſem Ende wird ihnen ein Raum von gewiſſen Laſten im Schiffe zugeſtan- den. Aber unter Vorwand dieſes Rechts, nehmen ſie, um deſto mehr zu gewinnen, noch einmal ſo viel von ſolchen Waaren mit als dieſer Raum faßt; um ſo viel mehr wird denn aber auch das Schiff uͤber die Ge- buͤhr belaſtet. Beſonders ſind es der Capitain und der Oberſteuermann, die ſich dies eigenmaͤchtig her- ausnehmen. Die Handelswaaren, welche diesmal von Privatperſonen auf jene Art mitgenommen wurden, beſtanden in einer Menge Reiß, Puderzucker (Koch- zucker) und Arrack.
Am 22ſten Auguſt bekamen wir die Inſel Ceylon zu Geſicht, und langten am folgenden Tage ſchon auf der daſigen Rede an. Aber hier fehlte wenig, daß wir nicht durch die Ungeſchicklichkeit und Furchtſamkeit des Capitains Schiffbruch litten. Indem wir mit dem Senkbley in der Hand weiter ſegelten, und uns des- halb ganz ſicher glaubten, ſahen wir uns mit einem male ganz nahe an den Sandbaͤnken, welche in dem Kanal liegen, der die Inſel vom feſten Lande trennt. Schon war das Schiff einer Sandbank ſo nahe, daß wir glaubten, es wuͤrde im naͤchſten Augenblick dar- auf feſtſitzen, als der Unterſteuermann, ein raſcher und unternehmender Seemann, wie er die ſichtbare
L 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0461"n="165"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Reiſe nach und in <placeName>Ceylon</placeName>.</hi></fw><lb/><p>Unſer Schiff war ſehr ſtark, ich kann wohl ſagen,<lb/>
uͤbermaͤßig beladen, ſo, daß es gewiß uͤbel daran ge-<lb/>
weſen waͤre, wenn wir heftigen Sturm bekommen haͤt-<lb/>
ten. Die Urſach von dergleichen, und von ſo manchen<lb/>
andern Unordnungen, Unannehmlichkeiten und Un-<lb/>
gluͤcksfaͤllen, iſt die uͤbertriebene Gewinnſucht der Be-<lb/>
dienten der Compagnie. Der Capitain und die ſaͤmmt-<lb/>
lichen Schiffsofficiere haben das Recht, mit gewiſſen<lb/>
Waaren zu handeln. Zu dieſem Ende wird ihnen<lb/>
ein Raum von gewiſſen Laſten im Schiffe zugeſtan-<lb/>
den. Aber unter Vorwand dieſes Rechts, nehmen ſie,<lb/>
um deſto mehr zu gewinnen, noch einmal ſo viel von<lb/>ſolchen Waaren mit als dieſer Raum faßt; um ſo<lb/>
viel mehr wird denn aber auch das Schiff uͤber die Ge-<lb/>
buͤhr belaſtet. Beſonders ſind es der Capitain und<lb/>
der Oberſteuermann, die ſich dies eigenmaͤchtig her-<lb/>
ausnehmen. Die Handelswaaren, welche diesmal<lb/>
von Privatperſonen auf jene Art mitgenommen wurden,<lb/>
beſtanden in einer Menge Reiß, Puderzucker (Koch-<lb/>
zucker) und Arrack.</p><lb/><p>Am 22ſten Auguſt bekamen wir die Inſel <placeName>Ceylon</placeName><lb/>
zu Geſicht, und langten am folgenden Tage ſchon auf<lb/>
der daſigen Rede an. Aber hier fehlte wenig, daß wir<lb/>
nicht durch die Ungeſchicklichkeit und Furchtſamkeit des<lb/>
Capitains Schiffbruch litten. Indem wir mit dem<lb/>
Senkbley in der Hand weiter ſegelten, und uns des-<lb/>
halb ganz ſicher glaubten, ſahen wir uns mit einem<lb/>
male ganz nahe an den Sandbaͤnken, welche in dem<lb/>
Kanal liegen, der die Inſel vom feſten Lande trennt.<lb/>
Schon war das Schiff einer Sandbank ſo nahe, daß<lb/>
wir glaubten, es wuͤrde im naͤchſten Augenblick dar-<lb/>
auf feſtſitzen, als der Unterſteuermann, ein raſcher<lb/>
und unternehmender Seemann, wie er die ſichtbare<lb/><fwplace="bottom"type="sig">L 3</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[165/0461]
Reiſe nach und in Ceylon.
Unſer Schiff war ſehr ſtark, ich kann wohl ſagen,
uͤbermaͤßig beladen, ſo, daß es gewiß uͤbel daran ge-
weſen waͤre, wenn wir heftigen Sturm bekommen haͤt-
ten. Die Urſach von dergleichen, und von ſo manchen
andern Unordnungen, Unannehmlichkeiten und Un-
gluͤcksfaͤllen, iſt die uͤbertriebene Gewinnſucht der Be-
dienten der Compagnie. Der Capitain und die ſaͤmmt-
lichen Schiffsofficiere haben das Recht, mit gewiſſen
Waaren zu handeln. Zu dieſem Ende wird ihnen
ein Raum von gewiſſen Laſten im Schiffe zugeſtan-
den. Aber unter Vorwand dieſes Rechts, nehmen ſie,
um deſto mehr zu gewinnen, noch einmal ſo viel von
ſolchen Waaren mit als dieſer Raum faßt; um ſo
viel mehr wird denn aber auch das Schiff uͤber die Ge-
buͤhr belaſtet. Beſonders ſind es der Capitain und
der Oberſteuermann, die ſich dies eigenmaͤchtig her-
ausnehmen. Die Handelswaaren, welche diesmal
von Privatperſonen auf jene Art mitgenommen wurden,
beſtanden in einer Menge Reiß, Puderzucker (Koch-
zucker) und Arrack.
Am 22ſten Auguſt bekamen wir die Inſel Ceylon
zu Geſicht, und langten am folgenden Tage ſchon auf
der daſigen Rede an. Aber hier fehlte wenig, daß wir
nicht durch die Ungeſchicklichkeit und Furchtſamkeit des
Capitains Schiffbruch litten. Indem wir mit dem
Senkbley in der Hand weiter ſegelten, und uns des-
halb ganz ſicher glaubten, ſahen wir uns mit einem
male ganz nahe an den Sandbaͤnken, welche in dem
Kanal liegen, der die Inſel vom feſten Lande trennt.
Schon war das Schiff einer Sandbank ſo nahe, daß
wir glaubten, es wuͤrde im naͤchſten Augenblick dar-
auf feſtſitzen, als der Unterſteuermann, ein raſcher
und unternehmender Seemann, wie er die ſichtbare
L 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/461>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.