Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

müßte, so möcht' ich dafür lieber beständig in
meinem schlichten Fracke gehn. Der Trank der
Hippokrene mag ein ganz gutes Wasser seyn,
aber sich den Magen damit zu erkälten und ein
Fieber zu bekommen, kann doch so etwas beson-
ders Angenehmes nicht seyn. Es giebt aber
Leute, die sich für die entgegengesetzte Meinung
todtschießen ließen; und unter diesen steht Wil-
liam wahrhaftig nicht im letzten Gliede. Wir
haben sehr oft unsre kleinen Disputen darüber,
und was das schlimmste ist, so werd' ich jedes-
mahl aus dem Felde geschlagen; aber ganz na-
türlich, denn wenn ich etwa nur Lust habe, mit
leichter Reiterei zu scharmuziren, so schießt er
mir mit Vier und zwanzigpfündern unter meine
besten Truppen: wenn sich zuweilen nur ein paar
Husaren von witzigen Einfällen an ihn machen
wollen, so schleppt er mit einemmahle einen
ganzen Train schwerer Allgemeinsätze herbei, als:
Lachen sei nicht der Zweck des Lebens, unauf-
hörliche Lustigkeit setze einen Mangel aller feinern
Empfindung voraus, u. s. w. Oder er zieht sich
unter die Kanonen seiner Vestung, seufzt und
antwortet gar nicht.

Du wirst gewiß fragen: was den unbefange-

muͤßte, ſo moͤcht’ ich dafuͤr lieber beſtaͤndig in
meinem ſchlichten Fracke gehn. Der Trank der
Hippokrene mag ein ganz gutes Waſſer ſeyn,
aber ſich den Magen damit zu erkaͤlten und ein
Fieber zu bekommen, kann doch ſo etwas beſon-
ders Angenehmes nicht ſeyn. Es giebt aber
Leute, die ſich fuͤr die entgegengeſetzte Meinung
todtſchießen ließen; und unter dieſen ſteht Wil-
liam wahrhaftig nicht im letzten Gliede. Wir
haben ſehr oft unſre kleinen Disputen daruͤber,
und was das ſchlimmſte iſt, ſo werd’ ich jedes-
mahl aus dem Felde geſchlagen; aber ganz na-
tuͤrlich, denn wenn ich etwa nur Luſt habe, mit
leichter Reiterei zu ſcharmuziren, ſo ſchießt er
mir mit Vier und zwanzigpfuͤndern unter meine
beſten Truppen: wenn ſich zuweilen nur ein paar
Huſaren von witzigen Einfaͤllen an ihn machen
wollen, ſo ſchleppt er mit einemmahle einen
ganzen Train ſchwerer Allgemeinſaͤtze herbei, als:
Lachen ſei nicht der Zweck des Lebens, unauf-
hoͤrliche Luſtigkeit ſetze einen Mangel aller feinern
Empfindung voraus, u. ſ. w. Oder er zieht ſich
unter die Kanonen ſeiner Veſtung, ſeufzt und
antwortet gar nicht.

Du wirſt gewiß fragen: was den unbefange-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0019" n="9"/>
mu&#x0364;ßte, &#x017F;o mo&#x0364;cht&#x2019; ich dafu&#x0364;r lieber be&#x017F;ta&#x0364;ndig in<lb/>
meinem &#x017F;chlichten Fracke gehn. Der Trank der<lb/>
Hippokrene mag ein ganz gutes Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;eyn,<lb/>
aber &#x017F;ich den Magen damit zu erka&#x0364;lten und ein<lb/>
Fieber zu bekommen, kann doch &#x017F;o etwas be&#x017F;on-<lb/>
ders Angenehmes nicht &#x017F;eyn. Es giebt aber<lb/>
Leute, die &#x017F;ich fu&#x0364;r die entgegenge&#x017F;etzte Meinung<lb/>
todt&#x017F;chießen ließen; und unter die&#x017F;en &#x017F;teht Wil-<lb/>
liam wahrhaftig nicht im letzten Gliede. Wir<lb/>
haben &#x017F;ehr oft un&#x017F;re kleinen Disputen daru&#x0364;ber,<lb/>
und was das &#x017F;chlimm&#x017F;te i&#x017F;t, &#x017F;o werd&#x2019; ich jedes-<lb/>
mahl aus dem Felde ge&#x017F;chlagen; aber ganz na-<lb/>
tu&#x0364;rlich, denn wenn ich etwa nur Lu&#x017F;t habe, mit<lb/>
leichter <choice><sic>Reuterei</sic><corr>Reiterei</corr></choice> zu &#x017F;charmuziren, &#x017F;o &#x017F;chießt er<lb/>
mir mit Vier und zwanzigpfu&#x0364;ndern unter meine<lb/>
be&#x017F;ten Truppen: wenn &#x017F;ich zuweilen nur ein paar<lb/>
Hu&#x017F;aren von witzigen Einfa&#x0364;llen an ihn machen<lb/>
wollen, &#x017F;o &#x017F;chleppt er mit einemmahle einen<lb/>
ganzen Train &#x017F;chwerer Allgemein&#x017F;a&#x0364;tze herbei, als:<lb/>
Lachen &#x017F;ei nicht der Zweck des Lebens, unauf-<lb/>
ho&#x0364;rliche Lu&#x017F;tigkeit &#x017F;etze einen Mangel aller feinern<lb/>
Empfindung voraus, u. &#x017F;. w. Oder er zieht &#x017F;ich<lb/>
unter die Kanonen &#x017F;einer Ve&#x017F;tung, &#x017F;eufzt und<lb/>
antwortet gar nicht.</p><lb/>
          <p>Du wir&#x017F;t gewiß fragen: was den unbefange-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0019] muͤßte, ſo moͤcht’ ich dafuͤr lieber beſtaͤndig in meinem ſchlichten Fracke gehn. Der Trank der Hippokrene mag ein ganz gutes Waſſer ſeyn, aber ſich den Magen damit zu erkaͤlten und ein Fieber zu bekommen, kann doch ſo etwas beſon- ders Angenehmes nicht ſeyn. Es giebt aber Leute, die ſich fuͤr die entgegengeſetzte Meinung todtſchießen ließen; und unter dieſen ſteht Wil- liam wahrhaftig nicht im letzten Gliede. Wir haben ſehr oft unſre kleinen Disputen daruͤber, und was das ſchlimmſte iſt, ſo werd’ ich jedes- mahl aus dem Felde geſchlagen; aber ganz na- tuͤrlich, denn wenn ich etwa nur Luſt habe, mit leichter Reiterei zu ſcharmuziren, ſo ſchießt er mir mit Vier und zwanzigpfuͤndern unter meine beſten Truppen: wenn ſich zuweilen nur ein paar Huſaren von witzigen Einfaͤllen an ihn machen wollen, ſo ſchleppt er mit einemmahle einen ganzen Train ſchwerer Allgemeinſaͤtze herbei, als: Lachen ſei nicht der Zweck des Lebens, unauf- hoͤrliche Luſtigkeit ſetze einen Mangel aller feinern Empfindung voraus, u. ſ. w. Oder er zieht ſich unter die Kanonen ſeiner Veſtung, ſeufzt und antwortet gar nicht. Du wirſt gewiß fragen: was den unbefange-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/19
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/19>, abgerufen am 21.11.2024.