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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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nem, leichtherzigen William zu einem so schwer-
müthigen Träumer gemacht habe? -- Ich will
Dir die Ursache entdecken, ob er gleich gegen sich
selbst geheim damit thut, -- er ist verliebt! --
Liebe, die den Menschen froher, glücklicher ma-
chen, die seinen Ellenbogen einen Centner Kraft
zusetzen sollte, um alle Sorgen aus dem Wege
auf die Seite zu stoßen: -- die Liebe, -- o
Himmel! was hat die Liebe nicht schon in der
Welt Böses gethan?

Wenn noch irgend ein Stück von dem ehe-
maligen Mortimer an Dir ist, so wett' ich, Du
wirst wissen wollen, wer denn die allmächtige
Sonne sei, die mit ihren brennenden Strahlen
das Herz des armen William, -- Niemand an-
ders, als meine Schwester. -- Sie hat ge-
wiß seine Liebe bemerkt, aber er scheint es
nicht bemerkt zu haben, daß ihr diese Bemer-
kung nicht mißfallen hat, denn es fehlt nur we-
nig, so liebt sie ihn wieder. Es giebt die lä-
cherlichsten Scenen, wie er ihr oft im Garten
ausweicht und sie ämsig in der nächsten Allee
wieder sucht, wie sie Stunden lang mit einan-
der zubringen, ohne fast nur eine Sylbe zu spre-
chen; wie er seufzt und sich wunder wie un-

nem, leichtherzigen William zu einem ſo ſchwer-
muͤthigen Traͤumer gemacht habe? — Ich will
Dir die Urſache entdecken, ob er gleich gegen ſich
ſelbſt geheim damit thut, — er iſt verliebt! —
Liebe, die den Menſchen froher, gluͤcklicher ma-
chen, die ſeinen Ellenbogen einen Centner Kraft
zuſetzen ſollte, um alle Sorgen aus dem Wege
auf die Seite zu ſtoßen: — die Liebe, — o
Himmel! was hat die Liebe nicht ſchon in der
Welt Boͤſes gethan?

Wenn noch irgend ein Stuͤck von dem ehe-
maligen Mortimer an Dir iſt, ſo wett’ ich, Du
wirſt wiſſen wollen, wer denn die allmaͤchtige
Sonne ſei, die mit ihren brennenden Strahlen
das Herz des armen William, — Niemand an-
ders, als meine Schweſter. — Sie hat ge-
wiß ſeine Liebe bemerkt, aber er ſcheint es
nicht bemerkt zu haben, daß ihr dieſe Bemer-
kung nicht mißfallen hat, denn es fehlt nur we-
nig, ſo liebt ſie ihn wieder. Es giebt die laͤ-
cherlichſten Scenen, wie er ihr oft im Garten
ausweicht und ſie aͤmſig in der naͤchſten Allee
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der zubringen, ohne faſt nur eine Sylbe zu ſpre-
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[10/0020] nem, leichtherzigen William zu einem ſo ſchwer- muͤthigen Traͤumer gemacht habe? — Ich will Dir die Urſache entdecken, ob er gleich gegen ſich ſelbſt geheim damit thut, — er iſt verliebt! — Liebe, die den Menſchen froher, gluͤcklicher ma- chen, die ſeinen Ellenbogen einen Centner Kraft zuſetzen ſollte, um alle Sorgen aus dem Wege auf die Seite zu ſtoßen: — die Liebe, — o Himmel! was hat die Liebe nicht ſchon in der Welt Boͤſes gethan? Wenn noch irgend ein Stuͤck von dem ehe- maligen Mortimer an Dir iſt, ſo wett’ ich, Du wirſt wiſſen wollen, wer denn die allmaͤchtige Sonne ſei, die mit ihren brennenden Strahlen das Herz des armen William, — Niemand an- ders, als meine Schweſter. — Sie hat ge- wiß ſeine Liebe bemerkt, aber er ſcheint es nicht bemerkt zu haben, daß ihr dieſe Bemer- kung nicht mißfallen hat, denn es fehlt nur we- nig, ſo liebt ſie ihn wieder. Es giebt die laͤ- cherlichſten Scenen, wie er ihr oft im Garten ausweicht und ſie aͤmſig in der naͤchſten Allee wieder ſucht, wie ſie Stunden lang mit einan- der zubringen, ohne faſt nur eine Sylbe zu ſpre- chen; wie er ſeufzt und ſich wunder wie un-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/20>, abgerufen am 21.11.2024.