sich endlich über sein eignes Wesen zu be- ruhigen.
Ich habe mit Andacht die Blätter von der Hand meines Vaters gelesen; seine Stimme tönt wie die Stimme eines unsichtbaren Geistes jenseit eines breiten Stromes zu mir herüber; er sagt in seiner Verklärung mit andern Wor- ten eben das, was ich so eben behauptet habe. -- O Du, der Du so sicher stehst, mit so vieler Eitelkeit Dich selbst und Deine Vollendung be- trachtest, bedenke, daß wir allgesammt nur schwache Sterbliche sind, und so wie Du glaubst, daß ich endlich noch zu Deiner Meinung über- treten werde, so bin ich überzeugt, daß Dich nur Dein Eigensinn hindert, meine Gedanken für richtiger zu halten, als Du bisher gethan hast.
Ihr Edlen und Vollendeten! die ihr aus dem verklärten Himmel mit Hohn auf die Welt hinunterseht, und doch so sehr den gefallenen Engeln ähnlich seyd! -- Glaubst Du nicht, daß ich Deinen ganzen Brief verstanden habe, selbst die Stellen, von denen Du vielleicht glaubtest, ich würde den Sinn, der sie niederschrieb, nicht entdecken? -- Warum hast Du mir keine Sylbe
ſich endlich uͤber ſein eignes Weſen zu be- ruhigen.
Ich habe mit Andacht die Blaͤtter von der Hand meines Vaters geleſen; ſeine Stimme toͤnt wie die Stimme eines unſichtbaren Geiſtes jenſeit eines breiten Stromes zu mir heruͤber; er ſagt in ſeiner Verklaͤrung mit andern Wor- ten eben das, was ich ſo eben behauptet habe. — O Du, der Du ſo ſicher ſtehſt, mit ſo vieler Eitelkeit Dich ſelbſt und Deine Vollendung be- trachteſt, bedenke, daß wir allgeſammt nur ſchwache Sterbliche ſind, und ſo wie Du glaubſt, daß ich endlich noch zu Deiner Meinung uͤber- treten werde, ſo bin ich uͤberzeugt, daß Dich nur Dein Eigenſinn hindert, meine Gedanken fuͤr richtiger zu halten, als Du bisher gethan haſt.
Ihr Edlen und Vollendeten! die ihr aus dem verklaͤrten Himmel mit Hohn auf die Welt hinunterſeht, und doch ſo ſehr den gefallenen Engeln aͤhnlich ſeyd! — Glaubſt Du nicht, daß ich Deinen ganzen Brief verſtanden habe, ſelbſt die Stellen, von denen Du vielleicht glaubteſt, ich wuͤrde den Sinn, der ſie niederſchrieb, nicht entdecken? — Warum haſt Du mir keine Sylbe
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ſich endlich uͤber ſein eignes Weſen zu be-
ruhigen.
Ich habe mit Andacht die Blaͤtter von der
Hand meines Vaters geleſen; ſeine Stimme
toͤnt wie die Stimme eines unſichtbaren Geiſtes
jenſeit eines breiten Stromes zu mir heruͤber;
er ſagt in ſeiner Verklaͤrung mit andern Wor-
ten eben das, was ich ſo eben behauptet habe. —
O Du, der Du ſo ſicher ſtehſt, mit ſo vieler
Eitelkeit Dich ſelbſt und Deine Vollendung be-
trachteſt, bedenke, daß wir allgeſammt nur
ſchwache Sterbliche ſind, und ſo wie Du glaubſt,
daß ich endlich noch zu Deiner Meinung uͤber-
treten werde, ſo bin ich uͤberzeugt, daß Dich
nur Dein Eigenſinn hindert, meine Gedanken
fuͤr richtiger zu halten, als Du bisher gethan
haſt.
Ihr Edlen und Vollendeten! die ihr aus
dem verklaͤrten Himmel mit Hohn auf die Welt
hinunterſeht, und doch ſo ſehr den gefallenen
Engeln aͤhnlich ſeyd! — Glaubſt Du nicht, daß
ich Deinen ganzen Brief verſtanden habe, ſelbſt
die Stellen, von denen Du vielleicht glaubteſt,
ich wuͤrde den Sinn, der ſie niederſchrieb, nicht
entdecken? — Warum haſt Du mir keine Sylbe
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/243>, abgerufen am 23.11.2024.
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