nen Freund, den ich unaussprechlich geliebt hatte; mein Herz wollte zerspringen. Ich warf mich in einen Sessel um die mannichfaltigen Empfindungen, die in meinem Innern wühlten, erst austoben zu lassen, Milford sah kalt und gelassen auf mich herab, er war ungewiß, ob er diesen Schmerz für Reue, oder für tiefe Krän- kung halten sollte. -- Endlich gewann ich die Sprache wieder, und nachdem ich mich völlig ge- sammelt hatte, war es mir ein Leichtes, den Lord vom Ungrunde aller Beschuldigungen zu überzeugen. Er wüthete izt gegen Waterloo der ihn auf die boshafteste und schändlichste Art hintergangen, der ihn durch alle Künste der Verstellung zu seinem warmen Freunde gemacht hatte. -- Er hatte anfangs meinen Freund und Bewunderer gespielt, und auf eine Verbindung zwischen mir und Marien eingelenkt, nach und nach war er zurückhaltender, endlich kalt gewor- den. Man hatte um den Grund dazu in ihn ge- drungen; nach langen Umschweifen, nach vielen Klagen war er endlich mit der Entdeckung vor- gerückt, daß er sich gänzlich in mir geirrt habe, daß er so einen werthen Freund in mir verlie- re, und so weiter. Izt war eine Erdichtung
nen Freund, den ich unausſprechlich geliebt hatte; mein Herz wollte zerſpringen. Ich warf mich in einen Seſſel um die mannichfaltigen Empfindungen, die in meinem Innern wuͤhlten, erſt austoben zu laſſen, Milford ſah kalt und gelaſſen auf mich herab, er war ungewiß, ob er dieſen Schmerz fuͤr Reue, oder fuͤr tiefe Kraͤn- kung halten ſollte. — Endlich gewann ich die Sprache wieder, und nachdem ich mich voͤllig ge- ſammelt hatte, war es mir ein Leichtes, den Lord vom Ungrunde aller Beſchuldigungen zu uͤberzeugen. Er wuͤthete izt gegen Waterloo der ihn auf die boshafteſte und ſchaͤndlichſte Art hintergangen, der ihn durch alle Kuͤnſte der Verſtellung zu ſeinem warmen Freunde gemacht hatte. — Er hatte anfangs meinen Freund und Bewunderer geſpielt, und auf eine Verbindung zwiſchen mir und Marien eingelenkt, nach und nach war er zuruͤckhaltender, endlich kalt gewor- den. Man hatte um den Grund dazu in ihn ge- drungen; nach langen Umſchweifen, nach vielen Klagen war er endlich mit der Entdeckung vor- geruͤckt, daß er ſich gaͤnzlich in mir geirrt habe, daß er ſo einen werthen Freund in mir verlie- re, und ſo weiter. Izt war eine Erdichtung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0268"n="260[258]"/>
nen Freund, den ich unausſprechlich geliebt<lb/>
hatte; mein Herz wollte zerſpringen. Ich warf<lb/>
mich in einen Seſſel um die mannichfaltigen<lb/>
Empfindungen, die in meinem Innern wuͤhlten,<lb/>
erſt austoben zu laſſen, Milford ſah kalt und<lb/>
gelaſſen auf mich herab, er war ungewiß, ob er<lb/>
dieſen Schmerz fuͤr Reue, oder fuͤr tiefe Kraͤn-<lb/>
kung halten ſollte. — Endlich gewann ich die<lb/>
Sprache wieder, und nachdem ich mich voͤllig ge-<lb/>ſammelt hatte, war es mir ein Leichtes, den<lb/>
Lord vom Ungrunde aller Beſchuldigungen zu<lb/>
uͤberzeugen. Er wuͤthete izt gegen Waterloo<lb/>
der ihn auf die boshafteſte und ſchaͤndlichſte<lb/>
Art hintergangen, der ihn durch alle Kuͤnſte der<lb/>
Verſtellung zu ſeinem warmen Freunde gemacht<lb/>
hatte. — Er hatte anfangs meinen Freund und<lb/>
Bewunderer geſpielt, und auf eine Verbindung<lb/>
zwiſchen mir und Marien eingelenkt, nach und<lb/>
nach war er zuruͤckhaltender, endlich kalt gewor-<lb/>
den. Man hatte um den Grund dazu in ihn ge-<lb/>
drungen; nach langen Umſchweifen, nach vielen<lb/>
Klagen war er endlich mit der Entdeckung vor-<lb/>
geruͤckt, daß er ſich gaͤnzlich in mir geirrt habe,<lb/>
daß er ſo einen werthen Freund in mir verlie-<lb/>
re, und ſo weiter. Izt war eine Erdichtung<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[260[258]/0268]
nen Freund, den ich unausſprechlich geliebt
hatte; mein Herz wollte zerſpringen. Ich warf
mich in einen Seſſel um die mannichfaltigen
Empfindungen, die in meinem Innern wuͤhlten,
erſt austoben zu laſſen, Milford ſah kalt und
gelaſſen auf mich herab, er war ungewiß, ob er
dieſen Schmerz fuͤr Reue, oder fuͤr tiefe Kraͤn-
kung halten ſollte. — Endlich gewann ich die
Sprache wieder, und nachdem ich mich voͤllig ge-
ſammelt hatte, war es mir ein Leichtes, den
Lord vom Ungrunde aller Beſchuldigungen zu
uͤberzeugen. Er wuͤthete izt gegen Waterloo
der ihn auf die boshafteſte und ſchaͤndlichſte
Art hintergangen, der ihn durch alle Kuͤnſte der
Verſtellung zu ſeinem warmen Freunde gemacht
hatte. — Er hatte anfangs meinen Freund und
Bewunderer geſpielt, und auf eine Verbindung
zwiſchen mir und Marien eingelenkt, nach und
nach war er zuruͤckhaltender, endlich kalt gewor-
den. Man hatte um den Grund dazu in ihn ge-
drungen; nach langen Umſchweifen, nach vielen
Klagen war er endlich mit der Entdeckung vor-
geruͤckt, daß er ſich gaͤnzlich in mir geirrt habe,
daß er ſo einen werthen Freund in mir verlie-
re, und ſo weiter. Izt war eine Erdichtung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 260[258]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/268>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.