Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

such, ihn wieder fröhlich zu machen, vergeblich
war, da er endlich manche unverständliche Win-
ke fallen ließ, so drang man in ihn, die Ursache
seines Tiefsinns zu entdecken. Izt gestand er
nun, erst einem, dann mehreren, daß sein Freund
F * * * allerdings Wort halte, ihn nach seinem
Tode zu besuchen; er komme zwar nicht selbst,
aber in jeder Mitternacht rolle ein Todtenkopf,
von einer Kugel durchbohrt, durch die Mitte
seines Schlafzimmers, stehe vor seinem Bette
stille, als wenn er ihn mahnend mit den leeren
Augenhöhlen ansehen wolle, und verschwinde
dann wieder; diese schreckliche Erscheinung rau-
be ihm den Schlaf und die Munterkeit, er kön-
ne seitdem keinen frohen Gedanken fassen. --
Von den meisten ward diese Erzählung für eine
unglückliche Phantasie, von wenigen nur und
gerade von den einfältigsten für Wahrheit ge-
halten. -- Wildbergs Krankheit aber nahm in-
dessen zu; er fing izt an, häufiger und öffentli-
cher seine Vision zu erzählen, er bestritt den
Aberglauben nicht mehr, sondern ließ sich im
Gegentheile gern von Gespenstern vorsprechen,
und so kam es bald dahin, daß man ihm den

ſuch, ihn wieder froͤhlich zu machen, vergeblich
war, da er endlich manche unverſtaͤndliche Win-
ke fallen ließ, ſo drang man in ihn, die Urſache
ſeines Tiefſinns zu entdecken. Izt geſtand er
nun, erſt einem, dann mehreren, daß ſein Freund
F * * * allerdings Wort halte, ihn nach ſeinem
Tode zu beſuchen; er komme zwar nicht ſelbſt,
aber in jeder Mitternacht rolle ein Todtenkopf,
von einer Kugel durchbohrt, durch die Mitte
ſeines Schlafzimmers, ſtehe vor ſeinem Bette
ſtille, als wenn er ihn mahnend mit den leeren
Augenhoͤhlen anſehen wolle, und verſchwinde
dann wieder; dieſe ſchreckliche Erſcheinung rau-
be ihm den Schlaf und die Munterkeit, er koͤn-
ne ſeitdem keinen frohen Gedanken faſſen. —
Von den meiſten ward dieſe Erzaͤhlung fuͤr eine
ungluͤckliche Phantaſie, von wenigen nur und
gerade von den einfaͤltigſten fuͤr Wahrheit ge-
halten. — Wildbergs Krankheit aber nahm in-
deſſen zu; er fing izt an, haͤufiger und oͤffentli-
cher ſeine Viſion zu erzaͤhlen, er beſtritt den
Aberglauben nicht mehr, ſondern ließ ſich im
Gegentheile gern von Geſpenſtern vorſprechen,
und ſo kam es bald dahin, daß man ihm den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0279" n="271[269]"/>
&#x017F;uch, ihn wieder fro&#x0364;hlich zu machen, vergeblich<lb/>
war, da er endlich manche unver&#x017F;ta&#x0364;ndliche Win-<lb/>
ke fallen ließ, &#x017F;o drang man in ihn, die Ur&#x017F;ache<lb/>
&#x017F;eines Tief&#x017F;inns zu entdecken. Izt ge&#x017F;tand er<lb/>
nun, er&#x017F;t einem, dann mehreren, daß &#x017F;ein Freund<lb/>
F * * * allerdings Wort halte, ihn nach &#x017F;einem<lb/>
Tode zu be&#x017F;uchen; er komme zwar nicht &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
aber in jeder Mitternacht rolle ein Todtenkopf,<lb/>
von einer Kugel durchbohrt, durch die Mitte<lb/>
&#x017F;eines Schlafzimmers, &#x017F;tehe vor &#x017F;einem Bette<lb/>
&#x017F;tille, als wenn er ihn mahnend mit den leeren<lb/>
Augenho&#x0364;hlen an&#x017F;ehen wolle, und ver&#x017F;chwinde<lb/>
dann wieder; die&#x017F;e &#x017F;chreckliche Er&#x017F;cheinung rau-<lb/>
be ihm den Schlaf und die Munterkeit, er ko&#x0364;n-<lb/>
ne &#x017F;eitdem keinen frohen Gedanken fa&#x017F;&#x017F;en. &#x2014;<lb/>
Von den mei&#x017F;ten ward die&#x017F;e Erza&#x0364;hlung fu&#x0364;r eine<lb/>
unglu&#x0364;ckliche Phanta&#x017F;ie, von wenigen nur und<lb/>
gerade von den einfa&#x0364;ltig&#x017F;ten fu&#x0364;r Wahrheit ge-<lb/>
halten. &#x2014; Wildbergs Krankheit aber nahm in-<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en zu; er fing izt an, ha&#x0364;ufiger und o&#x0364;ffentli-<lb/>
cher &#x017F;eine Vi&#x017F;ion zu erza&#x0364;hlen, er be&#x017F;tritt den<lb/>
Aberglauben nicht mehr, &#x017F;ondern ließ &#x017F;ich im<lb/>
Gegentheile gern von Ge&#x017F;pen&#x017F;tern vor&#x017F;prechen,<lb/>
und &#x017F;o kam es bald dahin, daß man ihm den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271[269]/0279] ſuch, ihn wieder froͤhlich zu machen, vergeblich war, da er endlich manche unverſtaͤndliche Win- ke fallen ließ, ſo drang man in ihn, die Urſache ſeines Tiefſinns zu entdecken. Izt geſtand er nun, erſt einem, dann mehreren, daß ſein Freund F * * * allerdings Wort halte, ihn nach ſeinem Tode zu beſuchen; er komme zwar nicht ſelbſt, aber in jeder Mitternacht rolle ein Todtenkopf, von einer Kugel durchbohrt, durch die Mitte ſeines Schlafzimmers, ſtehe vor ſeinem Bette ſtille, als wenn er ihn mahnend mit den leeren Augenhoͤhlen anſehen wolle, und verſchwinde dann wieder; dieſe ſchreckliche Erſcheinung rau- be ihm den Schlaf und die Munterkeit, er koͤn- ne ſeitdem keinen frohen Gedanken faſſen. — Von den meiſten ward dieſe Erzaͤhlung fuͤr eine ungluͤckliche Phantaſie, von wenigen nur und gerade von den einfaͤltigſten fuͤr Wahrheit ge- halten. — Wildbergs Krankheit aber nahm in- deſſen zu; er fing izt an, haͤufiger und oͤffentli- cher ſeine Viſion zu erzaͤhlen, er beſtritt den Aberglauben nicht mehr, ſondern ließ ſich im Gegentheile gern von Geſpenſtern vorſprechen, und ſo kam es bald dahin, daß man ihm den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/279
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 271[269]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/279>, abgerufen am 22.11.2024.