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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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einige ganz unbedeutende Kleinigkeiten und Zu-
fälle in ein verhaßtes Licht gestellt; alles zeug-
te von der schändlichsten Erfindungsgabe, ich er-
röthete oft über die Frevel, die man mir zur
Last legen wollte. Ich war nach diesem Be-
richte heimtückisch, boshaft, unversöhnlich; kei-
ner meiner Freunde oder Feinde war vor mei-
nen Nachstellungen sicher; nach dieser Erzählung
war ich der größte Schurke, der es nie hätte
wagen dürfen, einem ehrlichen Manne ins Ge-
sicht zu sehn. -- Und diesem, schloß Milford
endlich, soll ich mein Kind, die einzige Freude
meines Lebens, überantworten? -- Sie lieber
hinrichten!

Ich zwang mich gemäßigt zu seyn. -- Wer,
fragt' ich kalt, ist der Erfinder dieser, wenig-
stens sinnreichen Lüge?

Einer, den Ihr Charakter am meisten kränkt,
-- Ihr Freund Waterloo! Ihr ehemaliger Lob-
redner.

Izt wunderte ich mich, daß ich nicht längst
das ganze Gewebe der Bosheit durchgesehn hat-
te; der Schleier fiel izt ganz von meinen Au-
gen. Große Thränen stürzten über meine Wan-
gen herab, ich verlohr in diesem Augenblicke ei-

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einige ganz unbedeutende Kleinigkeiten und Zu-
faͤlle in ein verhaßtes Licht geſtellt; alles zeug-
te von der ſchaͤndlichſten Erfindungsgabe, ich er-
roͤthete oft uͤber die Frevel, die man mir zur
Laſt legen wollte. Ich war nach dieſem Be-
richte heimtuͤckiſch, boshaft, unverſoͤhnlich; kei-
ner meiner Freunde oder Feinde war vor mei-
nen Nachſtellungen ſicher; nach dieſer Erzaͤhlung
war ich der groͤßte Schurke, der es nie haͤtte
wagen duͤrfen, einem ehrlichen Manne ins Ge-
ſicht zu ſehn. — Und dieſem, ſchloß Milford
endlich, ſoll ich mein Kind, die einzige Freude
meines Lebens, uͤberantworten? — Sie lieber
hinrichten!

Ich zwang mich gemaͤßigt zu ſeyn. — Wer,
fragt’ ich kalt, iſt der Erfinder dieſer, wenig-
ſtens ſinnreichen Luͤge?

Einer, den Ihr Charakter am meiſten kraͤnkt,
— Ihr Freund Waterloo! Ihr ehemaliger Lob-
redner.

Izt wunderte ich mich, daß ich nicht laͤngſt
das ganze Gewebe der Bosheit durchgeſehn hat-
te; der Schleier fiel izt ganz von meinen Au-
gen. Große Thraͤnen ſtuͤrzten uͤber meine Wan-
gen herab, ich verlohr in dieſem Augenblicke ei-

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[259[257]/0267] einige ganz unbedeutende Kleinigkeiten und Zu- faͤlle in ein verhaßtes Licht geſtellt; alles zeug- te von der ſchaͤndlichſten Erfindungsgabe, ich er- roͤthete oft uͤber die Frevel, die man mir zur Laſt legen wollte. Ich war nach dieſem Be- richte heimtuͤckiſch, boshaft, unverſoͤhnlich; kei- ner meiner Freunde oder Feinde war vor mei- nen Nachſtellungen ſicher; nach dieſer Erzaͤhlung war ich der groͤßte Schurke, der es nie haͤtte wagen duͤrfen, einem ehrlichen Manne ins Ge- ſicht zu ſehn. — Und dieſem, ſchloß Milford endlich, ſoll ich mein Kind, die einzige Freude meines Lebens, uͤberantworten? — Sie lieber hinrichten! Ich zwang mich gemaͤßigt zu ſeyn. — Wer, fragt’ ich kalt, iſt der Erfinder dieſer, wenig- ſtens ſinnreichen Luͤge? Einer, den Ihr Charakter am meiſten kraͤnkt, — Ihr Freund Waterloo! Ihr ehemaliger Lob- redner. Izt wunderte ich mich, daß ich nicht laͤngſt das ganze Gewebe der Bosheit durchgeſehn hat- te; der Schleier fiel izt ganz von meinen Au- gen. Große Thraͤnen ſtuͤrzten uͤber meine Wan- gen herab, ich verlohr in dieſem Augenblicke ei- R 2

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 259[257]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/267>, abgerufen am 22.11.2024.