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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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Nahmen eines Geistersehers beilegte und ihn für
einen sonst ziemlich vernünftigen Mann hielt,
der nur eine unglückliche Verrückung habe. --
Wildberg bat izt zuweilen einige seiner Freunde
zu sich, um in der Nacht mit ihm zu wachen,
weil seine Angst und sein Schauder bei jeder
Erscheinung höher stieg; auch ich leistete ihm
einigemahl Gesellschaft. -- Gegen Mitternacht
ward er jedesmahl unruhig, -- wenn es zwölfe
schlug, fuhr er auf und rief: horch! izt rasselt es
an der Thür! -- Wir hörten nichts. -- Dann
richtete Wildberg seine Augen starr auf den Bo-
den: sieh, sprach er leise, wie er zu mir heran-
schleicht! O vergieb, vergieb mir, mein lieber
Freund, ängstige mich nicht öfter, ich habe ge-
nug gelitten. -- Nachher ward er ruhiger und
sagte uns, der Kopf sey verschwunden; wir hat-
ten nichts gesehn. -- Es ward allen seinen
Freunden stets wahrscheinlicher, daß alles dies
nichts weiter, als eine unglückliche hypochondri-
sche Einbildung sey, heftige Reue über den Tod
seines Freundes, die in eine Art von Wahnsinn
ausgeartet sey: wir suchten ein Mittel, ihn von
der Nichtigkeit seiner Vorstellung zu überführen
und ihm so seine Ruhe wieder zu geben. Viele

Hypo-

Nahmen eines Geiſterſehers beilegte und ihn fuͤr
einen ſonſt ziemlich vernuͤnftigen Mann hielt,
der nur eine ungluͤckliche Verruͤckung habe. —
Wildberg bat izt zuweilen einige ſeiner Freunde
zu ſich, um in der Nacht mit ihm zu wachen,
weil ſeine Angſt und ſein Schauder bei jeder
Erſcheinung hoͤher ſtieg; auch ich leiſtete ihm
einigemahl Geſellſchaft. — Gegen Mitternacht
ward er jedesmahl unruhig, — wenn es zwoͤlfe
ſchlug, fuhr er auf und rief: horch! izt raſſelt es
an der Thuͤr! — Wir hoͤrten nichts. — Dann
richtete Wildberg ſeine Augen ſtarr auf den Bo-
den: ſieh, ſprach er leiſe, wie er zu mir heran-
ſchleicht! O vergieb, vergieb mir, mein lieber
Freund, aͤngſtige mich nicht oͤfter, ich habe ge-
nug gelitten. — Nachher ward er ruhiger und
ſagte uns, der Kopf ſey verſchwunden; wir hat-
ten nichts geſehn. — Es ward allen ſeinen
Freunden ſtets wahrſcheinlicher, daß alles dies
nichts weiter, als eine ungluͤckliche hypochondri-
ſche Einbildung ſey, heftige Reue uͤber den Tod
ſeines Freundes, die in eine Art von Wahnſinn
ausgeartet ſey: wir ſuchten ein Mittel, ihn von
der Nichtigkeit ſeiner Vorſtellung zu uͤberfuͤhren
und ihm ſo ſeine Ruhe wieder zu geben. Viele

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[272[270]/0280] Nahmen eines Geiſterſehers beilegte und ihn fuͤr einen ſonſt ziemlich vernuͤnftigen Mann hielt, der nur eine ungluͤckliche Verruͤckung habe. — Wildberg bat izt zuweilen einige ſeiner Freunde zu ſich, um in der Nacht mit ihm zu wachen, weil ſeine Angſt und ſein Schauder bei jeder Erſcheinung hoͤher ſtieg; auch ich leiſtete ihm einigemahl Geſellſchaft. — Gegen Mitternacht ward er jedesmahl unruhig, — wenn es zwoͤlfe ſchlug, fuhr er auf und rief: horch! izt raſſelt es an der Thuͤr! — Wir hoͤrten nichts. — Dann richtete Wildberg ſeine Augen ſtarr auf den Bo- den: ſieh, ſprach er leiſe, wie er zu mir heran- ſchleicht! O vergieb, vergieb mir, mein lieber Freund, aͤngſtige mich nicht oͤfter, ich habe ge- nug gelitten. — Nachher ward er ruhiger und ſagte uns, der Kopf ſey verſchwunden; wir hat- ten nichts geſehn. — Es ward allen ſeinen Freunden ſtets wahrſcheinlicher, daß alles dies nichts weiter, als eine ungluͤckliche hypochondri- ſche Einbildung ſey, heftige Reue uͤber den Tod ſeines Freundes, die in eine Art von Wahnſinn ausgeartet ſey: wir ſuchten ein Mittel, ihn von der Nichtigkeit ſeiner Vorſtellung zu uͤberfuͤhren und ihm ſo ſeine Ruhe wieder zu geben. Viele Hypo-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 272[270]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/280>, abgerufen am 22.11.2024.