den Kontrast zu würzen: bey diesen Menschen aber ist jedes unerwartete Vergnügen ein Weih- nachtsfest, wie ein plötzlicher Sonnenblick an ei- nem kalten Regentage scheint es hell und frisch in ihre Seele hinein. Ich werde mich künftig hüten, die Menschen mit dumpferen Sinne so sehr zu verachten. Ich komme am Ende auf den Gedanken, daß alle Menschen im Grunde gleich glücklich sind.
Wenn ich in meinem kleinen Besitzthume jetzt auf, und abgehe, über das Feld und nach der Stadt hinüber sehe, Rosalinens Stimme von neben an höre, und ich mich so recht ruhig und glücklich fühle, der Tag ohne Verdruß und Wi- derwillen sich schließt; so komme ich manchmal auf den Gedanken, in dieser Lage zu bleiben, hier ein Bauer zu werden, und das reinste, fri- scheste Glück des Lebens zu genießen. -- Viel- leicht bliebe ich hier immer froh undzufrieden, -- vielleicht! -- ach, die Wünsche, die Neigungen des Menschen! -- Welcher böse Genius hat diesem Bilde, als es vollendet war, so viel der widersprechenden Triebe beygemischt!
Doch hinweg davon. O Rosa, nennen Sie mir ein Schauspiel, das dem an Reiz gleich
käme,
den Kontraſt zu wuͤrzen: bey dieſen Menſchen aber iſt jedes unerwartete Vergnuͤgen ein Weih- nachtsfeſt, wie ein ploͤtzlicher Sonnenblick an ei- nem kalten Regentage ſcheint es hell und friſch in ihre Seele hinein. Ich werde mich kuͤnftig huͤten, die Menſchen mit dumpferen Sinne ſo ſehr zu verachten. Ich komme am Ende auf den Gedanken, daß alle Menſchen im Grunde gleich gluͤcklich ſind.
Wenn ich in meinem kleinen Beſitzthume jetzt auf, und abgehe, uͤber das Feld und nach der Stadt hinuͤber ſehe, Roſalinens Stimme von neben an hoͤre, und ich mich ſo recht ruhig und gluͤcklich fuͤhle, der Tag ohne Verdruß und Wi- derwillen ſich ſchließt; ſo komme ich manchmal auf den Gedanken, in dieſer Lage zu bleiben, hier ein Bauer zu werden, und das reinſte, fri- ſcheſte Gluͤck des Lebens zu genießen. — Viel- leicht bliebe ich hier immer froh undzufrieden, — vielleicht! — ach, die Wuͤnſche, die Neigungen des Menſchen! — Welcher boͤſe Genius hat dieſem Bilde, als es vollendet war, ſo viel der widerſprechenden Triebe beygemiſcht!
Doch hinweg davon. O Roſa, nennen Sie mir ein Schauſpiel, das dem an Reiz gleich
kaͤme,
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den Kontraſt zu wuͤrzen: bey dieſen Menſchen
aber iſt jedes unerwartete Vergnuͤgen ein Weih-
nachtsfeſt, wie ein ploͤtzlicher Sonnenblick an ei-
nem kalten Regentage ſcheint es hell und friſch
in ihre Seele hinein. Ich werde mich kuͤnftig
huͤten, die Menſchen mit dumpferen Sinne ſo
ſehr zu verachten. Ich komme am Ende auf
den Gedanken, daß alle Menſchen im Grunde
gleich gluͤcklich ſind.
Wenn ich in meinem kleinen Beſitzthume jetzt
auf, und abgehe, uͤber das Feld und nach der
Stadt hinuͤber ſehe, Roſalinens Stimme von
neben an hoͤre, und ich mich ſo recht ruhig und
gluͤcklich fuͤhle, der Tag ohne Verdruß und Wi-
derwillen ſich ſchließt; ſo komme ich manchmal
auf den Gedanken, in dieſer Lage zu bleiben,
hier ein Bauer zu werden, und das reinſte, fri-
ſcheſte Gluͤck des Lebens zu genießen. — Viel-
leicht bliebe ich hier immer froh und zufrieden, —
vielleicht! — ach, die Wuͤnſche, die Neigungen
des Menſchen! — Welcher boͤſe Genius hat
dieſem Bilde, als es vollendet war, ſo viel der
widerſprechenden Triebe beygemiſcht!
Doch hinweg davon. O Roſa, nennen Sie
mir ein Schauſpiel, das dem an Reiz gleich
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/150>, abgerufen am 21.11.2024.
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